Rote Fahne 22/2017
Monsterstürme und Klimaskeptiker – höchste Zeit für eine länderübergreifende Umweltbewegung
Die 23. Weltklimakonferenz findet vom 6. bis 17. November 2017 in Bonn statt. 26.000 Teilnehmer werden sich in einer extra errichteten Zeltstadt in der Bonner Rheinaue treffen: Diplomaten, Minister, Wissenschaftler, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGO). Die Konferenz macht sich zur Aufgabe, Details auszuarbeiten zur Umsetzung des Pariser Weltklimavertrags. 2018 in Polen soll dann die 24. Weltklimakonferenz diese als „Regelbuch“ verabschieden. Naht damit also die Rettung des Weltklimas? Zumindest ultrareaktionäre Regierungen schreiben derweil schon ihr eigenes „Regelbuch“ ...
… US-Präsident Donald Trump und der faschistische türkische Präsident Erdoğan haben das Pariser Abkommen bereits gekündigt. Ihnen folgt weltweit eine Phalanx ultrareaktionärer und faschistoider Kräfte – wie in Deutschland die AfD. Sie alle vertreten die Richtung der „Klimaskeptiker“. Sie leugnen jeglichen Einfluss der kapitalistischen Produktion und Konsumtion auf das Weltklima und lenken von den Hauptursachen der Klimaerwärmung ab. Vehement arbeiten sie an der Aufhebung von Klimaschutzauflagen und gegen die rasche Umstellung auf erneuerbare Energien. Was die Umweltbewegung und das Umweltbewusstsein der Massen erkämpft haben, wollen sie rückgängig machen. Heuchlerisch begründen Trump und Co. dies mit dem Schutz von Arbeitsplätzen. Damit entsteht für die Arbeiter- und Umweltbewegung eine neue Aufgabenstellung.
Regionale Umweltkatastrophen – nicht nur in der Karibik
Bilder der letzten Wochen von völlig verwüsteten Karibikinseln oder gigantischen Überschwemmungen erschütterten die Menschen weltweit. 2017 zogen mittlerweile zehn Hurrikans in Folge durch die Karibik, teilweise über das amerikanische Festland. Eine solch ununterbrochene Kette von Hurrikans hat es das ganze 20. und bisherige 21. Jahrhundert nicht gegeben. Dabei traten Windgeschwindigkeiten bis über 300 Stundenkilometer auf. Viele Tote und eine immense Zerstörung sind die Folge, von der sich die ärmeren Karibikinseln über Jahre nicht erholen werden.
Der Anstieg der Treibhausgase erwärmt nicht nur die untere Atmosphäre, sondern auch die Meere. Extreme Wassertemperaturen von über 31 Grad im Atlantik sind eine wichtige Bedingung für die katastrophalen Hurrikans 2017. Durch den immer größeren Temperaturunterschied zwischen der oberen und unteren Atmosphäre entstehen Hurrikans inzwischen auch bei niedrigen Wassertemperaturen. Und manche nähern sich sogar Europa.
Über 20 Millionen Menschen sind heute weltweit auf der Flucht, weil Dürre, Wassermangel, Überflutungen, Waldbrände ihre Existenz zerstören. Bis 2040 wird die Zahl der Klimaflüchtlinge auf über 200 Millionen Menschen steigen.1 Die gegenwärtige Hungersnot in Somalia und anderen Teilen Afrikas ist genauso eine Folge der kapitalistischen Umweltzerstörung wie die Waldbrände in Kalifornien, Portugal oder Spanien. Das Buch „Katastrophenalarm!“, von Stefan Engel, analysiert neun hauptsächliche Faktoren des Übergangs in die globale Umweltkatastrophe. Bereits jeder einzelne könnte die Menschheit auslöschen. Das gilt auch für die Zerstörungen durch einen atomaren 3. Weltkrieg, der mit dem Schlagabtausch zwischen den USA und Nordkorea gefährlich heraufbeschworen wird. Die USA spielen auch hier die Rolle des Hauptkriegstreibers. Höchste Zeit also für eine internationale Widerstandsfront zur Rettung der Umwelt vor der Profitwirtschaft!
