Rote Fahne 15/2018
Fußball-WM 2018: Internationale Verbrüderung gegen imperialistische Vereinnahmung
In einem spektakulären Endspiel hat sich die französische Mannschaft mit einem 4:2-Sieg verdient den Weltmeisterpokal geholt. Großen Respekt verdient aber auch das Kämpferherz der kroatischen Mannschaft
Diese „WM der Überraschungen“ hat gezeigt, dass die Leistungen im internationalen Maßstab viel ausgeglichener geworden sind. Eine gut strukturierte Defensive eröffnete Kontermöglichkeiten – das haben einige Mannschaften gegen vermeintlich stärkere Gegner genutzt. Ein Merkmal dieser WM waren die vielen Tore nach „ruhenden Bällen“, durch „Standards“.
Im Vergleich zu den Abstürzen vermeintlich „großer Mannschaften“ wie Deutschland, Portugal, Spanien, Argentinien zeigt sich, dass die erfolgreichen Mannschaften vor allem einen ausgeprägten Teamgeist hatten, der sich in Kampfkraft und Leidenschaft ausdrückte. Das ging aber nicht ohne einen dazu passenden Trainer und seinen Stab, und einer guten Mischung zwischen erfahrenen und jungen Spielern.
Daran gemessen wird auch klar, dass das Debakel der deutschen Nationalmannschaft nicht vor allem an „Sündenbock Özil“ lag. Das Fotoshooting mit dem Faschisten Erdogan, ohne selbstkritische Stellungnahme, war nur ein Punkt, der dazu beitrug, dass kein richtiger Teamgeist entstand. Zur allgemeinen Selbstüberschätzung bereits im Vorfeld kam als taktisches Konzept Jogi Löws ein ideenloser „Ballbesitzfußball“. Es mangelte an taktischer Flexibilität, es fehlten Tempowechsel und überraschendes Umschaltspiel. Sonderregelungen für Spieler, Werbespots, zunehmende Einzelinteressen und Individualismus führten zur Grüppchenbildung. So ging das Ganze in die Hose – und damit auch die in Berlin sicher erhoffte Ablenkung von der Regierungskrise. So hatte man ja in der ersten Phase der WM bekanntlich schnell drastisch erhöhte Diäten für Bundestagsabgeordnete im Windschatten des Fußballfiebers durchgezogen.
Ablenkungsmanöver fehlgeschlagen
Diese Fußball-Weltmeisterschaft war wie noch nie in der Nachkriegszeit mit dem verschärften Konkurrenzkampf zwischen den alten und neuen imperialistischen Mächten verflochten. Schon im Vorfeld erzeugten westliche Imperialisten mit Forderungen nach Boykott der WM eine chauvinistische Stimmung gegenüber Russland. Die eigenen imperialistischen Machenschaften sollten damit aus der Schusslinie. Putin zeichnete hingegen ein friedliches Bild des russischen Imperialismus, während südlich von Damaskus russische Bomben auf die Zivilbevölkerung fielen. Zeitgleich wuchs in Russland die Repression nach innen. Gleich am ersten Tag der WM ließ Putin im Windschatten der WM-Begeisterung durch die Regierung Medwedew die Anhebung des Renteneintrittsalters um fünf Jahre bei Männern und Frauen verkünden. Außerdem erhöhte die Regierung die Mehrwertsteuer von 18 auf 20 Prozent und den Benzinpreis um 15 Prozent! In den WM-Spielorten herrschte durch massive Präsenz von Polizei und Geheimdienst eine angespannte Situation. Versammlungen, Protestaktionen usw. waren verboten (siehe Rote Fahne News, 3. Juli 2018).
Doch die Zeiten sind vorbei, in denen die Herrschenden solche sportlichen Events ungestört für ihre Interessen instrumentalisieren können. Gegen das neue Rentengesetz haben am 1. Juli in Dutzenden Städten Russlands bis zu jeweils 3000 Menschen demonstriert. Das Ansehen Putins sank – trotz WM!
Damit setzt sich fort, was sich bereits bei der WM in Brasilien zeigte: Die Unterdrückten nutzen mehr und mehr solche sportlichen Großereignisse als Tribüne für ihre Anliegen.
Die teuerste WM aller Zeiten
Die Fußball-WM in Russland ist mit Abstand die teuerste WM aller Zeiten. Russische Oppositionelle sprechen von mindestens 20 Milliarden Dollar Kosten. Die Rechnung zahlt das russische Volk.
Die Profiteure der WM sind wesentlich Putins Oligarchen als Teil des internationalen Finanzkapitals sowie die FIFA-Hauptsponsoren vieler namhafter internationaler Monopole, ausgestattet mit Sonderrechten. Und Nachhaltigkeit spielte keine Rolle: Viele der neu gebauten oder umgebauten zwölf Stadien sind für den Normalbetrieb überdimensioniert und jetzt nutzlos.
Tausende Wanderarbeiter aus Nordkorea und Zentralasien haben diese Stadien in Sklavenarbeit gebaut. Vielen wurde der Lohn nicht ausgezahlt, den sie zu ihren Familien nach Hause schicken wollten. Das ist die Art der „Völkerverständigung“, wie sie die Imperialisten praktizieren (ARD-Weltspiegel, 10. Juni 2018).
Echte Völkerfreundschaft wurde dagegen auf allen Rängen, den Straßen und Plätzen in ausgiebiger Feierlaune, farbenfroh und phantasievoll trotz großem Polizeiaufgebot gelebt. Die iranischen Fans durchbrachen das FIFA-Verbot politischer Statements und machten auf die Unterdrückung der Frauen im Iran aufmerksam. Im Iran selbst setzten sie mit Demonstrationen selbstbewusst ihre Teilnahme am Public Viewing im Teheraner Stadion durch. Einer der Erfolge der internationalen Sportbegeisterung der Massen gegen die imperialistische Vereinnahmung und auch Ergebnis der zunehmenden Strahlkraft des proletarischen Internationalismus – hier bei der Fußball-WM 2018.