Rote Fahne 23/18
100 Jahre Frauenwahlrecht
Die Novemberrevolution von 1918 in Deutschland beendete nicht nur den I. Weltkrieg und die Monarchie. Sie trotzte dem deutschen Imperialismus neben dem Acht-Stunden-Tag und dem Koalitionsrecht auch das Wahlrecht für Frauen ab.
Im Jahr 1918 waren die Frauen ein aktiver Teil der Streiks und Kämpfe der revolutionären Arbeiterbewegung, die der Novemberrevolution vorausgingen. An dem großen Munitionsarbeiterstreik im Januar 1918 beteiligten sich 400.000 Rüstungsarbeiterinnen. Im Juli 1918 streikten 35.000 Arbeiter und Arbeiterinnen bei Thyssen Mülheim für die Herabsetzung der Wochenarbeitszeit auf 53 Stunden. Am 9. November 1918 gab es während des Generalstreiks in Berlin Massendemonstrationen mit vielen Frauen und Müttern. Viele verteilten Flugblätter und schafften Munition herbei. Sie verlangten Frieden und Brot für ihre Kinder und Familien und ein menschenwürdiges Leben sowie politische und soziale Gleichberechtigung.1
Bei den Arbeiter- und Soldatenräten, die sich im November 1918 überall formierten, fanden die Frauen mit ihrer Frauenwahlrechtsforderung offene Ohren. Für die Räte gehörte die Forderung nach dem Frauenstimmrecht zu den Parolen der Revolution.
Sowohl die bürgerliche als auch die proletarische Frauenbewegung hatten schon lange das Wahlrecht für Frauen gefordert – das war ein erster wichtiger Berührungspunkt zwischen ihnen. Bekannte Vorkämpferinnen waren unter anderem Hedwig Dohm, Helene Lange, Marie Juchacz und natürlich Clara Zetkin. „Mit Beginn des I. Weltkriegs unterstützte … die Mehrheit der bürgerlichen Frauenbewegung die imperialistischen Kriegsziele. Die Arbeiterbewegung war gespalten und geschwächt. Die Mehrheit der SPD war zur Unterstützung der imperialistischen Kriegspolitik übergegangen. In der Novemberrevolution 1918 dagegen, die von einer erstarkenden revolutionären Arbeiterbewegung getragen wurde, schlossen sich fortschrittliche Teile der kleinbürgerlichen und bürgerlichen Frauenbewegung der revolutionären Bewegung an.2
Die Errungenschaften der Novemberrevolution führten nicht bis zum Sozialismus. Die Revolution wurde blutig niedergeschlagen und die imperialistischen Machtverhältnisse blieben unangetastet.
Mit dem Antritt der faschistischen Diktatur 1933 wurden Frauen systematisch aus dem öffentlichen Leben vertrieben. „Unter der Losung, dass, Politik etwas der Frau Artfremdes‘ sei … wurde ihnen das passive Wahlrecht, das heißt die Möglichkeit, in öffentliche Funktionen und Ämter gewählt zu werden, entzogen. In großen Bereichen des öffentlichen Dienstes verloren sie jeden Anspruch auf einen Arbeitsplatz.“3
Nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus schlossen sich Kräfte der proletarischen Frauenbewegung und fortschrittliche Teile der bürgerlichen Frauenbewegung in antifaschistischen und überparteilichen Frauenausschüssen zusammen. Die Kämpfe und Errungenschaften der über 100-jährigen Frauenbewegung haben die Frauen politisiert und das Frauenbewusstsein erweitert. Die MLPD misst dem Kampf um die Befreiung der Frau größte Bedeutung bei: „Der Kampf zur Befreiung der Arbeiterklasse und zur Befreiung der Frau muss identisch werden.“4
1 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Kapitel VI, S. 68ff.
2 Stefan Engel, Monika Gärtner-Engel: „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“, S. 145
3 ebenda, S. 61/62
4 Programm der MLPD, S.108