Die gescheiterte EU-Klimapolitik
Nach 20 erfolglosen UN-Klimakonferenzen wurde 2015 das Pariser Abkommen abgeschlossen. Mit der Erklärung, die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius Erderwärmung halten zu wollen. Doch das bedeutet, bis spätestens 2040 müssten die Treibhausgas-Emissionen auf null gefahren werden. Und dazu sind die führenden imperialistischen Staaten bis heute nicht bereit. Zur Pariser Mogelpackung gehört, dass jedes Land selbst festlegt, ob, wie und wie viel CO2-Emissionen es einspart. Mit den bisherigen „freiwilligen“ Beiträgen wird das Pariser Klimaziel weit verfehlt – und auch das verkündete EU-Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu senken. Das Bundesumweltamt erwartet das Scheitern des EU-Ziels wegen „Marktzugangsbeschränkungen“ und „zurückgefahrener Förderung erneuerbarer Energien in mehreren Mitgliedsstaaten“ 2. Auch die geschönten EU-Statistiken zur Untermauerung ihres Klimaziels kommen nur auf eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen von jährlich rund 0,9 Prozent. Etwa 110 Jahre würde die EU benötigen, um ihre Emissionen auf null zu reduzieren. So lange aber hat die Menschheit keine Zeit.
Dieses Schneckentempo ist keine „wenig ambitionierte Umsetzung des Klimaschutzabkommens von Paris“, wie es verschiedene NGOs und Umweltorganisationen unterschiedlich kritisieren. Es ist eine bewusste Politik der Förderung der eigenen internationalen Übermonopole im immer härteren imperialistischen Konkurrenzkampf!
Zum zweiten Mal in Folge stieg 2016 der deutsche CO2-Ausstoß gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozent: auf 916 Millionen Tonnen.3 Das Ende des Märchens von der „Klimakanzlerin“ Merkel! Denn 2012 leitete die Bundesregierung die Rolle rückwärts bei der Energiewende ein. Die Novellierung des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) deckelt den Zubau von Solarenergie auf 2,4 Gigawatt, bei Windenergie an Land auf 2,8 Gigawatt pro Jahr. Nur Offshore-Windparks, die vorwiegend von den großen Energiekonzernen gebaut werden, haben keine Deckelung. Die Förderung privater Solar- und Windkraftanlagen wurde drastisch reduziert: Ergebnis ist unter anderem: der Verlust von 90.000 Arbeitsplätzen in der deutschen Solarindustrie! Und dicke Gewinne für die Energiemonopole, mit denen der Staat teils als Miteigentümer, wie bei EnBW und RWE, genauso eng verbunden ist wie mit der Automobilindustrie.
Teil der deutschen Diesel-Strategie war die Erfindung von „Bio-Diesel“. Dafür wurden im Jahr 2015 bereits 3,35 Millionen Tonnen Palmöl importiert und zu „Bio-Diesel“ verarbeitet. Diese Menge verlangte die Vernichtung einer Fläche von einer Million Hektar Regenwald. Für die Fleischproduktion in der EU wird Soja vor allem in Südamerika produziert, auf einer Fläche von 60 Millionen Hektar – ebenfalls auf Kosten des Regenwalds. Auch das ist EU-Politik.
Vom Paris-Abkommen zum Hamburger G20-Gipfel
Knapp zwei Jahre nach dem Pariser Klimagipfel fand im Juli 2017 das G20-Treffen der mächtigsten imperialistischen Regierungen in Hamburg statt. Für 75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen sind sie verantwortlich. Ihr „Aktionsplan zu Klima und Energie für Wachstum“ beinhaltet: „… saubere Technologien wie Energieeffizienz, erneuerbare Energie, Erdgas und Kernenergie in den Ländern, die sich für deren Nutzung entscheiden, sowie nachhaltig eingesetzte fortschrittliche und sauberere fossile Brennstofftechniken …“4
Das „saubere Erdgas“ der G20 ist in Wirklichkeit Klimakiller ersten Ranges. Bei seiner konventionellen Förderung entweichen vier Prozent, bei Fracking geschätzte zwölf Prozent in die Atmosphäre. Methan ist ein 100-fach stärkeres Treibhausgas als CO2.
