Leserbrief
Er war nicht einfach Opa Otto – persönliche Anmerkungen zum Tod von Rolf Becker
Den folgenden Leserbrief hat Christoph Klug an die Recklinghäuser Zeitung geschickt. Er bezieht sich auf die Berichterstattung der RZ zum Tod von Rolf Becker. Freundlicherweise hat er ihn auch für Rote Fahne News zur Verfügung gestellt:
Er war ein Kriegskind, und die Erfahrungen des Faschismus hatten seine tiefe antifaschistische Einstellung geprägt. Seine Reflexion über die Ursachen des Faschismus hatte ihn zum Marxismus geführt, weil sich „so etwas niemals mehr wiederholen darf“. Er war zu der Überzeugung gelangt, dass die Zukunft der Menschheit nur in einer sozialistischen Gesellschaft gesichert werden kann. Aus diesem Grund begann er, seine Schauspielkunst zur Verbreitung von Texten von Marx und Engels und fortschrittlich-revolutionärer Schriftsteller zu nutzen.
Unvergessen sind seine Lesungen des Kommunistischen Manifests, u.a. für die „Offene Akademie“ in Gelsenkirchen 2008, in deren Beirat er Mitglied war. Acht Jahre später, im Jahr 2016, führte er auf der Offenen Akademie die Veranstaltungsreihe „Marx und Engels – Zur Einheit von Mensch und Natur“ ein. Unvergessen auch sein literarischer „Streifzug zur Entwicklung von Geld und Kapital“ im Jahre 2011, in dem er aus Werken von Aristoteles, Shakespeare, Brecht, Heine und Karl Marx über das Geld und seine Verwandlung in Kapital vortrug. Er besaß die besondere Gabe, vermeintlich schwierige Texte nah und aktuell werden zu lassen. Wenn er mit seiner tiefen Bassstimme rezitierte, wurde es still im Saal, seine Sprache war ein Kunstwerk von großer Überzeugungskraft.
Rolf Becker nutzte seine künstlerischen Fähigkeiten auch als Brücke zur internationalen Arbeiter- und antifaschistischen Bewegung. Ein Leben lang setzte er sich für die Freilassung von Mumia Abu-Jamal ein, einem schwarzen US-Radiojournalisten aus Philadelphia, der 1982 wegen angeblichen Mordes an einem weißen Polizisten zum Tode verurteilt wurde. Er solidarisierte sich mit den Arbeitern Griechenlands in ihrem Kampf gegen die Troika und führte in Hamburg Veranstaltungen durch: „Mikis Theodorakis – Du bist Griechenland“.
Gemeinsam mit der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejerano stritt er für die Verfolgten des Naziregimes und die Rechte des palästinensischen Volkes. In einem Brief von Esther Bejerano an Rolf Becker heißt es: „… Ich wollte immer einen beschützenden Bruder haben, und so habe ich mir Dich ausgesucht. Wie viele gemeinsame Kämpfe gab es, wie viele gemeinsame Veranstaltungen? Gemeinsam streiten, gemeinsam wirken für Gerechtigkeit, gegen jedwede Ausgrenzung von Menschen, gegen die schlimme Asylpolitik in Deutschland und Europa, gegen Ausländerhass, für Völkerfreiheit, für Völkerverständigung.“ (Brief v. 18. April 2015).
Rolf Becker war die Existenzkrise der Menschheit durch den Kapitalismus bewusst. Sie bereitete ihm Sorgen, und manchmal dachte er, dass es für eine Lösung zu spät sein könne. Er blieb zeitlebens den Interessen der Arbeiter und der Jugend verbunden, war Aktivist bei ver.di Hamburg, Schirmherr eines „Internationalen Pfingstjugendtreffens“ und erhielt noch 2025 den „Rosa-Luxemburg-Preis“.
Er war kein Freund von Eitelkeit, wollte niemals „mehr sein“ als die anderen: „Bitte keine lange Vorstellung über mich – der Text ist wichtiger“, bat er zu Beginn einer Veranstaltung.
Er blieb einer von uns „unten“. In Aufrichtigkeit, Mut und Treue stand er zu den Idealen von Marx und Engels. Es ehrt ihn, dass er auch daran festhielt, als die Medienindustrie ihn auf eine „Schwarze Liste“ setzte. Bis auf die Rolle von Opa Otto Stein in der Serie „In aller Freundschaft“ war ihm der Zugang zu Engagements verwehrt.
Typisch für ihn, dass er eine Veranstaltung der Offenen Akademie 2016 in Gelsenkirchen mit einer Rede von Friedrich Engels an die Arbeiter beendete:
"Vieles steht euch noch bevor; seid standhaft, laßt euch nicht entmutigen – euer Erfolg ist gewiß, und jeder einzelne Schritt vorwärts auf dem Wege, den ihr zu gehen habt, wird unserer gemeinsamen Sache dienen, der Sache der Menschheit!“ (Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, MEW 2, S. 231).
Davon war auch Rolf Beckers Überzeugung. Und das sollte in einem Nachruf über ihn nicht fehlen.
Hier geht es zur gelungenen Dokumentation des MDR, "Rolf Becker – Der sanfte Rebell".