Rote Fahne 04/2019
Ukraine: Durch Zechenflutung droht nukleare Verseuchung
Gegen die geplante Flutung von Zechen im Donbass (Ostukraine) erheben sich auch dort warnende Stimmen. Die folgenden Zuschriften aus der Ukraine belegen, dass der Kampf dagegen eine internationale Aufgabe ist
Dmitri Micheew von der Gesamtukrainischen unabhängigen Gewerkschaft „Verteidigung der Arbeit“, Vertreter der Internationalen Bergarbeiterkoordinierung in der Ukraine, schreibt:
„Im August 1963 schlossen die imperialistischen Staaten UdSSR, USA und Großbritannien den Moskauer Vertrag ab, der Atomwaffenversuche in der Atmosphäre, im All und unter Wasser verbot. Aber trotz der Unterschrift unter diesen Vertrag begann nach genau zwei Jahren der neugebildete Imperialismus der UdSSR „im Interesse der Volkswirtschaft“ ein Programm unterirdischer Atomwaffentests.
Ein geheimes wissenschaftliches Forschungsinstitut erarbeitete das Programm unter der Bezeichnung Objekt Kliwash, das die Nutzung von Kernsprengkörpern mit der Sprengkraft von bis zu 50 Kilotonnen TNT in einer Tiefe von 903 Meter zwischen Kohleflözen zum Zweck der Förderung wertvoller Rohstoffe vorsah. Sie beschlossen, dieses schreckliche Experiment in der Ukraine in der aktiven Grube Junyj Kommunar (junger Kommunarde – der Übersetzer) im Zentrum des Kohlebeckens nahe der Stadt Jenakiewo durchzuführen. …
Die unabhängigen Gewerkschaftsaktivisten stellten folgende Forderung auf: „GEGEN DIE TODBRINGENDE EXPLOSION!“ Weiterhin versuchten die Aktivisten der unabhängigen Gewerkschaft, die Weltöffentlichkeit und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) über die Vorbereitung dieser Sprengung zu informieren. Jedoch wurde der Arbeiteraufstand vom KGB mit Härte unterdrückt.
Am 16. September 1979 wurde im Schacht Junyj Kommunar eine Kernladung entsprechend 300 Kilotonnen TNT gezündet. Die Bombe wurde in eine extra hergestellte Kammer zwischen den Kohleflözen eingebracht. Damit die gasförmigen Explosionsprodukte nicht in die Umwelt gelangten, wurde die Kammer mit Stahlbetonschwellen mit einer Dicke von mehr als sechs Metern abgeriegelt. Niemand hat daran gedacht, die Bergmannsfamilien aus der Bergarbeitersiedlung nahe der Grube zu evakuieren. Sekunden nach der Explosion verspürten die Bewohner einen unterirdischen Erdstoß. In einigen Häusern bekamen Wände Risse, aber das waren die einzigen sichtbaren Folgen des Experiments. Am nächsten Tag nahm das Bergwerk seine Arbeit wieder auf. Sie arbeiteten neben dem Zentrum der Kernexplosion. Das war ein schreckliches Verbrechen der sozialimperialistischen UdSSR gegen die ukrainische und russische Arbeiterklasse.
Nach der Kernexplosion wurde noch weitere 23 Jahre lang Kohle aus dieser Grube gefördert. Wegen Unrentabilität wurde Junyj Kommunar 2002 geschlossen …
Wir denken, dass nur die organisierte Stimme und der Wille der Arbeiterklasse der Ukraine und ihrer wichtigen Truppe – der Arbeiterklasse des Donbass – die Situation retten und die schreckliche ökologische Katastrophe verhindern können, die unweigerlich eintritt bei Fortsetzung der Politik des Flutens der Schächte des Donbass. Wir rufen zur internationalen Arbeiter- und Bergmannssolidarität auf!“
Ein Genosse des Koordinierungsrats der Arbeiterbewegung Ukraine (KSRD)1 schreibt:
„Mit dem Beginn des Krieges im Donbass begann das unkontrollierte Fluten der Zechen und Förderstätten – vor allem in den Teilen der Region, die von prorussischen Formierungen kontrolliert werden. Das geschieht angesichts der Beendigung der Kontrolle stillgelegter Schächte und des Abpumpens des Wassers. Weiterhin verläuft in der Gegend der Frontstadt Gorlowka der Kanal „Fluss Sewerskij Donez — Donbass“, der die Gebiete Donezk und Lugansk mit Wasser versorgt. Sein Abzweig wurde mehrfach von der Artillerie angegriffen.
Im Resultat flutet das Wasser allmählich die Zechen, die Schächte und Förderorte. All das hat Folgen: Die Hauptgefahr ist die Unterspülung nahe gelegener Siedlungen, das Auswaschen des Bodens, was zu Erdrutschen/Erdfällen und Gebäudeeinstürzen führen kann.
Dazu kommt die Vergiftung des Wassers: Die Grubenwässer sind mit verschiedenen Chemikalien gesättigt, gelangen ins Grundwasser und in Brunnen, können Fische und Wasserorganismen vergiften. Methan, das vom ansteigenden Wasser aus dem Grund ausgetrieben wird, gelangt an die Erdoberfläche, oder, was noch schlechter ist, sammelt sich in den Kellern von Wohnhäusern, Gewölben und ähnlichen Vertiefungen, wo es explodieren kann.
Weiterhin wird angemerkt, dass 2018 das Marionettenregime in Donezk wegen „Einsparungen“ – und mit Sanktion durch seine Herren in Moskau – beschloss, das Abpumpen von Wasser in Bergwerk Junyj Kommunar (Kreis Jenakiewo) einzustellen …
Die Flutung kann nicht nur zur Einleitung radioaktiver Stoffe in die anliegenden Territorien führen, sondern auch in den Fluss Don (auf dem Gebiet der Russischen Föderation) und weiter ins Asowsche Meer. … Bergbauaktivisten finden das alles sehr gefährlich für den Zustand der Region. Dazu kommt, dass Proteste, die sich gerade gegen die Flutung richten, bisher ausbleiben. …
Zugleich widmen einzelne Arbeiter und Umweltaktivisten diesem Problem ihre ständige Aufmerksamkeit, unter anderem an Runden Tischen und in ihren Veröffentlichungen.
1 Der KSRD ist Mitglied der revolutionären Weltorganisation ICOR