Rote Fahne 25/2017

Rote Fahne 25/2017

Polen: Frauen kämpfen gegen Kriminalisierung

Interview mit Anna Kiejna, in Brüssel lebende polnische Frauenaktivistin von „Elles sans Frontières“, zur Situation der Frauen in Polen

Polen: Frauen kämpfen gegen Kriminalisierung
Teilnehmerinnen des Internationalen Frauenmarsches in Warschau (Foto: Kuba Bozanowski)

Rote Fahne: Liebe Anna, herzlichen Dank, dass du uns ein Interview gibst – kannst du dich unseren Lesern kurz vorstellen?


Anna Kiejna: Ich bin 41 Jahre und komme aus Polen, lebe seit 14 Jahren in Benelux. Ich habe zwei kleine Söhne, übersetze und schreibe. Ich bin Doktor der Philologie. Ich war immer schon Feministin, aber in der jetzigen Situation in Polen noch viel mehr. Aktuell organisieren wir den „Black Protest“ zum 8. März und den 3. Kongress polnischer Frauen in Brüssel am 25. November.

Wie ist die Situation der Frauen in Polen im Moment?


Im Herbst 2016 wurde von den kämpferischen Frauen der Gesetzentwurf, der Schwangerschaftsabbruch noch weiter kriminalisieren soll, erfolgreich bekämpft. Am 3. Oktober 2016 gingen Hunderttausende in Polen dagegen auf die Straße, aber auch in Brüssel, Deutschland und anderen Ländern. Aber der Präsident hat schon angekündigt, er werde jetzt seine Unterschrift unter dieses Gesetz geben. Dann ist ein Abbruch nur noch legal, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder nach einer Vergewaltigung. Frauen werden als Gebärmaschine angesehen und dafür bezahlt. Der neueste Vorstoß ist, dass Frauen 1000 Euro erhalten sollen, wenn sie ein behindertes Kind zur Welt bringen, selbst wenn Kind oder Mutter direkt sterben. Und dafür wirst du bezahlt.
Schon heute leben vor allem im Osten Polens 20 Millionen in Regionen, in denen kein Krankenhaus zu finden ist, das einen Schwangerschaftsabbruch durchführt – aus „Gewissensgründen“. Stell dir vor, du wirst vergewaltigt und findest dann kein Krankenhaus. Dort verkaufen die Apotheken noch nicht mal Verhütungsmittel. Die Pille danach ist ohnehin verboten. Jedes Jahr gehen 100.000 Polinnen für einen Schwangerschaftsabbruch ins Ausland. Oder er findet statt unter Verhältnissen wie im 19. Jahrhundert. Das Schlimmste ist, dass Hass und Gewalt gegenüber Frauen steigen. Es gibt große Posterkampagnen in den Städten, die einen Fötus vom ersten Tag an als Kind bezeichnen und Frauen, die einen Abbruch vornehmen als „Kindermörderinnen“.


Die jetzige Regierung hat das Kindergeld erhöht – ab dem zweiten Kind gibt es umgerechnet 125 Euro, wenn man sehr wenig verdient, ab dem ersten. Das ist zwar richtig, aber die Frauen sollen damit auch gekauft bzw. ruhig gestellt und gewonnen werden, die Regierung wieder zu wählen. Frauen arbeiten vor allem in schlecht bezahlten Jobs, das ist ein ganzes System.

 

Du hast die Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen kennengelernt – was denkst du über diese Bewegung und eine weitere Zusammenarbeit?


Jetzt im Moment bin ich sehr eingespannt mit der Kongressvorbereitung. Aber danach würde ich gerne Teil davon werden. Mir ist sehr wichtig, wie die Zusammenarbeit im Alltag aussieht, zwischen den Konferenzen, Aktivitäten zu koordinieren, sich zu informieren, solidarisch zu sein und sich zu stärken. Wir müssen die ganze Zeit sichtbar bleiben!

 

Vielen Dank für das Gespräch!