Revolutionäre Kräfte stärken

Revolutionäre Kräfte stärken

Interview mit Marxisten-Leninisten aus Russland und aus Belarus

Die Rote-Fahne-Redaktion konnte ein Interview führen mit Maks von der Russischen Maoistischen Partei und mit Petja, dem Vertreter einer marxistisch-leninistischen Organisation aus Belarus. ICOR und MLPD setzen sich für die Stärkung revolutionärer Kräfte in der Ukraine, Russland und Belarus ein. Wir freuen uns daher, dieses Interview veröffentlichen zu können.

Interview mit Marxisten-Leninisten aus Russland und aus Belarus
Aktivistinnen und Aktivisten der RMP demonstrieren trotz der Gefahr von sofortiger Inhaftierung und hohen Geld- wie Haftstrafen in Russland

Rote Fahne: Wie seht ihr die aktuelle Lage in Russland?

Maks: Die Situation in Russland ist heute wesentlich durch politische Verschärfung geprägt mit einem Verbot praktisch aller öffentlichen politischen Aktionen und Auftritte, einschließlich des Versuchs, die Gewerkschaften zu zerschlagen. Das hängt natürlich mit dem Krieg zusammen: Er dient dem Regime als Vorwand, die Massen um den Anführer Putin zu scharen, sowie auch für Zensur und die Abschaffung aller Rechte und Freiheiten.

 

Pjotr: Tatsächlich ist der reaktionäre Trend sehr ausgeprägt. Dazu gehört auch der ideologische Aspekt, den Krieg zu darzustellen, dass auf den ersten Blick die imperialen Ideologien anstatt des postsowjetischen Erbes zum Vorschein kommen. Das Regime versucht, das sowjetische Erbe, den Stolz auf das Jahr 1945 durch imperiale Narrative zu ersetzen, was mit einem stark klerikalen Anstrich verbunden ist. Was am Ende dabei herauskommt, ist schwer vorhersehbar. Unter anderem werden wir sehr viele Menschen haben, die den Krieg durchlebt haben und denen Putin große Vergünstigungen gewährt, damit sie sich als künftige Führer Russlands betrachten. Sie werden eine neue und starke soziale Gruppe darstellen, ähnlich den Veteranen des Afghanistan-Kriegs in der Sowjetunion. Das ist ein neues Phänomen, welches wir noch nicht einmal ansatzweise abschätzen können. Andererseits aber scheint auch Putin diese Menschen zu fürchten.

 

Maks: Denn im Grunde genommen handelt es sich dabei zum großen Teil um Vertreter sehr radikaler Ansichten oder um Kriminelle, die für den Krieg rekrutiert wurden. Ihre Rückkehr von der Front ins zivile Leben wird höchst unvorhersehbare Folgen haben, auch für das Regime. Es sind Menschen, die über Kampferfahrung aus dem Krieg verfügen. Auch wenn sie derzeit Vergünstigungen genießen, können sie sich gegen das Regime stellen und noch radikalere Handlungen begehen.

Rote Fahne: Wie bewertet ihr die aktuellen Pläne des faschistischen US-Präsidenten Trump für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine?

Maks: Ich denke, dass es für Trump ein Versuch ist, sich seinen Wählern und seiner Zielgruppe gegenüber als Friedensstifter und erfolgreicher politischer Manager zu präsentieren, der zwischenimperialistische Konflikte im Interesse der imperialistischen USA löst. Was Putin betrifft, so schätze ich, dass er alle Bestrebungen hin zu einem Verhandlungsprozess über Frieden verzögern wird. Für ihn ist der Krieg eine Bedingung für das Überleben des Regimes. Er kann nicht einfach aufhören, denn ein Kriegsende würde Putin große Probleme bereiten. Wir sehen, dass die russische Wirtschaft trotz erheblicher Schäden auf Kriegswirtschaft umgestellt wurde. Diese Schäden sind aber nicht so verheerend, wie es in den ersten Kriegsjahren der Fall war. Putin will den Krieg nicht beenden, für ihn ist er sozusagen ein Mittel der politischen Selbsterhaltung.

