Rote Fahne 14/2017

Rote Fahne 14/2017

Kolumbien diskutiert über die Oktoberrevolution

Ein Genosse der kolumbianischen ICOR-Organisation PCC-M¹ gibt Einblicke in Aktivitäten zum Jahrestag der Oktoberrevolution und die Lage im Land

Rote Fahne: Welche Aktivitäten unternehmt ihr zum 100. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution?

 

Wir nehmen an Seminaren teil, die von zwei regionalen Gewerkschaftsverbänden dazu durchgeführt werden. Wir sind interessiert daran, dass Arbeiter, Studenten, Frauen und Aktivisten aus den Stadtteilen teilnehmen. Im November wird es Veranstaltungen zum Jahrestag geben. Und ab Juli Veranstaltungen, an denen Vertreterinnen der Weltfrauenbewegung aktiv teilnehmen.

Arbeiter, die eine Glasfabrik besetzt haben und sie in eigener Regie verwalten, stellen Gläser her mit dem Logo der ICOR-Kampagne zu „100 Jahre Oktoberrevolution“. Wir wollen auch mit ihnen eine Veranstaltung durchzuführen, wenn die Gläser fertig sind. Wir propagieren dabei immer die ICOR, treten mit der ICOR-Fahne auf.

Wir bereiten auch die gemeinsamen ICOR-Aktivitäten vor, werden am theoretischen Seminar teilnehmen und die Ergebnisse bekannt machen. Für die Internet-Diskussion² wollen wir Gewerkschafter und andere Kräfte gewinnen.

 

Welche öffentliche Diskussion gibt es zu dem Thema?

 

In Kolumbien wird in den bürgerlichen Medien unter anderem verbreitet, die Oktoberrevolution sei das Werk einer Minderheit gewesen. Wir fördern Veröffentlichungen, die nachweisen, dass sie das revolutionäre Werk der Arbeiterklasse war, und diese antikommunistisch motivierte Behauptung widerlegen.

Eine rechte Medienkampagne setzt in Kolumbien den Sozialismus mit Castro und Chavez gleich und behauptet, alle Fehler und Probleme in Venezuela wären ein Synonym des Sozialismus. Das hat einen gewissen Einfluss und macht den Leuten Angst. Wir haben daher viel zu tun, den Menschen zu zeigen, dass der echte Sozialismus nicht dasselbe ist. Ein grundsätzlicher Fehler in Venezuela ist zum Beispiel, sich nur auf die Erdöleinnahmen zu verlassen. Auch gibt es dort teilweise rassistische Hetze gegen Kolumbianer, die Korruption ist enorm. All das wird ausgeschlachtet, als ob es das Resultat des Sozialismus wäre, dabei hat das gar nichts damit zu tun. Diese Fragen sind nicht einfach zu lösen, deshalb sind die Seminare so wichtig. Dort wird auch behandelt, wie der echte Sozialismus Fragen der Demokratie für die Massen, des Gesundheitswesens, der Arbeit usw. löst.

 

Es gibt also ein Interesse am Sozialismus und an den Erfahrungen der Oktoberrevolution?

 

Unbedingt, gerade unter den Arbeitern, aber nicht nur. Der Neoliberalismus hat in unseren Ländern die ganzen Staatsbetriebe privatisiert. Dagegen haben demokratische Regierungen den Staat ins Zentrum gerückt. Die „Überbetonung des Staats“ ist eines der am meisten diskutierten Probleme in Lateinamerika, so, als ob im Sozialismus alles nur über den Staat laufen würde. In unseren Ländern ist eine volksdemokratische Diktatur unter Führung der Arbeiterklasse notwendig. Sie wäre in der Lage, die demokratischen Organisationsformen der Massen in der Führung der Gesellschaft zu entfalten und gleichzeitig die wirklichen Feinde des Volkes daran zu hindern, dass sie die Errungenschaften zerstören.

 

Was ist sonst aus Kolumbien zu berichten?

 

Es gibt Zeichen einer Belebung der Kämpfe – mit Arbeiterstreiks, einem landesweiten Streik der Lehrerinnen und Lehrer, Auseinandersetzungen von Studenten. Die Regierung will mit BP neue Verträge über Fracking und Erdöl- bzw. Erdgasförderung in der Karibik abschließen. Beides ist sehr gefährlich für die Umwelt. Dagegen gibt es eine Bewegung, vor allem gegen das Fracking, ebenso gegen Projekte der großen Bergbaumonopole. So setzte sich eine Volksabstimmung gegen den geplanten Übertagebergbau einer kanadischen Firma durch.

 
Unterstützen die Bergleute die Umweltforderungen?

 

Ja, die Familien der Bergleute leben ja auch in den betroffenen Dörfern. Es gibt praktische Vereinbarungen, dass die Umweltbewegung die Forderungen der Bergleute unterstützt, zum Beispiel für Lohnerhöhung, gegen Leiharbeit usw., während die Bergleute die Bewohner der Gemeinden gegen den Raubbau der Monopole unterstützen. Im Norden von Kolumbien, wo die größten Kohleminen sind, haben Delegierte auf Gewerkschaftsversammlungen über die 2. Internationale Bergarbeiterkonferenz berichtet. Das kam sehr gut an. Es gibt eine intensive Arbeit, um die Bergarbeiterkoordination zu stärken.

 

Was tut sich beim Friedensabkommen zwischen Regierung und Guerilla-Bewegungen?

 

Wir treten dafür ein, dass die Punkte im Abkommen mit Präsident Santos eingehalten werden und die FARC das Recht hat, sich als politische Kraft zu beteiligen. Die ELN (andere Guerilla-Bewegung) steht auch im Dialog mit der Regierung.

 

Vielen Dank für das Gespräch!