Rote Fahne 16/2017

Rote Fahne 16/2017

Favoritensterben bei der Fußball-EM der Frauen

Die Zeit, in der einige herausragende Frauen-Nationalmannschaften ihre Spiele mit fünf oder gar sieben Toren Vorsprung gewannen, ist im europäischen Frauenfußball offensichtlich vorbei

Favoritensterben bei der Fußball-EM der Frauen
Frauenfußball – längst keine belächelte Randerscheinung mehr; Foto: Stephan Lienhard_CC BY-NC-ND 2.0

Bereits die Spiele bis zum Halbfinale der Frauenfußball-EM 2017 zeigten: Das Niveau und die Leistungsdichte der Mannschaften hat sich angeglichen; vor allem die technischen Fähigkeiten und die Athletik. Das war auch ein Hintergrund für die Vergrößerung des Teilnehmerfeldes von 12 auf 16 Mannschaften. Für diesen Aufschwung war die Internationalisierung des Frauenfußballs in den letzten Jahren Grundlage.


Ähnlich wie bei den Männern spielen Profi-Fußballerinnen inzwischen im Ausland, die Trainerinnen und Trainer haben vergleichbare Ausbildungen und Erfahrungen usw. Es gab sehr viele Spiele mit wenig Toren, weil starke Abwehrreihen und entsprechendes Pressing die Möglichkeit für schnelle Konter eröffnete. „Ballbesitzfußball“ und technische Überlegenheit konnten sich nicht entscheidend durchsetzen, weil Teamgeist, physische Stärke und schnelle Umschalttaktik die bisherige Überlegenheit der Favoriten oft ausgleichen konnten.


„Altmeister“ Norwegen hat nicht einmal die Vorrunde überstanden. Schweden hat einen rechtzeitigen Generationswechsel verpasst und konnte als Silbermedaillengewinnerin der Olympischen Spiele von Rio 2016 dem wuchtigen Spiel und Siegeswillen der jungen niederländischen Frauen wenig entgegensetzen. Ebenso nützten den Spanierinnen ihre bisherigen Erfolge wenig: sie wurden durch die Neulinge aus Österreich aus dem Turnier geworfen, die eine unerwartete Zweikampfstärke und begeisternde Moral zeigten. Auch Titelanwärter Frankreich – die im Vereinsfußball der europäischen Champions-League dominieren – konnten gegen die starke englische Mannschaft nicht bestehen.


Die größte Überraschung war sicherlich das Ausscheiden der deutschen Mannschaft im Viertelfinalspiel gegen Dänemark mit 2:1. Der seit 22 Jahren ununterbrochene EM-Titel-Erfolg hatte die Erwartungen an das junge deutsche Team auf eine Fortsetzung der Turniersiege festgelegt. Dieser Rolle kamen sie bereits in den mäßigen Vorrundenspielen nicht nach. Gegen Dänemark konnte die durchweg mit guten bis hervorragenden Spielerinnen besetzte deutsche Mannschaft ihre mögliche Spielstärke nicht realisieren. Eine auffällige Unsicherheit, wenig erkennbarer Siegeswille, unerwartete technische Fehler und taktische Unzulänglichkeiten prägten ihr Spiel bei der Niederlage gegen Dänemark. Offensichtlich ist es der neuen Trainerin Steffi Jones noch nicht gelungen, den Neuaufbau des deutschen Frauenteams soweit zu formen, dass das ganze Potenzial dieser jungen Spielerinnen zur Wirkung kam. Es kommt für sie und die Spielerinnen darauf an, aus den Erfahrungen des Turniers die richtigen Schlüsse zu ziehen.