Lage der Hebammen in Deutschland
Ihr Kinderlein kommet ...
Dieses Lied schallt derzeit über die Weihnachtsmärkte und Innenstädte. Von hartherzigen, profitgierigen Herbergswirten abgewiesen, muss Maria froh sein, ihren Sohn Jesus in einem Stall in Bethlehem auf die Welt bringen zu dürfen.
Auch im heutigen Deiutschland erleben Schwangere immer öfter, dass sie von Geburtskliniken abgewiesen werden, lange Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen oder in der Klinik auf überarbeitete, gestresste Hebammen treffen. Weil alle Lebensbereiche, auch die Geburtshilfe, immer stärker dem kapitalistischen Profitstreben untergeordnet werden, wurden zahlreiche Geburtskliniken geschlossen, verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen von Hebammen und Pflegkräften. Gab es 1991 noch 1.186 geburtshilfliche Abteilungen, sind es 2022 noch 606. Und seither gab es weitere Schließungen. (1)
Weil sie nicht so viel festangestellte Hebammen bereit halten wollen, wälzen viele Kliniken das Risiko auf freiberufliche Beleg-Hebammen ab. Sie arbeiten zwar in den Kreißsälen der Kliniken, rechnen aber direkt mit den Krankenkassen ab und tragen Beiträge für die Berufsgenossenschaft, Versicherungen und weitere Kosten selbst. Allein in NRW sind 2024 laut Verband rund 26.000 Geburten von einer Beleg-Hebamme begleitet worden. Bundesweit sind es 20% aller Geburten und in Bayern sogar 50%. (2) Sie sind besonders von der neuen Vergütungsregelung der Gesetzlichen Krankenkassen betroffen.
Diese trat am 1. November 2025, begleitet von Protesten der Hebammen, in Kraft. Die neue Regelung senkt die Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschläge von bisher 20 Prozent auf 17 Prozent. Sie hebt zwar den Stundensatz für Hebammen auf rund 74 Euro an – die erste Erhöhung nach sieben Jahren. Doch Beleghebammen erhalten lediglich 80 Prozent davon für eine 1:1-Betreuung, also rund 59 Euro. Für die zweite und dritte Frau, die sie gleichzeitig betreuen, gibt es nur noch 30 Prozent. Abgerechnet wird im Fünfminutentakt. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erklärt, damit solle erreicht werden, dass eine Hebamme nur noch eine Frau während der Geburt betreut. "Das klingt auf dem Papier sinnvoll, funktioniert in der Realität aber nicht. Denn weder die Frauen noch die Wehen halten sich an einen Zeitplan. …) Wir bräuchten pro Schicht acht Hebammen, um wirklich 1:1 zu arbeiten. (…) Wir haben eine wahnsinnig teure Haftpflichtversicherung – rund 13.000 Euro jährlich. Pro Monat müssen wir mit etwa 3.000 Euro für Versicherungen rechnen. Hinzu kommen Steuern, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, Fortbildungen, Notrufbereitschaft und nicht zuletzt: unbezahlte Rufzeiten.“, so eine Betroffene aus Hessen. (3)
"Wir können uns im wahrsten Sinne des Wortes die Ausübung unseres Jobs nicht mehr leisten.“, sagt eine der am Hebammenaktionstag protestierenden Hebammen in Erfurt. (4)
Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg sieht „ keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vergütung der Hebammen wirtschaftlich unangemessen festgesetzt worden sei“ und lehnte einen Eilantrag des Deutschen Hebammenverbands gegen die Neuregelung ab. Eine erste Auswertung der echten Leistungsabrechnungen seit dem 1. November 2025 durch die Abrechnungszentrale für Hebammen (AZV) hingegen zeigt Einkommenseinbußen von 20 Prozent bei den Beleg-Hebammen. Und das soll angemessen sein?
"Zwar ist die Zahl der Geburten, die mit einer 1:1-Betreuung begleitet wurden, um 15 Prozent gestiegen. Parallel dazu sank dennoch der Umsatz in den Teams stark. Diese Fakten widerlegen die These des GKV-Spitzenverbands, mehr Geburten in 1:1-Betreuung erhöhten die Umsätze der Beleghebammen., so der Deutschen Hebammenverband am 12.12.25. Er warnt zu Recht vor einer verschärften Unterversorgung in der Geburtshilfe. Bereits 13 der vom AZH betreuten Beleghebammen-Teams hätten gekündigt. Nach einer aktuellen Umfrage unter rund 800 der etwa 26.000 Hebammen in Deutschland denkt fast jede zweite Hebamme über die Aufgabe ihres Berufes nach. Mehr als zwei Drittel bemängeln eine unzureichende Vergütung, rund die Hälfte zu viel Bürokratie und rund ein Drittel zu hohe laufende Kosten. 63 Prozent befürchten, dass es immer schwieriger wird Mütter dabei zu unterstützen, dass sie ihre Kinder gesund und unter guten Bedingungen zur Welt bringen können, wenn immer mehr Kliniken schließen und die Geburtshilfe zunehmend zentralisiert wird. (5)
Es ist richtig für Forderungen wie eine angemessene Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen, eine kostendeckende Finanzierung der Geburtshilfe und gegen die Schließung von Kliniken zu kämpfen. Das unterstützt die MLPD von Herzen. Wir müssen aber auch weiterdenken. Was ist das für ein System, das die Geburt und das Heranwachsen zukünftiger Generationen zur Privatsache macht, die Verantwortung dafür auf die Familien abwälzt und es gleichzeitig immer schwieriger macht, diese Aufgabe zu bewältigen. Das sich eine angemessene Versorgung der Menschen von der Geburt ins Alter angeblich nicht leisten kann. Das gleichzeitig für die Zerstörung der Menschheit durch einen weiteren imperialistischen Weltkrieg Unsummen bereit stellt und die Jugend dafür opfern will? Ein solches System können wir, die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Masse der Frauen und Familien, der Jugendlichen uns nicht mehr leisten, wenn wir überhaupt noch eine Zukunft haben wollen. Und alternativlos ist dieses kapitalistische Profitsystem schon gar nicht. Die Herrschenden können sich eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, in der jeder Mensch etwas zählt von der Geburt bis ins hohe Alter nicht vorstellen – wir schon.