 

Pjotr: Klar ist, dass viele in den USA unzufrieden sind mit der Entwicklung der geopolitischen Verhältnisse. China ist infolge des Krieges zum Verbündeten Russlands geworden. Das hindert die USA daran, ihre imperialen Pläne in vielen Regionen der Welt zu verwirklichen. Wahrscheinlich liegt darin auch ein Grund für ihre Zurückhaltung. In vielerlei Hinsicht spielen natürlich auch persönliche Eigenschaften Trumps und seine Psychologie eine Rolle. Da ist dieser Wunsch, sich als Friedensstifter darzustellen, was sehr seltsam ist, da das Waffenstillstandsabkommen in Gaza jeden Tag verletzt wird. Es ist unwahrscheinlich, dass sich ein Waffenstillstand an der russisch-ukrainischen Front davon unterscheiden würde. Putin hat seine Ziele nicht erreicht, daher wird es höchstwahrscheinlich zu einer weiteren Expansion kommen. Vielleicht werden Pufferzonen geschaffen, um formal einen Waffenstillstand herzustellen. Tatsächlich wären das irgendwelche „Volksrepubliken“, die von Moskau gefördert werden. Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass in Russland die Zahl der Freiwilligen zurückgeht, weshalb nun Wehrpflichtige an die Front geschickt werden sollen. Das hätte starke Auswirkungen auf das Alltagsleben in Russland. Noch steht der Krieg im alltäglichen Leben an zweiter oder dritter Stelle. An erster Stelle stehen soziale Probleme des Überlebens, persönliche und familiäre Fragen. Aber wenn es wirklich zu Einberufungen käme, dann wäre das eine Gefahr für die innere Stabilität. Man sich vorstellen, dass es wieder zu einer Massenflucht käme. Deshalb wird für Putin vielleicht ein taktischer Waffenstillstand notwendig. Aber das bedeutet nicht, dass damit der Krieg vorbei wäre.

Rote Fahne: Vor welchen Herausforderungen steht heute die linke revolutionäre Bewegung in Russland und Belarus?

Maks: Ein Hauptproblem für die revolutionäre und kommunistische Bewegung in Russland ist die KPRF (Kommunistische Partei der Russischen Föderation), die in das Putin-Regime und seine Struktur eingebunden ist. Sie bezeichnet sich selbst als kommunistisch, unterstützt aber eine militaristische, imperialistische Politik. Dadurch diskreditiert sie sich natürlich nicht nur selbst, sondern auch die Kommunisten und die linke Bewegung im Allgemeinen. Viele setzen die Kommunisten und die KPRF gleich. Das ist natürlich eine gesetzmäßige Folge des sowjetischen Revisionismus und Sozialimperialismus. Und trotzdem gibt es sogar an der Basis der KPRF Aktivisten, die sich aufgrund fehlender Alternativen an Protest- und Volksinitiativen beteiligen. Es handelt sich dabei größtenteils um Linke, vor allem Jugendliche. Und natürlich stellen die Versuche des Regimes, alle unabhängigen politischen Aktivitäten zu zerschlagen, eine große Herausforderung für die linke Bewegung dar. Man muss seine Arbeit so durchführen, dass man nicht in Gefahr gerät.

 

Pjotr: Ich stimme Maks zu, dass die politischen Repressionen die wichtigste Herausforderung für die linke Bewegung darstellen. Die Aufgabe der Bewegung besteht aber vor allem darin, die Arbeit so durchzuführen, dass wir Teil des gesellschaftlichen politischen Prozesses werden. Es gibt immer irgendwelche Initiativen, angefangen bei einfachen Umweltprotesten und Arbeitskonflikten, an denen man sich beteiligen kann. Ich möchte nicht, dass wir zur Zeit der Perestrojka zurückkehren, als es überhaupt keine marxistisch-leninistische Bewegung in Russland gab, als alles von Null aus wieder aufgebaut werden musste. Das wäre natürlich das Schlimmste. Deshalb ist der Erhalt einer aktiven Kraft, die die Situation analysiert und ein Subjekt des gesellschaftlichen politischen Prozesses in Russland, Belarus und wahrscheinlich auch in der Ukraine darstellt, eine schwierige, aber wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe.

 

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für euch und euren wichtigen Kampf!