Rote Fahne 11/2018
Meinungsführerschaft erobert gegen eine neue Qualität der versuchten Unterdrückung
Das Rebellische Musikfestival an Pfingsten war umkämpft. Was war da los?
Am 15. Mai erhält Stefan Engel, einer der Schirmherren des Festivals, einen skandalösen Brief des Leiters der Landespolizeiinspektion Saalfeld, Dirk Löther. Darin droht dieser, gegen „Organisatoren und Unterstützer der Veranstaltung sowie im Einzelfall gegen Veranstaltungsteilnehmer freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen“ durchzuführen. Als konkreter Vorwand dient der Auftritt der türkischen oppositionellen Band „Grup Yorum“. Auf mutmaßliche Bandmitglieder hat der faschistische türkische Präsident Erdogan ein Kopfgeld ausgesetzt. Es wird der Abbruch des Festivals angedroht, falls diese Band auftritt.
Der Angriff reiht sich ein in den verschärften Rechtsruck der Bundesregierung und aller bürgerlichen Parteien. An der „Gefährderansprache“ gegenüber Stefan Engel, dem langjährigen Vorsitzenden und führenden Repräsentanten der MLPD, zeigt sich, was bezweckt wird: Unterdrückung, Diskreditierung und Isolierung der MLPD.
Doch der Schuss geht nach hinten los! Schon während des Bundestagswahlkampfs hat die MLPD zusammen mit dem Internationalistischen Bündnis und dem Thüringer Spitzenkandidaten Stefan Engel viele neue Freunde, Einfluss und politisches Profil gewonnen. Der Landesverband Thüringen der MLPD wird gegründet, eine taktische Offensive zur Landtagswahl 2019 beschlossen. Das passt den Vertretern des Rechtsrucks der Regierung überhaupt nicht in den Kram. Alarmstufe Rot erst Recht bei den mit Faschisten in Thüringen verknüpften Teilen des Staatsapparates.
So geht namentlich Dirk Löther rigoros nach dem Motto vor: gegen Revolutionäre, gegen Marxisten-Leninisten, gegen MLPD und REBELL ist alles erlaubt. Die MLPD mit einer ersten Pressemitteilung, der Verein Rebellisches Musikfestival, der Jugendverband REBELL gehen sofort in die Offensive; überzeugen, schaffen Sympathie und Vertrauen in Tausenden Gesprächen. Das alles innerhalb von 24 Stunden! Sie organisieren die Solidarität und veranlassen rechtliche Schritte. In einer Presserklärung des REBELL heißt es:
„Wir bestehen auf unserem Recht auf freie Meinungsäußerung! Das Rebellische Musikfestival ist ein Festival für die Zukunft der Jugend! Es steht für internationale Solidarität, Zusammenhalt und ehrliches Engagement – ohne Sexismus und Drogen. Hier kommen Antifaschisten, Frauenrechtlerinnen, Gewerkschafter und Betriebsräte, Bergleute, Leiharbeiter und Arbeitslose, Umweltschützer, religiöse Menschen und Atheisten, Flüchtlinge und Thüringer, palästinensische und jüdische Demokraten, Parteilose sowie Mitglieder der MLPD oder der Partei „Die Linke“ zusammen.“
Die Recherche der Rechtsanwälte des Musikfestivals ergibt, dass der Angriff von ‚ganz oben‘ komme – ein Hinweis darauf, dass dahinter letztlich das Bundesinnenministerium steckt. Am Tag des Festivals beginnt die Polizei mit Personenkontrollen rund um das Festival mit Fahndungsfotos, bereitet massive Absperrungen vor und zieht zwei Polizeihundertschaften zusammen. Bereits am Vortag wollte die Polizei die demokratischen Rechte und Freiheiten weiter einschränken. Nach einer Protestkundgebung in Saalfeld am 17. Mai beschlagnahmt sie Hunderte Flugblätter des REBELL und des Festivalvereins und verbietet ihre Verteilung. Sie seien eine Beleidigung, weil darin das Vorgehen der Landespolizeiinspektion Saalfeld als „faschistoid“ bezeichnet wird. Lisa Gärtner, die Jugendverantwortliche der MLPD, wird aufgrund eines Beitrags auf der Kundgebung mit einer Strafanzeige bedroht und drangsaliert.
Gleichzeitig entwickelt sich eine breite Protestbewegung. Andere Bands, Demokraten, Antifaschisten, Revolutionäre aus dem In- und Ausland – von allen Kontinenten solidarisieren sich. Die bürgerliche Presse berichtet regional und überregional. So schreibt Andreas Beer im Sonneberger Teil des Freies Wort: „Man muss die … MLPD … nicht mögen. Aber ich kann nachvollziehen, wenn ihre Mitglieder … wenig mehr als die von der Verfassung garantierten Rechte einfordern.“ Die Stimmung zur Unterstützung des Festivals erobert in der Region die Meinungsführerschaft.
Vor diesem Hintergrund entscheidet am 18. Mai das Verwaltungsgericht Meiningen zugunsten des Festivals und des Auftritts von Grup Yorum. Die Botschaft des Festivals „Hoch die internationale Solidarität“ und „Revolution ist kein Verbrechen“ entfaltet sich mitreißend in Wort und Tat.
Schäbig verhalten haben sich Linkspartei und Grüne: Kein einziges öffentliches Wort der Solidarität, der klaren Positionierung. Ministerpräsident Bodo Ramelow ist immerhin oberster Dienstherr der Polizeibehörden und weisungsbefugt ihnen gegenüber. Rühmliche Ausnahme bleibt die engagierte, solidarische Landtagsabgeordnete der Linkspartei, Johanna Scheringer-Wright. Sie positioniert sich öffentlich und klar, nimmt als parlamentarische Beobachterin Sonntagnachmittag am Festival teil, hält eine engagierte Rede und kündigt an, dass die Sache „ein Nachspiel haben muss“.
Trumpf ist, was Stefan Engel vor dem Auftritt von Grup Yorum darlegt: „Selbstverständlich haben wir diesen Auftritt nicht zurückgezogen. Wir sind keine Zensoren der Arbeiterbewegung. Es ist auch nicht unsere Aufgabe, Leute, die sich an dem Bündnis dieses Festivals beteiligen, wieder auszuladen. Und im Auftrag des ‚Verfassungsschutzes‘ schon gar nicht.“