Rote Fahne 04/2018

Rote Fahne 04/2018

Organisierter Widerstand gegen den Rechtsruck der GroKo

Die Massenmedien kennen seit Wochen nur ein Thema: Kommt die GroKo oder nicht?

Von (dg/of)
Organisierter Widerstand gegen den Rechtsruck der GroKo
Schon Thema auf der bundesweiten 13. Montagsdemonstration in Berlin. Foto: RF

Am 7. Februar haben sich die Spitzen der Monopolparteien SPD und CDU/CSU auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Als Sonderausgabe der SPD-Zeitung Vorwärts wird er nun allen SPD-Mitgliedern zugestellt. Dabei wird vor allem der Eindruck erweckt, als könne die SPD-Basis über Wohl und Wehe der Masse der Bevölkerung entscheiden. Tatsächlich stimmen sie im Grunde vor allem über eins ab: den weiteren Rechtsruck der Regierung.

 

Koalitionsvertrag – eine Show zur Desorientierung

 

Die öffentliche Zurschaustellung von Koalitionsverträgen begann mit der rot-grünen Schröder/Fischer-Regierung 1998. Medienwirksam stellten sie ein langes Machwerk aus Versprechungen, Absichtserklärungen und kleinen Zugeständnissen vor. Nach der Abwahl der Kohl-Regierung triefte der Vertrag nur so von „sozialer Gerechtigkeit“, „humanitärer Außen­politik“, „Kampf gegen den Hunger in der Welt“. Damit wollten die Monopole die erwachende Arbeiter- und Volksbewegung an die Regierungspolitik binden. Das System der kleinbürgerlichen Denkweise wurde damit auch zur wesentlichen Regierungsmethode. Heraus kam unter anderem die erstmalige Beteiligung Deutschlands an einem imperialistischen Krieg der NATO 1999, sowie die Hartz-Gesetze zur dauerhaften Einführung eines Niedriglohnsektors 2004. Die folgenden Regierungen unter Angela Merkel setzten dieses Szenario fort. Auch der Koalitionsvertrag von 2013, den die bei den Bundestagswahlen 2017 abgestrafte GroKo abschloss, machte zahlreiche leere Versprechungen an die Massen. So hatten CDU/CSU und SPD damals bis zum Jahr 2018 das „Internet bis in die letzte Ecke“ versprochen. Darauf warten die Menschen vor allem auf dem Land bis heute vergeblich.

 

Nicht versprochen hatte dieser alte Koalitionsvertrag den Rechtsruck. Die Bundesregierung hat ihn seit 2015 trotzdem durchgezogen und verschärft: außenpolitisch durch den EU-Militärpakt zur aggressiveren Durchsetzung des Machtanspruchs gegen imperialistische Konkurrenten wie USA und China, den Ausbau der Kriegsbeteiligung der Bundeswehr in inzwischen 16 Ländern, den Ausbau der Rüstungsexporte, die rücksichtslosere Umweltzerstörung mit der VW-Krise als Spitze des Eisbergs; innenpolitisch durch verschärften Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten, Aushöhlung des Asylrechts, verstärkte Abschiebungen von Flüchtlingen, eine „Linksextremismuskampagne“ bei gleichzeitiger Duldung und Förderung faschistoider und neofaschistischer Kräfte usw.

 

Die Koalitionsverträge sollen vor allem verdecken, dass die jeweilige Regierung von bürgerlichen Monopolparteien ausgeübt wird. Sie sind die Geschäftsführer und Machtinstrument der herrschenden Monopole. Egal ob CDU/CSU, SPD, Grüne oder FDP, ob Rot-Grün, Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot regieren: sie sind allein für die Umsetzung der Interessen der Monopole tätig. Die Koalitionsverträge stecken das jeweilige Start-Terrain ab, stehen in der Regel unter Finanzierungsvorbehalt und so weiter.