Erneuerbare Energien sind für die imperialistischen G20-Länder nur ein Teil ihrer Energiepolitik. Eine Führungsrolle im Klimaschutz haben sie noch nie gehabt. Die Haupttriebkraft im Kampf um die Rettung des Weltklimas sind die Millionen Menschen, die sich für dessen Rettung einsetzen. Ihnen ist es – in Einheit mit dem technischen Fortschritt – zu verdanken, dass mittlerweile Strom aus erneuerbaren Energien günstiger ist als Kohlestrom. Und 2016 machte der immerhin elf Prozent des gesamten Primärenergieverbrauchs weltweit aus. Die Atomkraft erreicht nur 4,5 Prozent. Heute ist es möglich, Solarstrom in Saudi-Arabien für 1,5 Cent pro Kilowattstunde anzubieten, in Indien, Marokko und Chile für 3 Cent, und Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland für 5 bis 7 Cent.
Die Imperialisten bremsen effiziente und umweltschonende Technologien jedoch aus: Nur um die Billionen Euro an Kapitalinvestitionen in fossiler Energiegewinnung und Verbrennungsmotoren zu sichern – sowie ihre Weltmarktanteile, ihre imperialistische Rohstoffpolitik und Einflusssphären zu schützen. Das alles hat System! Deshalb muss eine konsequente, kämpferische Umweltbewegung sich systemverändernde Ziele setzen. Diese Strategiediskussion muss sich verbinden mit der Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative unter immer mehr Menschen.
Kampagnen zur Meinungsmanipulation
Als „historischer“ Durchbruch wurde die Pariser Weltklimakonferenz medienwirksam gefeiert. Und das G20-Treffen als Kampf der vernünftigen, „guten“ Imperialisten gegen die „bösen“ wie Trump. Klimaskeptizismus – die Leugnung, dass der vom Menschen verursachte Kohlendioxid-Ausstoß eine wesentliche Bedeutung für das Klima hat – verbreiten aber nicht nur die AfD und Trump. Das tut auch die Merkel-Regierung – nur auf subtilere Art. So wird immer noch verbreitet, Elektromobilität sei noch nicht so weit oder der Diesel eine „Brückentechnologie“. Eine schnelle Energiewende würde Arbeitsplätze kosten. Sie sei unbezahlbar – so ihre Lieblingsphrasen.
Machen wir die Gegenrechnung auf: Schon heute arbeiten im Bereich erneuerbarer Energien mehr Menschen in Deutschland als in Kraftwerken für fossile Energie. In diesen Bereichen könnten auch die Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden, die benötigt werden – aber auf Kosten der Profite der Monopole! Zu den Kosten für den Import fossiler Brennstoffe, die bis 2040 allein schon mehr als zwei Billionen Euro betragen würden, kommen Kosten für Subventionen, Folgeschäden der Klimaerwärmung, Gesundheitsschäden. Allein mit diesen Mitteln könnte der Staat den öffentlichen Nahverkehr kostenlos und umweltfreundlich ausbauen, Schulen sanieren, Kosten für Flüchtlinge bezahlen. Der Kampf für Arbeitsplätze und Umweltschutz und die internationale Führung der Kämpfe ist heute zu einer realen Anforderung an die Arbeiterbewegung geworden. Die beschlossene Fusion von thyssenkrupp und dem indischen Monopol Tata belegt drastisch: Nicht durch Umweltauflagen werden Zehntausende Arbeitsplätze vernichtet – sondern durch Megafusionen, um die Weltmarktführerschaft zu erlangen! Die rücksichtslose Ausbeutung der Naturressourcen wurde erstmals zu einem ökonomischen Zwang – mit der Neuorganisation der internationalen Produktion auf einem Niveau der systematischen und allseitigen Zerstörung der lebensnotwendigen Einheit von Mensch und Natur. Deswegen muss sich das internationale Industrieproletariat auch an die Spitze einer weltweiten Umweltbewegung auf der Grundlage des aktiven Widerstands stellen. Zur Lösung der sozialen und der Umweltfrage muss weltweit der Sozialismus erkämpft werden!
