Brutalen Bedingungen getrotzt
Dr. Ahmad Mohanna von Al Awda berichtet über 19 Monate Haft in israelischen Gefängnissen
Die palästinensische Autonomie-Behörde zahlt einigen Palästinenserinnen und Palästinensern, die in einem der brutalen israelischen Gefängnisse inhaftiert waren, ein Schmerzensgeld. Daraufhin geifert die israelische Regierung: Ungeheuerlich, inhaftiert sind in diesen Gefängnissen nur Terroristen!
Ungeheuerlich ist nicht das bisschen Schmerzensgeld, das auch nur manche bekommen. Ungeheuerlich ist die Behauptung der israelischen Regierung. Und ungeheuerlich sind die Festnahmen der Palästinenserinnen und Palästinenser und die menschenunwürdigen Haftbedingungen, denen sie in israelischen Gefängnissen ausgesetzt sind.
Einer der selbstlosesten Menschen im Einsatz für den palästinensischen Überlebens- und Befreiungskampf wurde am 28. November aus einem solchen Gefängnis freigelassen: Dr. Ahmad Mohanna vom palästinensischen Gesundheitsnetzwerk Al Awda (Rote Fahne News berichtete). Anfang Dezember konnten Monika Gärtner-Engel und einige ihrer Mitstreiterinnen und -streiter in einem Videocall mit Dr. Ahmad Mohanna sprechen. Mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis dokumentieren wir aus der Mitschrift seinen Bericht über die Haft. Wie brutal die israelische Regierung mit ihm und anderen Häftlingen umging und mit welcher Würde er den den Bedingungen trotzte - das muss die Öffentlichkeit erfahren!
Großer Dank für Solidarität
Dr. Ahmad Mohanna bedankt sich persönlich bei Monika Gärtner-Engel und bei allen solidarischen Menschen in dieser großen Katastrophe, der die Palästinenser und Palästinenserinnen seit der israelischen Aggression ausgesetzt sind. Seine Erfahrung im Gefängnis war sehr lang und bitter. Er war ein Jahr und zehn Monate im Gefängnis. Um alle Details zu berichten, würde er Tage brauchen. Deshalb fasste er das Wichtigste zusammen.
Seine Tortur hat angefangen am 17. Dezember 2023. Eine große Besatzungstruppe hat damals das Al Awda-Krankenhaus attackiert. Sie haben sie gezwungen, fast nackt draußen in der Kälte zu stehen. Obwohl die israelischen Truppen wissen, dass das Al Awda-Krankenhaus ein ziviles Krankenhaus ist, das nicht staatlich ist und dort v.a. Frauen und Kinder behandelt werden. Sie haben von ihm verlangt, das Krankenhaus zu evakuieren. Das hat er immer verweigert, weil es so viele Verwundete in Gaza gibt. Im Norden Gazas gibt es kein anderes Krankenhaus mehr, wo die Leute noch hin könnten. Er war zu der Zeit der Manager aller Krankenhäuser des Al Awda Gesundheitsnetzwerks.
24 Tage mit gefesselten Händen
Die israelischen Truppen haben ohne Anlass vier Gruppen von Mitarbeitern verhaftet. Darunter war auch er. Sie haben ihn in das Sde Teiman-Gefängnis gebracht. Das hat einen sehr schlimmen Ruf. 24 Tage haben sie ihn mit gefesselten Händen und verbundenen Augen festgehalten. In diesem Gefängnis wurde er physisch und psychisch gefoltert.
Die israelischen Soldaten haben versucht, unseren Widerstandswillen zu brechen. Sie haben uns immer zusammengeschlagen, Hunde auf uns gehetzt. Die haben uns nur winzige Portionen an Essen gegeben, die nicht mal für ein fünfjähriges Kind reichen würden.
