Inflation
Preise steigen „moderat“ – nicht der Rede wert?
„Preisanstieg bei Lebensmitteln vorerst gebremst“ verkündete die Tagesschau Ende November. Überall wird nun in den Massenmedien erklärt, die Verbraucher in Deutschland könnten etwas aufatmen. Denn die Lebensmittelpreise seien nur noch um 1,2 Prozent gestiegen.
Allerdings kommen sie nicht umhin festzustellen, dass monatelang vorher im Supermarkt der Einkauf immer teurer wurde. Die Preise für Dienstleistungen wurden zudem im November um 3,5 Prozent wieder deutlich teurer.
Insgesamt betrug die offizielle Inflationsrate im November 2,3 Prozent. So stark sind die Preise also insgesamt gegenüber November 2024 gestiegen. Das klingt ziemlich moderat und deshalb kommt die Inflation kaum noch in die Schlagzeilen. Allerdings ist das eine trügerische Ruhe. Denn wir müssen die Preissteigerungen nicht nur mit dem Vorjahresmonat vergleichen, sondern über mehrere Jahre hinweg, weil sie aufeinander aufbauen. Diese so genannten kumulierten (angehäuften) Inflationsraten und ihre Verhältnis zu der Entwicklung der Löhne geben uns erst Aufschluss darüber, wie sich unsere Kaufkraft real verändert hat.
Seit Anfang 2020 sind die Preise offiziell um insgesamt 22,3 Prozent gestiegen. In dem zur Berechnungsgrundlage genommenen „Warenkorb“ des Statistischen Bundesamtes wird aber von einem „Durchschnittsmenschen“ ausgegangen. In diesen Durchschnitt werden aber sämtliche Milliardäre, Millionäre und Großverdiener mit eingerechnet, die zusammen mehr als 60 Prozent des Vermögens der gesamten Bevölkerung besitzen.
Wer aber gibt wie der „Durchschnittsmensch“ nur 12 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel und 26 Prozent für Wohnkosten aus? Für die Masse der Arbeiter / Arbeiterinnen und kleinen Angestellten liegen die Kosten für Lebensmittel bei etwa 30 Prozent (1) und für Mieten bei etwa 35 Prozent ihres Einkommens. Außerdem stiegen seit 2020 solch wichtige Preise wie z.B. bei KFZ-Versicherungen um über 50 Prozent, bei Restaurantbesuchen um 26 Prozent, beim Friseur um 24 Prozent, bei den Gaspreisen um 100 Prozent und bei den Benzinpreisen um 40 Prozent.
Je niedriger das Einkommen, umso mehr muss man davon für Lebenshaltungskosten und Wohnen ausgeben. Der Anteil der für die Masse der Bevölkerung besonders wichtigen Waren wird im Warenkorb der Statistiker also viel zu niedrig angesetzt. Daher muss unsereiner in Wirklichkeit seit 2020 insgesamt von Preissteigerungen um die 35 Prozent ausgehen. „Die Methode der Durchschnittspreisentwicklung verharmlost also einschneidend das tatsächliche Ausmaß des absoluten Einkommensverlusts der Massen durch die Inflation.“ (2)
Gleichen wachsende Reallöhne die Preissteigerungen aus?
Dagegen wird in der Tagesschau eingewendet: „Deutlich gestiegen ist dagegen die Kaufkraft: Im dritten Quartal entwickelten sich die Reallöhne, also die Bruttolöhne abzüglich der Inflationsrate, deutlich stärker als die allgemeine Teuerungsrate. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen sie um 2,7 Prozent - der höchste Zuwachs im laufenden Jahr.“ Auch hier wird wieder nur die kurzfristige Entwicklung beachtet. Tatsächlich sind die Reallöhne (d.h. die Nettolöhne abzüglich der offiziellen Inflationsrate) nach einem starken Einbruch 2020 / 2021 so gestiegen, dass sie wieder das Niveau von 2019 erreicht haben. Damit liegen sie aber für die breite Masse der Bevölkerung um etwa 15 Prozent unter den tatsächlichen Preissteigerungen. Beschäftigte, die nicht nach Tarif bezahlt werden, verdienen zudem gut 15 Prozent weniger gegenüber den Löhnen in tarifgebundenen Betrieben. Und bei Niedrigstlöhnern und Erwerbslosen schlagen die Preissteigerungen noch einmal deutlich mehr ins Kontor.
Ein trügerisches Kontrastprogramm
Geradezu als Kontrastprogramm dazu wurde in letzter Zeit in den Massenmedien ein Riesen-Bohei um Black-Week- bzw. Black-Friday-Angebote veranstaltet. Damit könnte man viel Geld sparen. In Wirklichkeit versprechen sie viel, sind aber oft genug Augenwischerei. Der Sonderpreis wird dabei der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) des Herstellers gegenübergestellt. Die meist sehr hoch angesetzte UVP verlangt aber kaum ein Händler. Angebliche Rabatte von 50 Prozent schmelzen dann schnell dahin. Das Fazit einer Analyse der ZDF-Sendung WISO lautete: „Ein Tag, der günstige Preise verspricht, sie aber nicht bietet“. Zudem gibt man dabei oft mehr für Sachen aus, die man sonst gar nicht gekauft hätte.
Inflation ist nicht „natürlich“
Tatsächlich ist jede Inflation für die Verbraucher mit einem Verlust an Kaufkraft verbunden. Durch die Inflation verschaffen sich in Wirklichkeit die Kapitalisten ständig neue Extra-Profite, weil die Tariflöhne erst im Nachhinein steigen – und das meist nicht im gleiche Maße. Für alle anderen Beschäftigten fallen die Löhne dadurch außerdem immer weiter hinter die Preissteigerungen zurück. Es ist auch überhaupt nicht einzusehen, warum Preissteigerungen normal sein sollen. Die Arbeitsproduktivität in Deutschland ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Der Umsatz pro Beschäftigten in der Industrie hat sich z.B. von 298 Tausend Euro im Jahr 2020 auf 388 Tausend Euro im Jahr 2024 erhöht. Die produzierten Waren müssten also eigentlich billiger werden. Erst in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, in der nicht der Profit sondern der Mensch im Mittelpunkt steht, wird aber die steigende Arbeitsproduktivität für die arbeitende Bevölkerung auch wachsendes Einkommen bringen.
Die eigene Rechnung aufmachen
Statt den Taschenspielertricks der bürgerlichen Statistiker zu vertrauen, ist also Klarheit und Durchblick ausgehend von den realen Lebensumständen der arbeitenden Bevölkerung und auch der Erwerbslosen notwendig. Wir müssen daher unsere eigene Rechnung aufmachen und entsprechend konsequent den Kampf um höhere Löhne führen. Dabei wies schon Karl Marx auch auf die Beschränktheit des Lohnkampfes hin, der die Ausbeutung selbst nicht beseitigen kann. Er rief daher dazu auf, nicht der Illusion von „gerechten Löhnen“ zu folgen, sondern der revolutionären Losung: „Nieder mit dem Lohnsystem!"