Europäische Union
Lieferkettengesetz: Übrig bleibt nur noch ein Wrack
Die EU will das im Juli 2024 verabschiedete europäische Lieferkettengesetz bis zur praktischen Wirkungslosigkeit abschwächen, noch bevor es überhaupt in Kraft getreten ist.
Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich am vergangenen Dienstag in Brüssel auf solch eine Änderung. Die Europäische Volkspartei (EVP), der auch die Europaparlamentsfraktion von CDU und CSU angehört, hatte zusammen mit den Fraktionen aller wesentlichen faschistischen und faschistoiden Parteien Europas Mitte November im EU-Parlament über einen entsprechenden Vorschlag abstimmen lassen. Siehe dazu Rote-Fahne-News-Artikel vom 17. November 2025: 'Brandmauer' der CDU/CSU - löchrig und morsch.
Das EU-Parlament und die Regierungen der EU-Mitgliedsländer müssen diesem Gesetzes-Wrack jetzt noch endgültig zustimmen, was aber reine Formsache ist. Das Gesetz sollte eigentlich sicherstellen, dass Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und mindestens 450 Millionen Euro Umsatz menschen- und umweltrechtliche Verpflichtungen in ihren globalen Lieferketten einhalten. Andernfalls hätten sie auf Schadensersatz verklagt werden können. Es war gegen verheerende Arbeitsbedingungen bei Lieferanten europäischer Firmen erkämpft worden. Wesentlich dazu beigetragen hatten die Proteste von Ver.di und anderen Gewerkschaften, Menschenrechts- und Umweltbewegungen.
Zahlreiche deutsche Unternehmen waren in der Vergangenheit immer wieder für Katastrophen in anderen Ländern mit verantwortlich. So z.B. 2019 bei einem katastrophalen Dammbruch in Brasilien oder 2012 beim verheerenden Brand in einer pakistanischen Textilfabrik, als jeweils über 250 Menschen ums Leben kamen. Ursprünglich sollten Betriebe schon ab 500 Mitarbeiter und einer Umsatzschwelle von 150 Millionen Euro vom Lieferkettengesetz betroffen sein. Dieses Vorhaben wurde allerdings schon im Dezember 2023 gekippt, nachdem die deutsche Regierung dieser Regelung auf Druck der deutschen Kapitalistenverbände die Zustimmung verweigert hatte.
Auch der sowieso erst für Sommer 2027 vorgesehene Beginn wurde schon im April 2025 noch einmal um ein Jahr verschoben. Jetzt sollen die vorgesehenen Auflagen nur noch für eine Handvoll von Unternehmen gelten: Nur noch für Großkonzerne mit mehr als 5.000 Mitarbeiter und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro verpflichtend. Das sind gerade einmal noch etwa 1.500 Unternehmen in der EU. Damit fallen rund 85 Prozent der ursprünglich betroffenen etwa 10.000 Firmen aus dem Geltungsbereich. Insgesamt gibt es sogar etwa 53.000 Großunternehmen in der EU, die internationalen Handel betreiben.
Die betroffenen Firmen werden nur noch zur Überprüfung ihrer direkten Zulieferer verpflichtet. Das Gesetz verdient also nicht einmal mehr seinen Namen. Zudem sollen Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, auf EU-Ebene keiner zivilrechtlichen Haftung mehr unterliegen. Dadurch können Opfer von unmenschlichen Behandlungen bei Zulieferfirmen weiterhin nicht gegen das Hauptunternehmen in der Lieferkette klagen.
Wenn Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) verkündet: "Gleichzeitig lassen wir beim Kampf gegen Kinder- und Zwangsarbeit sowie dem Schutz vor Arbeitsausbeutung nicht nach. Das nationale Gesetz gilt nahtlos weiter, bis das EU-Lieferkettengesetz in deutsches Recht umgesetzt ist.“ Das ist wirklich beruhigend. Zumal einer der ersten „Amtshandlungen“ von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Ansage war: "Wir werden in Deutschland das nationale (Lieferketten-)Gesetz aufheben. Ich erwarte auch von der Europäischen Union, dass sie diesen Schritt nachvollzieht und diese Richtlinie wirklich aufhebt". (1)
Auch die einmal vorgesehenen Umweltschutzmaßnahmen wurden geschreddert. So soll es künftig keine Pflicht mehr geben, Handlungsstrategien für Klimaziele auszuarbeiten. Größere Unternehmen brauchen also keinen Plan mehr erstellen, wie ihr Geschäftsmodell mit dem – selbst nur völlig unzureichenden - Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar ist. Das alles entspricht den Forderungen der in Europa ansässigen internationalen Monopole. BDA (2)-Präsident Dulger sprach von einem "Meilenstein für den Bürokratieabbau".
Auch die betroffenen Zulieferer hatten Druck ausgübt. So drohte der Emir Al-Thani aus Katar der EU mehrmals mit einem Lieferstopp von Flüssiggas, falls das Lieferkettengesetz zur Eindämmung umweltschädlicher Produktion nicht drastisch gelockert wird. Das ganze Schmierentheater in den EU-Gremien bezweckte daher nichts anderes, als den internationalen Monopolen in ihrem Vernichtungskampf auf dem Weltmarkt den Rücken frei zu halten, rücksichtslos Menschenrechte und Umweltschutz mit Füßen treten zu können.
Gegen das abgewrackte Gesetz protestierten mehrere Menschenrechts- und Umweltverbände. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Jürgen Resch bezeichnete die Einigung als "Frontalangriff auf den Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima". Beide forderten die Bundesregierung auf, gegen den Vorschlag zu stimmen. In einer Petition hatten sie schon vorher gefordert: „Zeigen Sie, dass wirtschaftlicher Gewinn und Verantwortung zusammengehören.“ Die Regierung aus CDU/CSU und SPD wird sich dadurch nicht beeindrucken lassen. Hatten sie doch schon im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die Entschärfung des Lieferkettengesetzes zu unterstützen.
Eine Vereinbarkeit von wirtschaftlichem Gewinn und Verantwortung gegenüber der Menschheit ist auch eine Illusion, solange der Kapitalismus existiert. Schon Karl Marx hat nachgewiesen, warum die „Profitmacherei“ die Triebkraft der Kapitalisten ist, der sie über Leichen gehen lässt. Auf dem heutigen Stand des imperialistischen Weltsystems hat diese Logik dazu geführt, dass die Menschheit in eine latente Existenzkrise gestürzt wurde. Im Wettlauf mit der Zeit geht es um die revolutionäre Überwindung des Imperialismus!