Rote Fahne 07/2018
Bürgerinitiative „Dicke Luft“ kämpft gegen Giftmüllverbrennungsanlage
Seit 1992 arbeitet in Herne eine „Anlage zur thermischen Aufbereitung“ von verunreinigten Böden, Bauschutt und Abfällen. Im Klartext: Was so vergiftet ist, dass es nicht mehr deponiert werden kann, wird dort verbrannt
Die Giftmüllverbrennungsanlage gehörte erst der Hochtief Umwelt GmbH, inzwischen dem französischen Konzern Suez.
Seit 2004 hat die Anlage in Herne die Genehmigung, auch freigemessenen Bauschutt aus Atomkraftwerken zu verbrennen. Wo „Freimessen“, sprich verdünnen, nicht mehr geht, holt sich Suez einfach Genehmigungen zur Grenzwertüberschreitung, was in Verbindung mit dem Regierungspräsidium Arnsberg reibungslos klappt. So darf Suez in Herne momentan die Grenze für den Ausstoß von Stickoxiden um 100 Prozent überschreiten.
Wachsame Bürger erfuhren vom Antrag von Suez, seine Kapazitäten für die Verbrennung hochbelasteter Böden und Abfälle von 48 000 Tonnen auf 65 000 Tonnen im Jahr zu erweitern. Und wiederum signalisiert das Regierungspräsidium Arnsberg, alles durchzuwinken. Dabei ist jetzt geplant, die Bohrschlämme von Frackingbohrungen aus Niedersachsen zu verbrennen. In Niedersachsen selbst gibt es breite Proteste gegen die bisher praktizierte Methode, die Giftbrühe, die beim Fracken nach oben kommt, einfach wieder in Bohrlöchern zu versenken. Ein rapider Anstieg der Krebsrate in den betroffenen Regionen brachte Bürger und Ärzte auf die Palme.
Am 13. Dezember 2017 wurde die Bürgerinitiative „Dicke Luft“ in Herne gegründet: Von Treffen zu Treffen wuchs die Teilnehmerzahl an, auf zuletzt 200. Am 28. Februar war bei einer Bürgerversammlung im vollbesetzten Bürgersaal in der Tat „dicke Luft“: Die Vertreter der Stadt argumentierten, man sei ja schließlich auch dagegen und voller Sorgen, aber nach Recht und Gesetz würde die Anlage wohl genehmigt. Gerd Kalus von der Bürgerinitiative kritisierte gegenüber dem Rote Fahne Magazin, dass Suez sich in der Zwischenzeit im Hintergrund halten kann, weil die führenden Politiker und Beamten die Interessen der Bürger bekämpfen und das Konzerninteresse durchsetzen. Er verweist darauf, dass Herne bereits die höchsten Krebsfallzahlen im ganzen Ruhrgebiet hat und eine besonders umweltbelastete Region ist.
Klaudia Scholz, ebenfalls Sprecherin der Bürgerinitiative und Ratsfrau für „Die Linke“, hofft darauf, dass der Umweltverband BUND Klage gegen die Erweiterungs-Genehmigung einreicht. „Dann müssen massiv Spenden für Gutachter und Anwaltskosten gesammelt werden.“
Dass der Protest weiter organisiert und öffentlicher Druck aufgebaut werden muss, machten Vertreter der Bürgerinitiative bei der Herner Montagsdemo am 19. März klar. Die MLPD unterstützt die Proteste. Schon im Bundestagswahlkampf war die Kritik an Suez ein zentrales Thema der MLPD in Herne. Peter Weispfenning, MLPD und selbst betroffener Anwohner, bringt es auf den Punkt: „Die Stadtverwaltung duckte sich weg, die Bezirksregierung schlug sich offen auf die Seite von Suez. … Mein Fazit: Nur aktiver Widerstand wird die Kapazitätserweiterung verhindern und eine Schließung von Suez mit Ersatzarbeitsplätzen für die 27 Beschäftigten erkämpfen können.“