Rote Fahne 15/2019

Rote Fahne 15/2019

Lichtgestalten der Geschichte?

Zum 75. Jahrestag des Attentats auf Hitler – Motivation und Weltanschauung der Militärverschwörer des 20. Juli 1944

Von (dk)
Lichtgestalten der Geschichte?
Claus Schenk Graf von Stauffenberg – Hitler-Attentäter aus reaktionären Motiven, Foto: public domain

Am 20. Juli 1944 verübte Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein Attentat auf Hitler. Der Bombenanschlag scheiterte, Stauffenberg und zahlreiche seiner Mitverschwörer, die einen Putsch zur Beseitigung Hitlers geplant hatten, wurden verhaftet und hingerichtet.

 

Zum damaligen Zeitpunkt war die Niederlage Deutschlands im II. Weltkrieg bereits besiegelt. Die Gefahr, ihr Land an die vorrückende Rote Armee der Sowjetunion zu verlieren, war für den ostelbischen grundbesitzenden Adel akut geworden – diese Kreise vertrat Stauffenberg.

 

Wer hielt an Hitler fest?

 

Die entscheidenden Kräfte der herrschenden Klasse des deutschen Monopolkapitals hielten allerdings noch an Hitler fest. Im illegalen kommunistischen Widerstand schrieb Willi Dickhut, der spätere Vordenker und Mitbegründer der MLPD, unmittelbar nach dem Anschlag: „Hätte hinter der Aktion der Generäle … das Finanzkapital gestanden, wäre der Erfolg nicht ausgeblieben … Hinter dieser Aktion stand jedoch nur ein Teil, eine Schicht der Bourgeoisie … Durch den überraschenden, schnellen Vorstoß der Roten Armee bis an die Grenzen Deutschlands sahen sie nicht nur das endgültig verloren, was Hitler ihnen für ihre Gefolgschaft zugesichert hatte, nämlich Güter in Polen, in der Ukraine, in Weißrußland und den Baltenländern, sondern ihren eigenen Besitz bedroht.“1

 

Was wollte die Goerdeler-Gruppe?

 

Innerhalb des Monopolkapitals gab es zudem Schwankungen über das weitere Vorgehen. Von Carl und Robert Bosch, Hjalmar Schacht, Carl Friedrich von Siemens und anderen wurde der Oberbürgermeister von Leipzig und faschistische Reichskommissar für Preisbildung, Carl Friedrich Goerdeler, als Nachfolger Hitlers favorisiert. Als politischer Kopf der Verschwörergruppe war er nach dessen Beseitigung als Reichskanzler vorgesehen. „Die Goerdeler-Gruppe wollte die Hitlerregierung durch eine Regierung von Vertrauensleuten des Monopolkapitals und der Militaristen ersetzen, die durch den Hitlerfaschismus nicht zu sehr kompromittiert waren … Diese Regierung sollte eine Militärdiktatur gegen das Volk ausüben und jegliche demokratische Bestrebungen unterdrücken. Die Verschwörer beabsichtigten, nach dem Sturz der ­Hitlerregierung die uneingeschränkte Herrschaft des Monopolkapitals entweder in einer parlamentarischen Monarchie oder aber in einem autoritären Ständestaat zu verwirklichen … Die vorbereiteten Entwürfe von Gesetzen und Verordnungen sowie auch der Entwurf einer Verfassung … enthielten keine demokratischen Rechte und Freiheiten, wie das Wahlrecht, das Recht auf Parteienbildung und das Streikrecht. Die KPD, die führende Kraft im antifaschistischen Widerstand, sollte weiterhin unterdrückt bleiben.“2

 

Außenpolitisch wurde eine Verständigung mit den imperialistischen Westmächten angestrebt, um mit ihnen einen antisowjetischen Separatfrieden abzuschließen. Es sagt viel aus über das Selbstverständnis der Bundeswehr, wenn Armin Wagner, der Chef ihres Militärhistorischen Museums in Dresden, zu einer in diesem Monat eröffneten Sonderausstellung sagte: „Die Frauen und Männer des 20. Juli nehmen bis heute einen herausragenden Platz im Traditionsverständnis der Bundeswehr ein.“3

 

Demokratische Verschwörer?

 

Bereits vor sechs Jahren wurde in der offiziellen Rede in der Gedenkstätte Plötzensee, dem Hinrichtungsort der Verschwörer, offen zugegeben, dass diese keine Demokraten gewesen sind – dennoch wurde jegliche Kritik an ihnen zurückgewiesen.4 Dies geschah aus einer vermeintlichen Position der Stärke heraus, die aus antikommunistischer Verblendung entstand. Die Rechtsentwicklung der Regierung und die Förderung der Wegbereiter des Faschismus, wie der AfD, haben seitdem jedoch immer mehr Protest hervorgerufen. Die Bewerbung der Bundeswehr als „Friedenskraft“ stößt auf Widerstand, die Aufdeckung faschistischer Umtriebe in Militär und Polizei entlarvt die Heuchelei Merkels und von der Leyens. Es ist für ihren Betrug auch durchaus kontraproduktiv, wenn sich jetzt zum Jahrestag des Attentats eine Neuerscheinung über den „Ethos der Tat“ und die „sittlichen Werte“ der Männer des 20. Juli auslässt:5

 

Staufenbergs Ansichten unter der Lupe

 

„Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf“, wird Staufenberg darin zitiert. Dies seien für den Deutschen „die Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen“. Solche Darlegung der elitären, antidemokratischen und völkischen Weltanschauung des adligen Oberst Stauffenberg macht unfreiwillig die Verlogenheit offizieller Gedenkreden und -veranstaltungen deutlich. Als Teilnehmer an Hitlers Überfall auf Polen schrieb er 1939 über die unterworfene Bevölkerung, es sei „ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt.“6

 

Was sagt es über die Geisteshaltung der führenden Repräsentanten des Staates aus, wenn der ehemalige Bundespräsident, Joachim Gauck, die Verschwörer des 20. Juli als „Lichtgestalten der Geschichte“ bezeichnete?