Rote Fahne 16/2019
„Wir bereiten den landesweiten Bergarbeiterstreik vor“
Jorge Juárez, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Berg- und Metallarbeiter FNTMMSP von Peru, berichtet über die Vorbereitung des Huelga Nacional. So etwas gab es seit über 30 Jahren nicht mehr. Es geht um Gesundheit, Grundlohn und die Umwelt
Rote Fahne: Jorge wir haben erfahren, dass ihr einen Streik aller Bergarbeiter in Peru vorbereitet.
Juárez: Das stimmt, wir bereiten einen landesweiten unbefristeten Streik ab dem 10. September vor. Das hat der Gewerkschaftskongress im Februar beschlossen.
Die Unternehmer weigern sich, sich mit uns auch nur an den Tisch zu setzen, um unseren Forderungskatalog zu besprechen. In Peru werden die Tarifforderungen in den einzelnen Betrieb verhandelt. Wir wollen Verhandlungen für die ganze Branche. Die Unternehmer wollen das nicht, weil damit unsere Stärke wächst.
Welches sind eure Hauptforderungen?
Der erste Punkt betrifft Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Es gibt ein paritätisch besetztes Komitee, das sich um diese Fragen kümmert. Wir fordern den Vorsitz, weil die Unternehmer sich nicht mit der Situation der Bergleute auskennen und kein Interesse daran haben. So ist die Staublunge sehr verbreitet. In den großen Minen fahren täglich 130 bis 150 Lastwagen am Bergmann vorbei.
Die betrieblichen Gesundheitszentren versuchen aber in Zusammenarbeit mit Versicherungen und Kliniken, die Anerkennung der Krankheit zu verweigern. Das wollen wir ändern. Das gilt auch für weitere Krankheiten, so haben fast alle Bergleute Probleme mit dem Rücken. Wir fordern den Vorsitz des Gesundheitskomitees, um auf diese Fragen Einfluss zu nehmen.
Weiter fordern wir, dass der Grundlohn steigt. In Peru sind zehn Prozent des Grundlohns abhängig von der Rentabilität des jeweiligen Betriebs. Natürlich können kleine Betriebe nicht so viel bezahlen wie große Konzerne. Wir fordern, dass der Unterschied zu den Leiharbeitern weniger groß wird. Sie machen 70 Prozent der rund 220.000 Beschäftigten im Bergbau aus. Im Durchschnitt verdient ein Bergmann in Peru in einem Großbetrieb zwischen 1000 und 1700 US-Dollar im Monat. Ein Bergmann in einem Mittelbetrieb verdient 500 bis 1000 US-Dollar. Ein Leiharbeiter verdient 320 bis im höchsten Fall 500 US-Dollar. Bei denen, die über 1000 US-Dollar verdienen, gehen übrigens rund 30 Prozent an Steuern ab.
Ihr werft auch die Umweltfrage auf?
Das stimmt dazu habe wir sogar eine extra Passage in unserer Kampfplattform (siehe Kasten). Wir versuchen die Arbeiter zu überzeugen, mit den Menschen in den Dörfern zusammenzuhalten. Die Unternehmer versuchen, die Bergleute gegen die Gemeinden in Stellung zu bringen.
Dabei kommen die meisten Bergleute von dort und sind kulturell mit ihnen verbunden. Viele waren früher Bauern, oder ihre Familien sind es. Die Regierung unternimmt nichts, sondern behandelt die Bergbauunternehmen mit Wohlgefallen. Die staatlichen Subventionen sind höher als die Steuern, die die großen Unternehmen zahlen. Dabei hat sich die Korruption in Peru inzwischen extensiv ausgedehnt und den Bergbau erreicht, während früher vor allem das Baugewerbe betroffen war.
Gibt es auch Probleme mit Arbeitsplatzabbau?
Ja, in einzelnen Betrieben werden sogar Massenentlassungen angedroht. Dabei ist die Methode zumeist, die Kollegen mürbe zu machen, damit sie Abfindungen nehmen. Liegt die Rentabilität unter der vom Unternehmen selbst gesetzten Gewinnmarge, wird abgebaut. Oder man versucht, die Arbeiter loszuwerden, die bestimmte Rechte haben, um dann neue zu schlechteren Bedingungen einzustellen. Bisher war es möglich, gegen eine Entlassung zu klagen, und unter Umständen mit Erfolg. Ein neues Gesetz soll diese Möglichkeit aufheben. Angeblich würden den Unternehmen zu viel Kosten entstehen und damit der informelle Sektor gefördert, der 70 Prozent der peruanischen Wirtschaft ausmacht. 1990 waren es nur 40 Prozent. In Wirklichkeit soll eine weitere Verschlechterung der Lebens- und Arbeitssituation erreicht werden. Sie wollen auch die Gewerkschaften ausschalten. Im produzierenden Gewerbe gibt es inzwischen nur noch im Bergbau und in der Bauindustrie funktionierende, starke Gewerkschaften.
Wie bereitet ihr den Streik vor?
Wir gehen systematisch im ganzen Land zu allen Gewerkschaftsbasen. Wir diskutieren mit den Kumpels den Forderungskatalog und erklären, wie wichtig es ist, dass wir zentral in der Branche verhandeln. Das ist nicht immer einfach. Das letzte Mal gab es 1988 eine Auseinandersetzung um kollektive Verhandlungen für alle. Aber wir sind überzeugt, dass die Mehrheit der Kollegen diesen Streik aktiv durchführen wird. Wir haben auch Mütterkomitees gebildet, um die Frauen und Familien einzubeziehen.
Was willst du den Kumpels und Rote-Fahne-Lesern in Deutschland noch sagen?
Viele Grüße, und wir müssen in Verbindung bleiben und uns austauschen!
Vielen Dank! Wir wünschen euch viel Erfolg und hoffen, dass ihr uns über die Entwicklung auf dem Laufenden haltet. Die bürgerlichen Medien in Deutschland berichten so etwas natürlich nicht.