Rote Fahne 15/2018
Frieden am Horn von Afrika
Wovon Europas Regierungen nur reden, haben die Massen in Eritrea und Äthiopien selbst in die Hand genommen: Fluchtursachen bekämpfen. Die Rote Fahne sprach exklusiv mit Frans De Maegd von der Solidaritätsorganisation „ERITREA TOUR für Freundschaft und Solidarität“ zum Friedensabkommen zwischen Äthiopien und Eritrea
Rote Fahne: Wie beurteilst du das Friedensabkommen zwischen Äthiopien und Eritrea?
Frans De Maegd: 20 Jahre nach Kriegsende besuchte der neue Premierminister von Äthiopien, Abiy Ahmed, am 8. und 9. Juli Eritrea. Er umarmte den eritreischen Präsidenten Jsajas herzlich. In den Straßen der Hauptstadt Asmara tanzten die Menschen. Die City war voll von den Fahnen beider Länder. Einige Tage vorher hatte die äthiopische Regierung endlich den Friedensvertrag von Algier aus dem Jahr 2000 akzeptiert. Damit endete der Krieg zwischen den beiden Ländern von 1998 bis 2000.
In diesem Krieg und der folgenden „Weder-Krieg-noch-Frieden-Situation“ wurden 10.000 Äthiopier und 20.000 Eritreer getötet. Beide Länder unterzeichneten nun eine Deklaration für Frieden und Freundschaft, die Grenzen beider Länder wurden wieder geöffnet.
Welche Entwicklung ging dem voraus?
1991 fiel das von der Sowjetunion unterstützte Mengistu-Regime in Äthiopien. Nach dem 30-jährigen Volkskrieg gegen die äthiopische Besatzung befreite die eritreische Befreiungsfront EPLF Eritrea. Die Volksbefreiungsfront von Tigray1, die zusammen mit der EPLF das Mengistu-Regime beendete, war die einzige bewaffnete Kraft im Land und übernahm die Macht in Adis Abeba. Aber sehr schnell übte das Minderheitsregime der TPLF eine Diktatur über andere Bevölkerungsgruppen in Äthiopien aus. Um von den innenpolitischen Problemen abzulenken, führte Äthiopien einen neuen Krieg gegen Eritrea. Im Jahr 2000 verlor Äthiopien diesen Krieg, was es aber nicht anerkennen wollte – bis heute.
Der US-Imperialismus unterstützte Äthiopien, weil er Zugang bekommen wollte zum Horn von Afrika. Die USA führten eine internationale Kampagne gegen den „Gangsterstaat Eritrea“ und zwangen die Vereinten Nationen, Sanktionen gegen das Land zu verhängen. Aber die Unruhe und der Widerstand in Äthiopien wuchsen. Die Bevölkerungsgruppe der Omoro und die somalische Minderheit in Äthiopien organisierten einen Guerillakrieg. Die wirtschaftliche Entwicklung, von der besonders die Reichen und das Kapital profitierten, kam 2015 zum Erliegen. 200 Städte revoltierten. Hunderte Menschen wurden getötet und Tausende ins Gefängnis geworfen. Die Situation wurde unhaltbar, die TPLF trat im März 2018 ihre Macht ab. Am 2. April wurde Abiy Ahmed neuer Premierminister. Der Ausnahmezustand wurde aufgehoben und Tausende von Gefangenen freigelassen. Die neue Regierung versprach Frieden mit Eritrea.
Welche Möglichkeiten eröffnen sich dadurch?
Der Imperialismus hat Tausende junge Leute dazu verleitet, das Land als „politische Flüchtlinge“ zu verlassen. Jetzt, wo der Krieg vorbei ist und die Sanktionen sowie die Anti-Eritrea-Kampagne gestoppt werden, kann das Land schnell einen Fortschritt erreichen.
Die jetzige Regierung in Äthiopien ist sicher willens, vieles positiv für Eritrea zu wenden. Ausländische Einmischung wird viel weniger akzeptiert werden. Das Horn von Afrika will nicht mehr länger ein Pulverfass bleiben.
Herzlichen Dank für das Interview!
1 Tigray – Volksgruppe und Provinz im Norden von Äthiopien, die an Eritrea grenzt