Rote Fahne 14/2018
Fortgesetzter Abgasbetrug auch beim CO2-Ausstoß
Seit einigen Wochen und noch bis zum 1. September gibt es bei VW in Wolfsburg verpflichtende Sonderschichten. Kollegen wurden sogar aufgefordert, Urlaub zu verschieben
Ab September sind dann Schließtage und eine Vier-Tage-Woche geplant. Der Grund: VW schaffe es nicht, zum 1. September alle Pkw-Typen nach dem WLTP-Zulassungsverfahren1 zu prüfen, das am 1. September in Kraft tritt.
Produktion vorverlegt
Deshalb soll die Produktion von 60.000 Autos vorverlegt werden, um sie nach dem alten NEFZ-Verfahren2 zuzulassen. Dabei sind die neuen WLTP-Regeln schon seit über einem Jahr bekannt. Die Autokonzerne hatten aber auf eine Übergangsfrist gehofft. Das scheiterte am wachsenden Protest gegen deren Abgasbetrug, den auch die Regierung nicht mehr so einfach übergehen kann.
NEFZ und WLTP sind Prüfverfahren für die CO2-Abgasermittlung. Bei beiden wird der Spritverbrauch auf dem Rollenprüfstand ermittelt, daraus der CO2-Ausstoß errechnet und die Schadstoffklasse des Modells festgelegt. NEFZ kam massiv in die Kritik wegen der Vielzahl legaler Tricks zur Senkung des Spritverbrauchs auf dem Papier. Der reale Verbrauch auf der Straße lag laut ICCT3 zuletzt durchschnittlich 42 Prozent höher.
Mit dem strengeren WLTP werden rund zehn Prozent höhere Verbrauchs- und damit CO2-Werte erwartet. Damit liegen sie aber immer noch weit unter dem realen Verbrauch.
Grenzwerte = geschönter Laborverbrauch
Der eigentliche Skandal ist die zukünftige Berechnung des durchschnittlichen Flottenverbrauchs eines Autokonzerns. Mit der Begründung, dass die Flotten-Grenzwerte von den Konzernen mit dem WLTP-Verfahren schwieriger einzuhalten seien, aber schon zu Zeiten von NEFZ festgelegt waren, wurde ein Umrechnungsverfahren zugelassen. Die dazu eingesetzte Software CO2-MPAS rechnet die WLTP-Werte auf NEFZ-Werte um – das heißt, sie rechnet diese einfach herunter.4
Damit nicht genug: Der Umrechnungsfaktor wurde gleich so großzügig bemessen, dass er jetzt den Konzernen einen 15 bis 20 Prozent höheren durchschnittlichen Flottenverbrauch als bisher erlaubt. Laut Peter Mock vom ICCT wird damit der ab 2021 gültige Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer de facto schon mit 119 Gramm CO2 pro Kilometer eingehalten. Für ihn hat die Umrechnung „nichts mehr mit technischen Anforderungen zu tun, sondern mit politischem Gemauschel“.5 Und nicht zu vergessen: Die Grenzwerte beziehen sich immer auf den geschönten Laborverbrauch.
Für die Überschreitung des Flottengrenzwertes sind Strafzahlungen von 95 Euro pro Gramm CO2 und Auto festgelegt. Alleine das Runterrechnen von 119 auf 95 Gramm CO2 pro Kilometer, also um 24 Gramm, entspricht 2280 Euro Strafzahlungen pro Auto.
Auf Kosten der Arbeiter
Ein Wolfsburger VW-Arbeiter zur Abwälzung der Folgen auf die Belegschaft: „Alles wieder auf unseren Rücken. Wir arbeiten in überhitzten Hallen. Im Urlaubskorridor in Zehn-Stunden-Schichten. Wofür bitte? Für die weitere Verbreitung der verbraucher- und umweltfeindlichen Motoren und zugunsten der Extra-Profite von VW.“
Das ist tatsächlich nicht einzusehen. Die Automobilarbeiter müssen sich sowohl gegen die Maßnahmen zur Abwälzung auf die Belegschaften als auch gegen den fortgesetzten Abgasbetrug wenden. Notwendig ist die Förderung des kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs und die Umrüstung auf Elektro- und Wasserstoffantrieb bei gleichzeitiger Umstellung auf erneuerbare Energien.
1 Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test
2 Neuer Europäischer Fahrzyklus
3 International Council on Clean Transportation
4 Umrechnungsfaktor für Benziner: Verbrauch in Liter pro 100 Kilometer x 23,2 = x Gramm CO2 pro 100 Kilometer
5 Spiegel online, 9.11.2017, „Der nächste Software-Trick der Autohersteller“