Rote Fahne 11/2018

Rote Fahne 11/2018

„Wir können über alles streiten, gegen Nazis müssen wir uns einig sein“

Reinhard Hotop über die notwendige klare Kante gegen Faschisten, deren Umtriebe in Thüringen – und Fingerspitzengefühl

„Wir können über alles streiten, gegen Nazis müssen wir uns einig sein“
Protest gegen das faschistische Musikfestival in Themar 2017. Foto: RF

Rote Fahne: Sie haben bei der Landratswahl am 15. April deutlich mehr Stimmen erhalten als der faschistische Gegenkandidat Tommy Frenck1. Was zeigt das über die Stimmung unter den Wählern?

 

Reinhard Hotop: Ein Punkt in meinem ausgewogenen inhaltlichen Konzept zur Landratswahl war „klare Kante gegen Rechtsextremismus“.

Ich bin im Wahlkreis auch bekannt durch meine Arbeit im „Bündnis gegen Rechtsextremismus“ in Schleusingen2 und hatte mir versprochen, dass ich deutlich mehr Stimmen bekomme.

 

Wie können wir Ihrer Meinung nach die Stimmung noch mehr in Richtung des antifaschistischen Protests entwickeln?

 

Es ist uns anfangs geglückt, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen: Wir können über alles streiten, aber in einer Frage sind wir uns einig, dass wir gegen Nazis sind. Diesen Konsens gibt es nicht mehr.

Das liegt weitgehend an den anderen „demokratischen“ Parteien, die sich davor scheuen, klar Stellung zu beziehen – insbesondere die CDU. In deren Augen sind diejenigen, die sich gegen die Rechtsextremisten aussprechen, plötzlich „Linksextremisten“ – und die sind dann der „Feind“.

 

Was ist notwendig, um konsequent gegen die Faschisten und speziell das faschistische Musikfestival in Themar vorzugehen?

 

Gegen das Musikfestival gibt es mittlerweile ein Verbot aus Gründen des Umweltschutzes3. Das ist erst mal gut.

Wir hatten aber in einem Brief zahlreiche andere Gründe für ein Verbot angeführt, die leider nicht berücksichtigt wurden. Unter anderem, dass für das Festival eine Bundesstraße stundenlang gesperrt wird. Das gibt es sonst nirgends, aber für die Nazis wird es gemacht. Das jetzige Verbot wird von den Gerichten sicher wieder gecancelt, weil es inhaltlich nicht ausreichend begründet ist.

Der zivilgesellschaftliche Protest ist extrem wichtig, aber er zeigt Ermüdungserscheinungen, wenn er immer wieder vor die Wand läuft. Das eigentliche Problem liegt bei den gewählten Amtsträgern, die schulterzuckend alles hinnehmen. Ich denke, wir müssen wesentlich lauter und ungehorsamer werden in unserem Protest.

 

In Thüringen wurden die faschistischen Strukturen mit tatkräftiger Hilfe des „Verfassungsschutzes“ aufgebaut. Was halten sie davon?

 

Der Verfassungsschutz hat die Szene fettgefüttert. Die einzige Konsequenz, die man daraus ziehen müsste, wäre, den Laden zuzumachen. Man hat jetzt in Thüringen einen „unverdächtigen“ Leiter an die Spitze gestellt, aber die Behörde unter ihm läuft genauso weiter.

 

An Pfingsten findet in Truckenthal das Rebellische Musikfestival statt. Es steht für ausdrücklich antifaschistische und internationalistische Ziele. Können Sie sich vorstellen, mit diesem Projekt enger zusammenzuarbeiten?

 

Wir haben in den Bündnissen schon intensiv diskutiert, wie wir da zusammenarbeiten wollen – auch mit der MLPD. Unser Konsens ist, dass auch diese Kräfte willkommen sind, dass wir niemanden ausschließen, aber auch darauf achten wollen, dass wir ausgewogen und parteipolitisch neutral bleiben.

Wir möchten niemanden verprellen. Da braucht es viel Fingerspitzengefühl.

 

Das Rebellische Musikfestival zeigt, wie ein breites Spektrum kultureller und politischer Kräfte auf Augenhöhe zusammenarbeiten kann. Wir laden Sie herzlich zur Teilnahme ein und bedanken uns für das Gespräch!

 

1 Tommy Frenck, Organisator eines europaweiten faschistischen Musikfestivals in Themar bei Hildburghausen, erhielt 16,6 Prozent der Stimmen; Reinhard Hotop 22,3 Prozent.

2 Zum Landkreis gehörende Nachbarstadt von Hildburghausen

3 Erlassen vom Landkreis Hildburghausen wegen des Schutzes seltener Vogelarten, die dort brüten und leben