Rote Fahne 19/2017
Inklusion: „Situation in vielen Schulklassen desaströs“
Petra Lichtenberg, Lehrerin und Kandidatin auf Platz 2 der Landesliste Bremen der Internationalistischen Liste/MLPD, erläutert der Roten Fahne Erfahrungen mit der Inklusion an den Schulen und ihre Meinung dazu
Petra Lichtenberg: Das Land Bremen gilt als Vorreiter der inklusiven Bildung. Auf die Einführung der Inklusion war das Schulsystem aber nicht vorbereitet: nicht inhaltlich, nicht räumlich, nicht materiell, und sie war nicht personell hinterlegt.
In unheimlich kurzer Zeit wurden die meisten Förderzentren aufgelöst – und das vor dem Hintergrund, dass Bremen einen Spitzenplatz besetzt in Bezug auf Kinderarmut und Schüler mit Migrationshintergrund. Obwohl viele Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte der Inklusion grundsätzlich positiv gegenüberstehen und sehr engagiert arbeiten, ist unter diesen Bedingungen Überforderung aller an Schule Beteiligten vorprogrammiert. Durch die Einführung des Zwei-Säulen-Modells – zehn Gymnasien und 40 Oberschulen – werden die leistungsstarken Schüler selektiert. Die „Inklusion“ findet überwiegend in den Oberschulen statt.
Diese Art der Umsetzung hat mit Inklusion wenig zu tun: Bildungsquantität und Bildungsqualität wurden in den vergangenen Jahren immer weiter heruntergefahren. Die Bremer Landesregierung hat trotz der Entscheidung für so eine umfassende Schulreform bis heute ihr Kürzungsprogramm im Bildungsbereich fortgesetzt. Der Öffentlichkeit wurde immer wieder vorgegaukelt, es würden zusätzliche Mittel in die Bildung fließen. Aber die Realität zeigt eine andere Wahrheit.
Viele Pädagogen – und allein siebenhundert in der Stadt Bremen als Vertretungslehrkräfte eingesetzte Studenten und nicht qualifizierte Seiteneinsteiger – werden verschlissen, sie sind mit ihren Kräften völlig am Ende. Die Situation in vielen Klassen ist desaströs.
Verantwortlich ist aber nicht nur die Bremer Landesregierung. Seit 2006 ist gesetzlich geregelt, dass die Bundesländer für die Finanzierung der schulischen Bildung alleine aufkommen müssen, der Bund „darf“ den Bundesländern keine Gelder für den Bereich Schulen zukommen lassen.
Diese sogenannte „Förderalismusreform“ ist zynisch und gehört auf den Müll. Hier wird den Geschäftemachern im Bildungsbereich zugearbeitet: Im Land Bremen gibt es inzwischen 45 Privatschulen! Öffentliche Bildung muss ausfinanziert werden!
Trotz aller Proteste der vergangenen Jahre hat sich die Situation weiter verschärft – das ist für mich der Grund, dieses Bündnis mit meiner Kandidatur auf der Bremer Landesliste zu unterstützen.