Unsere Umwelt – unsere Zukunft – unser Widerstand
Unsere Umwelt, und damit unsere Zukunft, ist in Gefahr, das spüren immer mehr Menschen. Daraus ist eine gesellschaftliche Zukunftsdebatte entstanden. Sie muss unvoreingenommen, aber auch konsequent und mit praktischen Schlussfolgerungen geführt werden. Für einen überparteilichen massenhaften, organisierten und kämpferischen Zusammenschluss im Kampf zur Rettung der Umwelt steht die Umweltgewerkschaft. Sie führt Ende November ihren zweiten Bundeskongress durch.
„Unsere Umwelt – unsere Zukunft – unser Widerstand“ ist auch das Motto einer Großdemonstration in Bonn anlässlich der UN-Klimakonferenz (11. November, 12.30 Uhr). Sie wird von Anfang an auch von der MLPD unterstützt, die in dieser Bewegung für eine konsequent antikapitalistische, revolutionäre Umweltpolitik steht. Denn wer dem Übel Umweltzerstörung an die Wurzel gehen will, der muss sich auch mit dem Kapitalismus, als dessen Hauptursache, anlegen.
Das ist nicht unumstritten. Am 20. Mai wurde ein breites Aktionsbündnis für eine Großdemonstration in Bonn am 11. November gegründet. Das geschah unter dem oben genannten Motto und in Einvernehmen über die notwendige Kritik am Paris-Abkommen. Vertreter von ATTAC, des Erwerbslosenforums Bonn, Bonner Linke und Grüne machten dann aber mit der 2. Aktionskonferenz am 29. Juli die Anerkennung dieses nicht zu akzeptierenden Abkommens zur Voraussetzung einer gemeinsamen Aktionseinheit. Diese Akzeptanz einer weichgespülten, letztlich an die Politik der Imperialisten angepassten Lobby-Aktivität, stößt natürlich nicht auf viel Gegenliebe, vor allem nicht unter der Jugend. So versuchten sie, den Gaul des Antikommunismus zu reiten: verkündeten unverblümt, jede Aktionseinheit zu spalten, an der die MLPD oder die Umweltgewerkschaft beteiligt sei. Bewusst betreiben diese Kräfte eine Spaltung der Protestaktivitäten, indem sie eine zweite Demonstration am Vormittag des gleichen Tages angesetzt haben. Doch dieser Gaul des Antikommunismus lahmt schon lange! Und so bereiten die kämpferischen Kräfte mit Engagement und Ideenreichtum weiter ihre Demonstration vor: Die Bonner Demonstration „Unsere Umwelt –– unsere Zukunft – unser Widerstand“ richtet sich an alle gesellschaftlich relevanten Kräfte: An die Arbeiterklasse, die für Arbeitsplätze und Umweltschutz steht. An Jugendliche, die eine Zukunft haben wollen. An Frauen, die vermeiden wollen, dass ihre Kinder mit gesundheitlichen Schäden durch Abgase aufwachsen. An Bauern, die sich gegen eine EU-Agrarpolitik wenden, die ihre Existenz und die der Regenwälder vernichtet. An die Wissenschaftler, die gegen Bevormundung und Gängelung Widerstand leisten. An Flüchtlinge, deren Zahl auch durch die Klimakrise ständig erhöht wird. An Antifaschisten, die gegen die reaktionäre Trump- und AfD-Umweltpolitik protestieren. An Friedenskämpfer/innen, die sich gegen ABC-Waffen einsetzen und in Atomkraftwerken Teil einer Kriegsvorbereitung sehen. An Internationalisten, für die Umweltschutz grenzenlos sein muss. An all die umweltbewegten Menschen, die sich Sorgen um die Umwelt machen und etwas tun wollen.
Ein guter Schritt in diese Richtung ist, dass die bundesweite Montagsdemonstrations-Bewegung 2017 ihre traditionelle Herbstdemo mit der Bonner Demonstration zusammengelegt hat. In Bonn wird auch der internationale Protest vertreten sein. Der weitere Vorbereitungsprozess und die Demo selbst versprechen spannend zu werden!