Rote Fahne 08/2019
100 Jahre Bauhaus – „Exportschlager deutscher Kultur“?
Das Bauhaus-Jubiläum des durchzieht das ganze Jahr 2019: Artikel, Fernsehfilme, Vorträge, Bücher. Prominente eröffnen neue Ausstellungen, Reisen auf den Spuren des Bauhauses werden angeboten, und das Goethe-Institut erklärt das Bauhaus zum „Exportschlager deutscher Kultur“. Die Vielfalt trägt eher zur Verwirrung bei, weil die meisten Veröffentlichungen einen einzelnen, oft beliebigen Aspekt des tatsächlich komplexen Themas herausgreifen. Was hat es auf sich mit dem Bauhaus?
Walter Gropius (1883–1969) ist der Gründer des Bauhauses. Er formuliert in seinem Manifest 1919 die Grundidee: „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! … Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! … Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers … die Grundlage des Werkmäßigen aber … ist unerlässlich für jeden Künstler … erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft.“
Angestrebt wird also die Einheit der verschiedenen Bereiche von künstlerischem und architektonischem Schaffen auf der Grundlage eines erlernten praktischen, handwerklichen Könnens. Kunst soll dabei einen gesellschaftlichem Anspruch haben, statt selbstgenügsamer l’art pour l’art – Kunst um der Kunst willen.
Bis heute wird das oft verfälscht, als habe das Bauhaus „zurück zum Handwerk“ gewollt. Keineswegs. Das Bauhaus war auch nicht Industrie-abgewandt. Im Gegenteil: Das Ergebnis zeigt die Zusammenarbeit von Handwerk, Kunst und Industrie. Hier ging es vor allem um die Einheit von Theorie und Praxis und die Erkenntnis, dass das Bauhaus an eine lange Geschichte anknüpft: „Im Bauhaus steckten von Anfang an, sagen wir von 1919, lange und tiefe Wurzeln. Bauhaus 1919 – 1933 ist ein Höhepunkt der langen Entwicklung europäischer Kultur-Geschichte. Inbegriffen sind sowohl die Künste wie die Gesellschaft.“ (Prof. Dr. Roland Günter)1
Daran knüpft ein weiterer Hauptgedanke: die Einheit von Arbeit und Leben im Kollektiv. Das meint die Pflege eines freundschaftlichen Verkehrs zwischen Meistern und Studierenden auch außerhalb der Arbeit – mit Theater, Vorträgen, Dichtkunst, Musik, Kostümfesten, heiteren Zusammenkünften. Also die Einheit von kulturvoller Arbeit und erarbeiteter kulturell-künstlerischer Tätigkeit.
Damit erscheint eine dritte wichtige Seite: Das Bauhaus wurde zugleich als Demokratie-Konzept oder -Experiment verstanden. Gropius begrüßte es, dass nach dem I. Weltkrieg und als Folge der Novemberrevolution so viele verschieden gerichtete Vorstellungen und Individuen zusammenkamen.
Tatsächlich gab es eine Fülle neuer Ideen für den Bau: Ästhetik mit neuen Materialien beim Möbeldesign, Einheit von Malerei, Farben, Skulptur, Licht und Landschaft, die Arbeiten und Wohnen in einer bisher unbekannten Frische verbanden. Aber gleichzeitig verschärften sich auch die Gegensätze im Bauhaus. Im Konzept selbst gab es keine ausgesprochene politische Orientierung, allenfalls einen unpräzisen Konsens für eine „gerechtere Gesellschaft“. In der Durchführung konnte sich das Bauhaus aber nicht außerhalb der gesellschaftlichen Widersprüche stellen.
Konservative und vor allem der aufkommende, Faschismus lehnten Bauhaus-Gebäude pauschal ab als „weiße Schuhkartons“, auch als „undeutsch“ oder als „Brutstätte des Kulturbolschewismus“. Und das Bauhaus musste sich gegen – teilweise massive – Einflussnahme durch allerhand Esoteriker und Sektierer erwehren, auch gegen Faschisten. Es gab immer auch Bauhausmitglieder, die sich der Grenzen des Bauhauses im Kapitalismus im Klaren waren. Sie standen der revolutionären Arbeiterklasse nahe und beschäftigten sich mit dem Sozialismus. Zunehmend bestimmten aber die Klassengegensätze auch die Entwicklung des Bauhauses.
Die im Bauhaus vorhandene Idee, die realen und scharfen Klassengegensätze in Deutschland wenigstens in der Architektur umgehen zu können, erwies sich als eine kleinbürgerliche Utopie.
Und letztlich ging das Bauhaus als Institution in Deutschland an den Machtansprüchen der herrschenden Klasse des deutschen Imperialismus zugrunde. Nach der Errichtung des Faschismus 1933 wurde das Bauhaus geschlossen, das kurz zuvor nach Berlin umziehen musste. 32 Studenten wurden verhaftet. Walter Gropius und viele andere Bauhaus-Lehrer und -Schüler mussten ins Ausland fliehen. Zum Ärger aller Faschisten entwickelte sich aber auf diese Weise die Internationalisierung der Bauhaus-Gedanken. Bald wurden sie in vielen Ländern aufgegriffen.2 So steht die größte Bauhaussiedlung nicht hierzulande, sondern in Tel Aviv.