Sie hatten nur sehr leichte Kleidung und nur ganz dünne Matratzen auf Asphaltboden. Sie hatten immer nur eine kleine Decke. Die Nacht war immer sehr kalt und lang, denn das Gefängnis liegt in der Wüste und dort fällt die Temperatur nachts unter 0 Grad. Sie haben sie gezwungen, 15 Stunden auf den Knien zu sitzen, ohne Pause. Das hat Spuren hinterlassen, bis heute habe ich Schmerzen in den Knien. Ich wurde körperlich angegriffen und mir wurden zwei Rippen gebrochen. Das war sehr schmerzhaft, ich konnte nicht atmen. Ich habe kein Schmerzmittel bekommen, obwohl ich darum gebeten habe.
Winzige Essensportionen
Danach wurde er ins Negev-Naqab Gefängnis transportiert. Das Gefängnis liegt im Herzen der Wüste, das Klima ist nachts unheimlich kalt und tagsüber sehr heiß. Sie haben während der ersten Monate nur so wenig Essen bekommen, dass die meisten Gefangenen und auch er ca. 30 kg an Gewicht verloren haben. Es gibt keine Duschen, keine Hygienemittel. Sie hatten sieben Monate lang die gleichen Kleider an.
Sie waren 40 Gefangene in einem Zelt, das nicht mehr als 50 Quadratmeter Fläche hatte. Dieses Zelt war kaputt, im Winter lief das Wasser einfach rein, während sie geschlafen haben. Sie haben sie immer nachts angegriffen, mit Hunden, Handgranaten, physisch geschlagen, beschimpft. Die Gesundheitsversorgung wurde völlig verweigert. Er hat zwei Kollegen verloren, weil sie nicht medizinisch versorgt wurden. In allen Sektionen sind Dutzende verstorben. Sogar an dem Tag, als ihre Entlassung beschlossen wurde und das Rote Kreuz Komitee draußen war, wurden sie immer noch misshandelt. Dieser Tag war sogar einer der schlimmsten.
Kein Sport, keine Vorlesungen - alles verboten
Im Gefängnis haben sie große Poster von Gaza aufgehängt, von den Städten und Straßen, die komplett zerstört sind und den Leichen. Sie haben drauf geschrieben „das neue Gaza“. Manchmal haben sie im Essen Zigarettenkippen und Insekten gefunden. Das Essen war auch nicht gut gekocht. Das hatte zur Folge, dass viele Magen-Darm-Probleme bekommen haben, wie anhaltende Verstopfung und Hämorrhiden, was man hätte operieren müssen. Die israelischen Gefängniswärter haben in den Zelten Kameras angebracht und den Gefangenen verboten, irgendwas zu machen. Sport, Unterhaltung, Vorlesungen, alles war verboten. Da war komplette Nachrichtensperre. Sie wussten nichts, was in Gaza passiert, auch nicht, was mit ihren Familien ist. Und auch die Menschen in Gaza wussten nicht, was mit ihnen passiert ist. Es gäbe noch unendlich viel mehr zu erzählen ...
Großer Resepkt, großer Dank
Monika Gärtner-Engel drückt im Namen der vielen solidarischen Menschen in Deutschland Dr Ahmad Mohanna ihren großen, großen Respekt dafür aus, dass und wie er das durchgehalten hat. Im Videocall sagt sie: "Wir haben von euch gehört und das bekannt gemacht. Wir hatten ein Musikfestival, da haben Jugendliche den Festivalbesuchern ein Foto von Ihnen gezeigt und ihn als Vorbild bei den Jugendlichen in Deutschland bekannt gemacht. Aber wir wussten nicht, ob Sie und andere noch leben. Wir haben uns so sehr gefreut, als Sie freigelassen wurden. Wir haben das gefeiert."
Dr Ahmad Mohanna bedankt sich in seinem Namen und aller Menschen in Gaza für das Mitgefühl. Das trifft ihn und seine Freunde und Kollegen tief im Herzen. "Während der Gefängniszeit hat mich getröstet, dass wir so lange im Krankenhaus geblieben sind, dass wir bis zum Ende geblieben sind und so viele Leben gerettet haben, egal wie gefährlich es war."