 

Die Handschrift der Monopolverbände

 

Auch den jetzigen Koalitionsvertrag handelten nicht etwa führende Politiker der CDU, CSU und SPD allein aus. Mit dabei ausgekochte und geschulte Vertreter des gesamten Apparats von Regierung und Monopolkapital aus Juristen, Sprachkünstlern, Medienfachleuten und Demagogen. Die Monopole zogen die Fäden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte noch im Januar in einer 15-seitigen Stellungnahme die Ergebnisse der Sondierungsgespräche für eine erneute Große Koalition bewertet. Damit formulierte der BDI seine Forderungen an die neue Regierung. Priorität hat „die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“, sprich das Streben der Monopole nach Weltherrschaft im sich verschärfenden internationalen Konkurrenzkampf.

 

Das geht nur auf Kosten der Arbeiterklasse und der breiten Massen, höherer Massensteuern, verschärfter Ausbeutung von Mensch und Natur und weiterer Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben. Offen wird über so etwas natürlich nicht gesprochen. Der Koalitionsvertrag wird stattdessen in den Medien als ein wahres Füllhorn an sozialen Verbesserungen für die Massen präsentiert. Das geschieht im geschickten Ballwechsel mit den Monopolverbänden BDI, BDA und DIHK. Diese beklagen vor allem eine „Umverteilung“, so als würde über die Bevölkerung ein Segen an Vergünstigungen herabregnen, während die deutschen Monopole mit ihren Forderungen nach „steuerlichen Entlastungen“, Investitionsvergünstigungen und „Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit“ auf der Strecke blieben.

 

Ein Riesengeschrei erhebt sich jetzt über die Verteilung der Ministerien. Aber für die Massen ist kein Unterschied, ob ein SPD-Mann oder eine CDU-Frau diesen oder jenes Ressort im Interesse des Monopolkapitals führt.

 

„Soziale Wohltaten“?

 

Der Koalitionsvertrag enthält kleine Zugeständnisse wie beim Kindergeld, das – über Jahre verteilt – um 25 Euro pro Monat und Kind steigen soll. Andere Wohltaten sind frei erfunden oder werden schön geredet, um vom verschärften Rechtsruck abzulenken. So will die neue Regierung angeblich die „Parität“ in der Finanzierung der Gesundheitsversorgung wieder herstellen. Gar keine Rede ist aber von den um­fangreichen privaten Zuzahlungen wie für Rezepte, Krankenhausaufenthalt, Gesundheitshilfen usw.

 

Einen riesigen Bohei machte die SPD darum, sie wolle die „sachgrundlose Befristung“ von Arbeitsverträgen abschaffen. Dabei hat die damalige rot-grüne Schröder/Fischer-Regierung 2001 mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz diese Befristung auf Betreiben der Monopole erst eingeführt.1

 

Bis 2025 sind mindestens 190.000 neue Pflegestellen nötig. Die 8000 in den Koalitionsvereinbarungen versprochenen neuen Fachkraftstellen im Pflegebereich bei 13.000 Altenpflege-Einrichtungen sind daran gemessen eine homöopathische Dosis – kaum eine halbe Pflegekraft pro Einrichtung.

 

Der Koalitionsvertrag hält am Weg von Millionen Werktätigen in die Altersarmut fest. Schon heute leben etwa sechs Millionen Rentner in Armut, vor allem Frauen.2 Das wird sich verschärfen. Ab 2025 kann das Renten­niveau bis 2030 auf 43 Prozent abgesenkt werden. Sie kündigen eine „Grundrente von 10 Prozent über der Grundsicherung“ anhand einer „Bedürftigkeitsprüfung“. Statt der von Martin Schulz versprochenen Korrekturen wird damit das Hartz-IV-Prinzip auf weitere gesellschaftliche Bereiche noch ausgedehnt.

 

Ohnehin stehen alle Ankündigungen unter dem Vorbehalt, dass dies in Ausschüssen näher geregelt wird. Dort setzen in einem seit Jahrzehnten bewährten Verfahren die Monopolverbände ihre Interessen durch. Auch für die Forderung der Monopole nach Senkung der Kapitalistensteuern lässt der Koalitionsvertrag Spielraum: die neue Regierung verspricht die Unterstützung der „Mindestsätze bei den Unternehmenssteuern“.

