Wider Lügen und Hetze

Wider Lügen und Hetze

Wer ist hier gewaltbereit?! Fünf Fake-News über Gießen widerlegt

Nicht genug damit, dass die Gründung einer neuen faschistischen Jugendorganisation in Deutschland überhaupt zugelassen wurde. Der berechtigte und breite antifaschistische Protest wird im Nachgang massiv durch Regierungspolitiker und bürgerliche Medien in den Dreck gezogen. Erschreckend daran ist auch, wie wortgleich sie mit Spitzenpolitikern der AfD ins selbe Horn blasen. Rote Fahne News geht den Fake News nach.

Von lg/kg
Wer ist hier gewaltbereit?! Fünf Fake-News über Gießen widerlegt
Foto: CC BY-SA 4.0 @santiago_rodriguez_photography

1. Die Lüge von den gewaltbereiten Antifaschisten und den braven Faschisten

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel spricht in Bezug auf die antifaschistischen Proteste „von einer Gewaltbereitschaft, vor der man sich regelrecht fürchten muss.“ (dpa-Meldung, die am 29. November auf t-online veröffentlicht wurde). Jens Spahn, immerhin Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, setzt bei Caren Miosga am 30.11. einen obendrauf und schildert die Lage in Gießen folgendermaßen: „Linker Mob auf der Straße, extreme Rechte im Saal“. Die Bezeichnung „linker Mob“ für zehntausende demokratisch gesinnte Kämpfer und Kämpferinnen gegen den Faschismus entspricht selbst schon einem reaktionären Vokabular. Gleichzeitig verharmlost Spahn die Faschisten, wenn diese sich angeblich nur brav im Saal aufgehalten hätten.

 

Dass sich im Saal das Who is Who der faschistischen Szene befand, das ist für Spahn nicht weiter der Rede wert. Dabei waren Björn Höcke, der in Hitler auch das Gute sehen will; Matthias Helferich, der sich als das freundliche Gesicht des NS bezeichnete oder der Chef-Demagoge Götz Kubitschek. Da werden Aufkleber und Plakate verkauft, die zu millionenfacher "Remigration" auffordern. Unter Applaus wird von Patrick Heinz aus NRW gefordert, dass „Deutschland den Deutschen gehören“ solle. Da werden Leitsätze der Hitlerjugend zum Motto der neuen Organisation auserkoren. Vom neuen Vorsitzenden Hohm wird explizit der Schulterschluss mit allen faschistischen Gruppierungen des sogenannten „Vorfelds“ gesucht. Ein guter Teil der Delegierten trägt Hitler-Scheitel.

 

Ihre Gewaltbereitschaft gegen Kommunisten, andere Linke, Gewerkschafter und Migranten haben viele der Delegierten in der Vergangenheit zuhauf unter Beweis gestellt. Doch Spahn und Innenminister Dobrindt machen sich wissentlich zum Helfer und Wegbereiter faschistischer Wortwahl und Parolen, wenn sie die Kritik an den Antifaschisten hervorkehren, während sie am Gruselkabinett in den Messehallen wenig zu bemängeln haben. Peter Weispfenning kritisierte am offenen Mikrofon in Gießen die Politik der neuen AfD-Jugend. Daraufhin kommentierte ein Faschist mit dem Namen „aki-leonardo-Vivaldi“: „Da hilft nur scharfe Munition vonseiten der Polizei und feste drauf schlagen und totschlagen, diese linken aggressiven Terroristen.“ Zuerst Sprüche von linkem Mob, dann entsprechende Taten?

 

Nun zur Frage der Gewaltbereitschaft der Antifaschisten: Noch am Montag früh berichtete Polizeipräsident Krückemeier, dass es 10-20 leicht verletzte Beamte gebe. Innenminister Posek spricht wenige Stunden später plötzlich von 50 leicht Verletzten (von 6.000 Anwesenden). Selbst angenommen, die Verletzung eines Polizisten geht auf ein aggressives Verhalten von zwei Demonstranten zurück, so entspräche das einem gewalttätigen Verhalten von 0,002 % der 50.000 Demonstranten. Selbst angenommen, die 50 Beamten wurden durch Fremdeinwirkung verletzt, so bedenke man: Beim Münchner Oktoberfest gab es ca. 50 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten pro Tag. Doch von einem „bayerischen Mob auf der Wiesn“ ward bisher noch in keiner Bildzeitung gelesen. Ergo: Die Demonstrationen und Blockaden am Samstag waren von der übergroßen Mehrheit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen überaus diszipliniert, solidarisch und friedlich. Der Mythos der gewaltbereiten Antifaschisten von Gießen ist eine plumpe, zweckmotivierte Erfindung.

2. Die Lüge von den bezahlten Demonstranten

Anhaltend setzen Faschisten in den SocialMedia das Gerücht in die Welt, dass die Antifaschisten ihre Demo-Teilnahmen vom Staat bezahlt bekommen. Davor scheuen sie auch nicht offene Fälschungen: Das beiliegende Dokument bezüglich der Wahl am 1. September 2024 wurde am vergangenen Wochenende wieder breit gestreut. Das gefälschte Dokument behauptet, es gäbe eine »Antifa UG«, als ein »Unternehmen der Antifa Holding company«, die ein Drücken des AfD-Anteils auf unter 10% durch Verschwindenlassen von AfD-Stimmen angeblich mit bis zu 83.232.584,94€ honorieren würde.

