Rote Fahne 18/2017
Was vom „Lohngerechtigkeitsgesetz“ zu halten ist
Im Juli 2017 trat das „Gesetz für Lohngerechtigkeit“ in Kraft. Danach können Frauen in Betrieben ab 200 Beschäftigten künftig Auskunft verlangen, ob ein männlicher Kollege bei vergleichbarer Tätigkeit höher bezahlt wird
Betriebe mit über 500 Beschäftigten werden aufgefordert, regelmäßig ihre Entgeltstrukturen zu überprüfen. Bestimmte Betriebe müssen künftig den Stand der Entgeltgleichheit öffentlich machen. Damit existiert nun eine gesetzliche Grundlage für Frauen, ein gleiches Entgelt im Fall gleicher beruflicher Tätigkeit zu erhalten. Das muss allerdings jeweils individuell erstritten werden. Der Begriff „Gerechtigkeit“ ist jedoch fehl am Platz. Das Gesetz ist einerseits ein Zugeständnis an die kämpferische Frauenbewegung, zugleich aber der Versuch, „Lohngerechtigkeit“ vorzugaukeln.
Unter der Losung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ trat der DGB für die juristische Gleichstellung von Frauen ein. Mit dadurch kam es 1955 zum gerichtlichen Verbot sogenannter „Frauenlohngruppen“, was danach jedoch durch die Einrichtung von sogenannten „Leichtlohngruppen“ unterlaufen wurde. In den 1970er-Jahren entstand eine neue Frauenbewegung, vor allem unter Arbeiterfrauen. In der gewerkschaftlichen Frauenarbeit rückte die Kritik am bürgerlichen Familienbild und deren Ideal der „Hausfrauenehe“ in den Mittelpunkt. Das Klassenbewusstsein in Deutschland entwickelte sich mit dem Kampf um höhere Löhne und Gehälter in den 1970er-Jahren und dem Übergang zur Arbeiteroffensive in den 1980er-Jahren.
Die kämpferische Frauenbewegung war dabei ein wichtiger Teil. Bundesweit kam es unter der Losung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zu Streiks, Protesten, Demonstrationen und juristischen Klagen für die Abschaffung der „Leicht“lohngruppe 2 und für Höhergruppierung. Auch in der heutigen kämpferischen Frauenbewegung findet diese Forderung Anklang. Denn die bürgerliche Familienordnung ist in einer chronischen Krise: Drei von vier Frauen in Deutschland sind erwerbstätig. Sie wollen nicht von ihren Partnern abhängig sein, sondern finanziell auf eigenen Füßen stehen. Damit rühren sie an einer Säule der bürgerlichen Familienordnung, die weibliche Erwerbstätigkeit lediglich als Hinzuverdienst zum Einkommen des Mannes bewertet. Etwa 21 Prozent weniger verdienen Frauen im Vergleich zu Männern. Ihre Arbeitskraft wird von vornherein niedriger bewertet, weil sie einen erheblichen Teil ihrer Kraft schon in der Familienarbeit verausgaben müssen. Wiederum deshalb arbeiten Frauen vor allem in Teilzeitarbeitsplätzen und sogenannten Minijobs.
Die Forderung nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ wurde in den letzten Jahren auch von der damaligen Frauenbeauftragten Manuela Schwesig (SPD) unterstützt. Um den Eindruck zu erwecken, dass Frauenfragen bei der Regierung in guten Händen seien, wurde der „Equal Pay Day“ systematisch gefördert. Die Kritik der Frauen sollte von den gesellschaftlichen Verhältnissen auf den Widerspruch zwischen Frau und Mann gelenkt werden. Und so die Klassenfrage ausgeblendet und die Illusion erzeugt wird, im Kapitalismus seien „gerechte Löhne“ möglich.
Die MLPD kritisiert die Forderung nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“, weil sie die Illusion weckt, die Menschen würden für ihre geleistete Arbeit bezahlt. In Wirklichkeit verkaufen werktätige Männer wie Frauen im Kapitalismus ihre Arbeitskraft und erhalten dafür in der Regel so viel Lohn, wie sie für die Reproduktion dieser Arbeitskraft benötigen. Die Lohnhöhe hängt auch von der Kampfkraft der Arbeiterbewegung ab, von der jeweiligen Politik der Unternehmen und von der allgemeinen Wertbestimmung der Arbeitskraft in jedem Land.
Karl Marx setzte sich im Kapital grundsätzlich mit der Lohnfrage auseinander: „… daß der Arbeitslohn nicht das ist, was er zu sein scheint, nämlich der Wert respektive Preis der Arbeit, sondern nur eine maskierte Form für den Wert resp. Preis der Arbeitskraft …“ 1 Er stellte deshalb fest: „Nach gleicher oder gar gerechter Entlohnung auf Basis des Lohnsystems zu rufen, ist dasselbe, wie auf Basis des Systems der Sklaverei nach Freiheit zu rufen.“ 2
Es ist natürlich völlig berechtigt, dass Frauen für vergleichbare Tätigkeiten dasselbe Geld bekommen wie männliche Kollegen. Deshalb fordert die MLPD in ihrem Programm „wirtschaftliche, soziale und kulturelle Gleichstellung der Frauen“ 3 und bekämpft alle Formen der besonderen Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen und Mädchen.