Rote Fahne 25/18

Rote Fahne 25/18

„Wir kämpfen gegen den größten Kohlekonzern Südamerikas“

An den Protesten im Hambacher Wald beteiligte sich auch die kolumbianische Umweltaktivistin Sindy Bouriyú. Sie ist Vertreterin der indigenen Gemeinde Wayúu aus dem Reservat von Provincial im Nordosten Kolumbiens und kam auf Einladung des katholischen Hilfswerkes Misereor nach Deutschland. Im Gespräch berichtet sie von ihren Erfahrungen

Von (Das Interview führte kd)
„Wir kämpfen gegen den größten Kohlekonzern Südamerikas“
Der Kohletagebau in La Guajira bedroht die Lebensgrundlage der Einwohner: Foto: Hour.poing / Eigenes Werk

Rote Fahne: Welchen Kampf führt ihr in eurer Gemeinde?

 

Sindy Bouriyú: Wir kämpfen gegen den größten Kohlekonzern in La Guajira, El Cerrejón1. El Cerrejón fördert Steinkohle, die hier für die Energieerzeugung verwendet wird.

 

Der Kampf wird von verschiedenen indigenen Vereinigungen und Organisationen gemeinsam geführt. Zuerst wollte El Cerrejón den Fluss Ranchería umleiten, um die darunterliegende Kohle zu fördern. Damit hätten sie auch uns von unserer Erde vertrieben. Mit Hilfe von Anwälten haben wir einen gewissen Bestandsschutz erreicht, aber El Cerrejón arbeitet weiter daran, die Flussumleitung durchzusetzen. Es gibt eine kollektive Zusammenarbeit zwischen den Siedlungen entlang des Flusses Ranchería, weil dieser Fluss fast die gesamte Guajira2 ernährt.

 

Wie ist die Situation im Moment?

 

Die Situation ist kritisch. Sie ist schlimmer als zuvor. Die Wahrheit ist, es gibt mehr Krankheiten, mehr Kinder mit Atemwegserkrankungen wegen des Kohlestaubs.

 

El Cerrejón macht nichts gegen die Staubentwicklung, auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Aber wir leben jeden Tag und jede Nacht damit. Sobald man die Gemeinde betritt, bemerkt man den Geruch von Kohle und Schwefel3 in der Luft. Das vergiftet Wasser, Luft und die Umwelt.

 

Welche Forderungen stellt ihr?

 

Das größte Ziel unserer Gemeinde ist, dass sie uns nicht von unserer Erde vertreiben. Wir würden unser Land verlieren, unsere heiligen Stätten, unsere Vorfahren und unsere Kultur. Wir könnten keine Landwirtschaft mehr betreiben. Die Erfahrung umgesiedelter Gemeinden hat gezeigt, dass Kinder und Jugendliche drogenabhängig werden. Auch der Alkoholismus ist in den indigenen Gemeinschaften angestiegen. Und das wollen wir nicht.

 

Siehst du Ähnlichkeiten zwischen der Situation hier und bei euch?

 

An den verschiedenen Orten, an denen ich war, sieht man immer die gleichen Probleme. Ich habe gehört, dass die Menschen hier in der Umgebung wegziehen mussten, weil sie unter Atemwegserkrankungen litten.

 

Manche der Gemeinden bei uns sagen, es wäre besser zu gehen, weil sie leben wollen. Doch wir werden uns nicht vertreiben lassen.

 

Was möchtest du mit deinem Besuch erreichen?

 

El Cerrejón vermittelt hier ein sehr positives Bild von sich. Aber was ist mit den indigenen Gemeinden, die dort gelebt haben?

 

Ich möchte, dass ihr wisst, dass nicht nur ihr für den Schutz der Umwelt kämpft, sondern auch wir indigene Gemeinden. Wir sind immer noch da und wir werden auch in Zukunft dafür kämpfen.

 

Vielen Dank!

 

1 El Cerrejón ist der größte Steinkohlentagebau Lateinamerikas und ein wichtiger Kohlelieferant für Deutschland und Europa. Anteilseigner sind die Bergbaukonzerne Anglo American, BHP Billiton und Glencore (https://www.mining-technology.com/projects/cerrejon/); 

2 La Guajira, Halbinsel im Nordosten Kolumbiens;  

3 Schwefel­­oxide entstehen durch Sprengungen in schwefelhaltigen Kohleschichten