Rote Fahne 24/18
Ein Pionier der Erforschung von Familie und Urgeschichte
Vor 200 Jahren, am 21. November 1818, wurde Lewis H. Morgan in Rochester in der Nähe von New York geboren. Morgan interessierte sich früh für die dort lebenden Irokesen, unterstützte sie als junger Anwalt und wurde von den Seneca-Irokesen adopiert, unter dem treffenden Namen Tayadaowuhkuh („Einer, der Brücken baut“). 1851 erschien Morgans „Liga der Irokesen“, die bis heute beste Studie über die Irokesen.
Mutterrecht nachgewiesen
Detailliert beschreibt er, wie die Stämme der Irokesen in weiblicher Linie aufgebaut sind, Frauen haben in allen Angelegenheiten das entscheidende Wort. Morgan fand diese mutterrechtliche Struktur bestätigt in seiner 1871 veröffentlichten Studie über weltweite Verwandtschaftssysteme. Der Nachweis des Mutterrechts widerlegt einen Eckpfeiler der bürgerlichen Geschichtsauffassung von der Unveränderlichkeit der Klassenherrschaft und des Patriarchats.
Grundlage des Zusammenlebens der Völker
1877 erschien Morgans Hauptwerk „Ancient Society“ („Die Urgesellschaft“). Nicht Einzelfamilien, sondern blutsverwandte Gruppen, sogenannte Gens, bildeten die Grundlage des Zusammenlebens der Naturvölker. Zuerst gab es mutterrechtliche Gruppen oder Sippen, die mit der materiellen Entwicklung überall durch vaterrechtliche Gens abgelöst wurden.
Friedrich Engels schrieb dazu 1891: „Diese Wiederentdeckung der ursprünglichen mutterrechtlichen Gens als der Vorstufe der vaterrechtlichen Gens der Kulturvölker hat für die Urgeschichte dieselbe Bedeutung wie Darwins Entwicklungstheorie für die Biologie und Marx‘ Mehrwerttheorie für die politische Ökonomie. Sie befähigte Morgan, zum ersten Mal eine Geschichte der Familie zu entwerfen …“1 Karl Marx hatte sich ausführliche Auszüge von Morgans „Ancient Society“ gemacht.
Engels entwickelte Morgan weiter
Engels entdeckte diese Notizen nach Marx‘ Tod und machte sie zur Grundlage für eines der wichtigsten Werke des Marxismus-Leninismus. Es heißt: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. Im Anschluss an Lewis H. Morgans Forschungen“. Engels entwickelte Morgan weiter und entdeckte das Gesetz von Produktion und Reproduktion des menschlichen Lebens, nach dem die Entwicklungsstufen der Arbeit und der Familie die gesellschaftlichen Einrichtungen jeweils bestimmen.
Morgan – Begründer der modernen Anthropologie
Morgan war ein weitblickender Vertreter des Kapitalismus der freien Konkurrenz in den USA. Er kritisierte den Kapitalismus teilweise mit Worten, die von Karl Marx hätten stammen können. 1871 erlebte er auf einer Europareise die Pariser Kommune persönlich mit und begrüßte sie voller Anerkennung. Zugleich war er wohlhabend und betätigte sich als Anwalt für Kapital- und Eisenbahngesellschaften. Karl Marx nannte den Kapitalistenvertreter Morgan bei aller Wertschätzung spöttisch einen „Yankee“.
Der Begründer der modernen Anthropologie starb 1891. Als sich ab den 1890er- Jahren der aggressive US-Imperialismus entwickelte, wurden Morgans materialistische Theorien rasch aus der Öffentlichkeit verbannt. Er zog den Hass der Bourgeoisie auf sich, weil der Marxismus-Leninismus den revolutionären Kern der Forschungen Morgans erkannte und ihn verarbeitet hat. Es gibt bis heute keine Gesamtausgabe Morgans, doch seine Werke werden weltweit vertrieben.
1 Vorwort zur 4. Auflage von „Ursprung der Familie ...“