 

Wohl ein selten plump gefälschtes Dokument, das aber millionenfach verbreitet wird, bis viele der Lüge von der staatsfinanzierten Antifa Glauben schenken. Folglich besteht die Antifa wohl nur noch aus Millionären?! Noch absurder werden die Social Media-Lügen, wenn gar die CSU angeblich die Antifa finanzieren solle! Jeder, der schon mal auf einer Antifa-Demo war, kann nur den Kopf schütteln.

Plumpe Fälschung
Plumpe Fälschung

Hier das plump gefälschte Dokument, das aber millionenfach verbreitet wird, bis viele der Lüge von der staatsfinanzierten Antifa Glauben schenken. Folglich besteht die Antifa wohl nur noch aus Millionären?! Noch absurder werden die Social Media-Lügen, wenn gar die CSU angeblich die Antifa finanzieren solle!

 

Ein entsprechender Kommentar bezüglich der angeblich fremdfinanzierten Busfahrten nach Gießen auf dem Instagram-Kanal der MLPD wird von vielen Antifaschisten postwendend beantwortet: „Ich habe 65 € für das Bus-Ticket bezahlt“ oder: „Bei uns haben wir vorher Spenden gesammelt und das Ticket hat 30€ gekostet“ usw.usf. Da faschistische Bots der deutschen Rechtschreibung häufig nicht mächtig sind, fragt einer nur zurück: „Was sind Buse?“

3. Dank an die friedliche Polizei?

Hessens CDU-Innenminister Poseck lobt den Polizeieinsatz mit mehr als 6000 Polizisten in Gießen als „professionell und verhältnismäßig.“ Dieser Herr Poseck meint auch zu wissen: „Ohne die Polizei wäre es in Gießen zu schwersten Gewalttaten und bürgerkriegsähnlichen Zuständen gekommen“. Das ist massive und bewusste Hetze, um den Protest zu diffamieren. Es war im Gegenteil der Polizeieinsatz, der eine neue Qualität hatte und einer Bürgerkriegsübung gleich kam. Denn es waren die engagierten Demonstranten, die angesichts der massiven Polizeigewalt von Wasserwerfern, Schlagstöcken, Polizeihubschraubern, Drohnen und Pfefferpray ruhig, besonnen und völlig zu Recht protestierten. CSU-Innenminister Dobrindt stößt ins gleiche Horn: „Größten Respekt vor den Polizistinnen und Polizisten“.

 

Dabei berichtet eine Sprecherin des Universitätsklinikums in Gießen von schweren Verletzungen wie Kopfplatzwunden und einem gebrochenen Nasenbein. Der Landkreis Gießen berichtet nach einem ersten Eindruck von 36 Demonstrierenden, die medizinisch versorgt werden mussten. An das Legal-Team haben sich viele Demonstranten wegen traumatisierenden Erlebnissen mit der Polizei gewendet. Einen Eindruck von den friedlichen Demonstranten und dem provokativ-aggressiven Verhalten der Polizeihundertschaft aus Nordrhein-Westfalen in Gießen kann sich jeder selbst machen in folgendem Video auf derm Youtube-Kanal von Jörg Weidemann, der selbst in Gießen dabei war: https://www.youtube.com/shorts/kZtTgaLAr2w

4. Gießen soll brennen? Gießen soll blühen!

Tagelang wurde versucht, die Gießener Bevölkerung mit falschen Behauptungen vor den angeblich zu erwartenden Krawallen in Panik zu versetzen. „Wir wollen die Stadt Gießen zum Brennen bringen“ wurde die Antifa in rechten Online-Diensten zitiert. Auch Innenminister Poseck bezog sich auf den anonymen Aufruf der Schweizer Internetseite „Barrikade“, der angeblich über Indymedia geteilt wurde. Ein anonymes Schreiben kann von jedem kommen, man fragt sich allerdings, wer kann ein Interesse daran haben, einen Keil zwischen die Proteste und die Bürger Gießens zu treiben?! Das riecht nach einem erfundenen Dokument von Geheimdienst oder Faschisten. Denn von den Organisatoren von Widersetzen und den anderen offiziellen Aufrufern zur Demo war an solche Sprüche nie zu denken. Im Gegenteil veröffentlichte Indymedia eine Erklärung, die da hieß: „Gießen soll nicht brennen, sondern blühen!“ Und selbst Gießens Oberbürgermeister Becher von der SPD sagte: „Gießen hat nicht gebrannt, sondern geleuchtet – durch die vielen Augen derer, die … ihrer Sorge vor einem Rechtsruck Ausdruck verliehen haben.“ Gelungen ist die Spaltung nicht, aber es zeigt die Methode, mit der hier die gewaltigen und wachsenden Protestbewegungen diffamiert werden sollen.

5. Von toten Pferden und kaputten Fensterscheiben

Allerlei weitere Lügen kursieren im Netz. Bis in die bürgerlichen Printmedien hat es die story geschafft, dass Antifaschisten ein Polizeipferd verletzt hätten – doch selbst die Tagesschau distanziert sich nun von einer dpa-Meldung. Viral geht auch die Geschichte über die eingeschlagene Autofensterscheibe eines AFD-Jugend-Delegierten. Die Vorgeschichte wird verschwiegen: Die Blockade öffnete selbstverständlich ihre Reihen, als ein Krankenwagen anfuhr. Doch ein SUV fuhr mit vollem Tempo hinterher, versuchte die Lücke zu nutzen und obwohl sich die Blockade bereits wieder schloss nahm er keine Rücksicht auf die vor ihm stehenden Menschen. So wird es noch viele Geschichten zu erzählen geben.

 

Die an die 50.000 Demonstranten und viele Gießener teilen die Meinung: Der Tag war ein voller Erfolg - Nie wieder Faschismus! Die AfD und ihre neue Jugendorganisation müssen verboten werden!