 

Warum dieser Eiertanz?

 

Der ganze Eiertanz um diese Regierungsbildung ist nicht losgelöst zu verstehen von der sich verändernden wirtschaftlichen und politischen Situation. Der internationale Konkurrenzkampf zwischen den imperialistischen Ländern – alten und neuen – verschärft sich. Er zwingt die herrschenden Monopole in Deutschland zu einem reaktionären Vorgehen, um ihre Konkurrenzfähigkeit zu stärken.

 

Im Wahljahr 2017 war der eingeleitete fortschrittliche Stimmungsumschwung vor allem durch die Wirkung der kleinbürgerlich-parlamentarischen Denkweise zeitweise überlagert. Aber seit einigen Monaten belebt sich dieser Stimmungsumschwung unter den Massen wieder. 1,5 Millionen Metallerinnen und Metaller beteiligten sich an den kämpferischen, erstmals auf 24 Stunden ausgedehnten Warnstreiks. Vor allem in den Betrieben der Übermonopole wie Daimler, Ford, MAN, BMW, Audi, Airbus usw. Auch in sich mehrenden selbständigen Aktivitäten in Betrieben erwacht das Klassenbewusstsein. Weit über 100.000 Menschen demonstrierten in den letzten Wochen in Deutschland in der Efrîn-Solidarität gegen den Überfall des faschistischen Erdogan-Regimes auf die befreiten Gebiete im Norden Syriens. Die MLPD ist in vielen dieser Kämpfe eine treibende Kraft und wächst weiter in ihre neue gesellschaftliche Rolle hinein.

 

Die Herrschenden wollen ihr kriselndes System der kleinbürgerlichen Denkweise zur Besänftigung der Massen aufrechterhalten – das zeigt der Koalitionsvertrag und seine Verheißungen deutlich. Gleichzeitig müssen sie sich gegen eine gesellschaftsverändernde Bewegung mit der revolutionären Perspektive des echten Sozialismus in Stellung bringen. Deshalb versuchen sie, einen weiteren Einbruch ihrer Massenbasis möglichst zu verhindern und rüsten in ihrem Rechtsruck massiv auf.

 

Verschärfter Rechtsruck

 

Diese verstärkte Faschisierung des Staatsapparats verkaufen sie in der Öffentlichkeit als „mehr Sicherheit für die Bürger“. Ausgerechnet den berüchtigten Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ will die GroKo weiter ausbauen, um fortschrittliche Menschen zu verfolgen. Faschisten und die faschistoide AfD können weiter ihr Unwesen treiben. Die Herrschenden bereiten sich auf härtere Streiks und Massenkämpfe vor. Für den Sicherheitsapparat sind 15.000 zusätzliche Stellen geplant, 6000 neue Kräfte rüsten den Justizapparat auf. Sie überwachen die Bevölkerung mit Kameras und spionieren ihre Daten aus. Die Aufstandsbekämpfungseinheit GSG 9 wird um ein Drittel aufgestockt.

 

Neu ist die geplante Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei Menschen mit Doppel-Pass, wenn sie für eine sogenannte „Extremisten“organisation kämpfen. Das richtet sich gegen Organisationen, die für eine Gesellschaft ohne kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung aktiv sind. Organisationen wie die kurdische PKK, YPG/YPJ, die philippinische CPP, türkische und palästinensische Revolutionäre. Vorgesehen ist eine Erhöhung des Militäretats und die Einführung von Kampfdrohnen. Das dient dem Ausbau des machtpolitischen Einflusses des deutschen Imperialis­mus. In seiner Stellungnahme vom Januar schreibt der BDI: „Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist für Deutschland politisch und wirtschaftlich von überragender Bedeutung.“ Es ist also kein Zufall, wenn es schon im Titel des Koalitionsvertrags heißt: „Ein neuer Aufbruch für Europa“.

