Rote Fahne 23/2017

Rote Fahne 23/2017

Weißrussland: „Eine große Stimmungsmache“

Der Koordinationsrat „Einheit“ aus Weißrussland wendet sich gegen antikommunistische Geschichtsfälschung

Von dk
Weißrussland: „Eine große Stimmungsmache“
Sowjetische Kämpfer verschiedener Nationalitäten wurden 1941/1942 in Kuropaty (Katyn) im Auftrag der Hitler-Faschisten erschossen (Foto: Andrej Kuzniecyk)

Weißrussland ist heute ein enger Verbündeter des von Wladimir Putin geführten Russland. Es wird von der EU – und speziell von Deutschland – politisch umworben. Die Geschichte der ehemaligen Sowjetrepublik spielt bei diesen Bemühungen eine spezielle Rolle: Ein großer Teil Weißrusslands war bis 1939 von Polen annektiert. Es konnte erst aufgrund des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags befreit werden, nachdem der polnische Staat durch den Überfall Hitler-Deutschlands zerstört wurde.

 

Doch diese Freiheit währte nicht lange. Im Juni 1941 griffen die Faschisten die Sowjetunion an und besetzten das Land. Politische Einflussnahme aus dem Westen muss dies heute in Rechnung stellen – und das geschieht auf raffinierte Weise. So erhielt die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch („Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“) 2013 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2015 den Nobelpreis für Literatur. Dabei nützten die Preisverleiher aus, dass Alexijewitsch keinen revolutionären, sozialistischen Standpunkt vertritt. Bei aller Ablehnung des Faschismus kritisiert sie auch dessen Todfeind, die damals sozialistische Sowjetunion.

 

Ebenfalls zu dieser geschickten Art der Einflussnahme gehörte es, dass Anfang des Jahres in der weißrussischen Hauptstadt Minsk mit deutscher Unterstützung zwei Ausstellungen über die Verbrechen der Nazi-Besatzung organisiert wurden. Sie dokumentierten den Massenmord an Juden und die Tötung von Patienten aus Nervenheilanstalten. „Seht her, wir decken die deutsche Schuld der Vergangenheit auf! Nun müsst ihr aber auch die gleichzeitigen Gräuel des Stalinismus zugeben und euch zu unseren heutigen Werten bekennen“ – so soll der damit beabsichtigte Deal aussehen.

 

Dass dies durchaus Wirkung zeigt, beweist die derzeitige staatliche Initiative einer Denkmalerrichtung. Der Roten Fahne liegt dazu eine am 1. Juli 2017 verfasste Erklärung der links-patriotischen Organisationen Weißrusslands vor, die den Koordinationsrat „Edinstwo“ (Einheit) bilden. Sie wendet sich gegen die geplante „Versöhnung“ mit dem deutschen Imperialismus:

 

„Wir lassen nicht zu, dass die Opfer des Faschismus, die bei Kuropaty beerdigt sind, schändlich verhöhnt werden. Die öffentliche staatliche Aktion zum ewigen Gedenken an die Opfer der politischen Unterdrückung im Bezirk Tsna-Jodkova bei Minsk, in Kuropaty, nimmt eine Kehrtwendung an. … Über die Republikzeitung ‚Sowjetskja Belorussija‘ (Sowjetisches Weißrussland) und den Fernsehsender ‚Belorus Segodnja‘ (Weißrussland heute) usw. läuft eine große Stimmungsmache. Als Ziel … wird eine Versöhnungsaktion angegeben. Wessen Versöhnung mit wem? Das belorussische Volk mit den Hitlerfaschisten, die in den Jahren 1941–42 des letzten Jahrhunderts gemeinsam mit den örtlichen Helfershelfern in Kuropaty gefangene sowjetische Kämpfer verschiedener Nationalitäten erschossen? Bürger jüdischer Nationalität aus dem Minsker Ghetto ebenso wie ausländische Juden, die von den Minsker Bürgern auch ‚Hamburger Juden‘ genannt wurden und andere völlig unschuldige Menschen. Ihre Aussöhnung mit den Faschisten ist nicht möglich. Um so mehr als unsere leidgeprüfte Republik im Krieg gegen die Faschisten jeden dritten Einwohner verloren hat.

 

Erstaunlich ist die Eile, mit der die offiziellen Massenmedien die Initiative der prowestlichen Opposition zur Aufdeckung der angeblichen ‚stalinistischen Erschießungen‘ in Kuropaty aufgegriffen haben und dazu aufrufen, dort so bald wie möglich eine ‚Gedenkstätte der Erinnerung und des Leids‘ zu errichten. Und das, ohne bis jetzt die notwendige Nachforschung durchzuführen, auf der unser Koordinationsrat ‚Edinstwo‘ in seiner Erklärung vom 19. März 2017 beharrt und die an den Präsidenten von Weißrussland und an die Medien gerichtet war. Eine Antwort haben wir von der Präsidialverwaltung bisher nicht erhalten …“

 

Die Erklärung erinnert an die neu aufgedeckten Fakten, die das Schuldeingeständnis Michail Gorbatschows und Boris Jelzins für die sowjetische Verantwortung der Erschießung polnischer Offiziere bei Katyn während des II. Weltkriegs infrage stellen. Es heißt: „Ebenso gibt es zu den Erschießungen in Kuropaty eine große Anzahl von Ungereimtheiten … Es steht außer Zweifel, dass die Wahrheit über die Erschießungen durch die Hitlerschergen und ihre Anhänger in Kuropaty früher oder später ans Licht kommt. Laut dem Beschluss des Nürnberger Tribunals haben die Verbrechen der Nazis in den Jahren des II. Weltkriegs keine Verjährungsfrist. Und wenn der Akt des schändlichen Verhöhnens und der Beschimpfung der unschuldigen Opfer des Hitlergenozids vollzogen werden sollte, werden die Personen, die die Geschichte der ‚stalinistischen Repressionen in Kuropaty‘ zusammmengeschustert haben, zur Verantwortung gezogen und von den Nachkommen als Volksbetrüger angeprangert werden …“