 

Dafür wird auch ein weiterer umweltpolitischer Roll-Back geplant. Die künftige Regierung will sich von den völlig unzureichenden Zielen der Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis 2020 verabschieden. Das ist ein Freibrief für die weitere ungehemmte Umweltzerstörung vor allem der Monopole der Auto- und Schwerindustrie.

 

Menschenverachtende Flüchtlingspolitik

 

Flüchtlinge werden laut Koalitionsvertrag künftig in zentralen Konzentrationseinrichtungen erfasst, um sie von der deutschen Bevölkerung zu isolieren und unter Druck zu setzen. Das schränkt ihre sozialen und demokratischen Rechte drastisch ein.

 

Das Menschenrecht auf Flucht nach Deutschland will die GroKo kontingentieren. Das bisherige Recht auf Familiennachzug bei subsidiären Flüchtlingen will sie abschaffen und nur noch höchstens 1000 Flüchtenden pro Monat erlauben. Das Asylrecht – eine der wichtigsten antifaschistischen Errungenschaften nach dem II. Weltkrieg – wird so weiter demontiert.

 

Die neue Koalition will die neokolonialistische Methode des brain-drain fördern, mit einem Einwanderungsgesetz für ausgebildete Fachkräfte. So sparen sich die Monopole die Ausbildung von Fachkräften. Lieber locken sie die fähigsten Kräfte nach Deutschland, die wiederum in ihren Ländern dringend gebraucht würden.

 

Was tun?

 

Die Hoffnungen und Erwartungen unter den Massen in den bürgerlichen Parlamentarismus und die Monopolparteien sind alles andere als hoch. Aber sich von der Politik entnervt abzuwenden oder einfach abwarten was kommt, hilft nichts. Die Monopolpolitik lässt nicht freiwillig davon ab, die Umverteilung von unten nach oben zu steigern und die Ausbeutung zu verschärfen.

 

Deshalb darf die Regierung keinerlei Schonfrist bekommen! Die Arbeiterklasse, Frauen, Jugendlichen, Rentner, Umweltschützer, Friedenskämpfer usw. müssen den Kampf um ihre Lebensinteressen führen. Die Metallarbeiter haben eine besondere Verantwortung, den faulen Kompromiss im Tarifkampf abzulehnen. Vor allem die arbeitsplatzvernichtende weitere Flexibilisierung. Gewerkschaften als Kampforganisationen werden künftig noch dringender benötigt. Fusionen und ihre Folgen, vor allem die weitere Vernichtung von Arbeitsplätzen und Schließung von Standorten bei Siemens, bei Stahl, im Bergbau usw. fordern auch die selbständige Kampffähigkeit der Arbeiterklasse heraus. Eine neue Friedensbewegung, die jeden Imperialismus bekämpft, muss Struktur gewinnen. Eine gesellschaftsverändernde Umweltbewegung muss sich formieren.

 

Es gilt, sich zu organisieren, besonders im Internationalistischen Bündnis, es kann die Grundmauer einer künftigen Einheitsfront gegen die Regierung bilden. Alle Beteiligten haben dem Rechtsruck jeder künftigen Regierung den Kampf angesagt. Die Krisenhaftigkeit des Imperialismus kann nur mit einer grundsätzlichen, revolutionären Lösung in vereinigten sozialistischen Staaten der Welt überwunden werden. Dafür steht als revolutionäre Arbeiterpartei die MLPD.

 

Die künftige Regierung wird die gesellschaftliche Polarisierung verstärken. So legten in aktuellen Umfragen die AfD wie auch die Linkspartei zu. Statt den Kampf zu organisieren, buhlt die Linksparteispitze allerdings aktuell wieder um linke Sozialdemokraten.

 

Gleichzeitig wächst aber das Interesse am Internationalistischen Bündnis. Es steht dafür, alle fortschrittlichen, antifaschistischen, friedensbewegten, umweltbewussten, internationalistischen, revolutionären Kräfte zusammenzuschließen und den fortschrittlichen Stimmungsumschwung für eine gesellschaftliche Alternative zu organisieren.

 

1 Mehr dazu auf S. 26 dieser Ausgabe

2 Frankfurter Allgemeine vom 8. 2. 17