Hetzkampagne empört

Hetzkampagne empört

Antisemitismuskeule nutzt sich ab: Sophie von der Tann erhält Solidarität und Hanns-Joachim-Friedrich-Preis

Der Hanns-Joachim-Friedrich-Preis ist eine renommierte Auszeichnung für besonders gute journalistische Leistungen. Am Donnerstag abend wurden die beiden ARD-Journalistinnen Sophie von der Tann (Studio Tel Aviv) und Katharina Willinger (Studio Istanbul) auf großer Bühne des WDR-Funkhaus in Köln damit geehrt.

Von gis
Antisemitismuskeule nutzt sich ab: Sophie von der Tann erhält Solidarität und Hanns-Joachim-Friedrich-Preis
ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann bei ihrer Arbeit (Foto: Reporter ohne Grenzen)

Der Applaus galt nicht nur den beiden kompetenten und mutigen Journalistinnen, sondern zu Recht auch der Jury und sogar der ARD: Sie alle waren vor einer beispiellosen Hetzkampagne nicht eingeknickt. Noch kurz vor der Preisverleihung versammelte sich vor dem Funkhaus ein Häuflein reaktionärer Scharfmacher und geifert: "Ist die ARD die Pressestelle der Hamas?"

 

Der Großteil der Diffamierungskampagne gegen Sophie von der Tann im Vorfeld hatte sich nicht auf der Straße, sondern in bürgerlichen Massenmedien abgespielt. Befeuert von israelischen Zionisten, "Antideutschen" in Deutschland, Antisemitismusbeauftragten mit falschem Verständnis ihrer Aufgabe und anderen trat die Springerpresse die Hetze los. Aber auch Süddeutsche und FAZ entblödeten sich nicht, gegen die Journalistin die Antisemitismuskeule zu schwingen. Die Ehrung sei »nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig«, befand die »Jüdische Allgemeine«. Von der Tann sei »das Gesicht vom neu-deutschen Juden- und Israelhass«, schrieb der deutsch-israelische Reserve-Armeesprecher Arye Shalicar. Zuvor hatte Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, ihr schon geraten, »wenn sie lieber Aktivistin wäre, sollte sie den Job wechseln«.

Frau von der Tann war ins Fadenkreuz zionistischer Jäger geraten

In Wahrheit - und so würdigte es auch die Jury - waren ihre Beiträge zur Nahost-Berichterstattung sachlich und kompetent. Sie berichtete über den 7. Oktober, über den grausamen Gazakrieg der israelischen Armee, über innenpolitische Widersprüche in Israel. Es stimmt einfach nicht, dass sie das Leid von Israelis, die Opfer des Massakers vom 7. Oktober und die Angst der Menschen in Tel Aviv vor Raketenangriffen in ihrer Berichterstattung ausgespart hat. Sie selbst berichtet, dass sie unmittelbar nach dem 7. Okober 2023 entsetzt war beim Besuch zerstörter Kibbuzim an der Grenze zum Gazastreifen. Aber sie machte kein Hehl daraus, dass das unermesslich große Leid der Palästinserinnen und Palästinenser und ihr unerschütterlicher Überlebens- und Freiheitskampf sie tief berührt. Und so konnte sie die angebliche "deutsche Staatsräson" an einer Nahtstelle des Weltgeschehens nicht mitmachen. Sie bezeichnete den Gazakrieg nicht als Selbstverteidigung Israels und Kritik an der barbarischen israelischen Kriegsführung nicht als Antisemitismus. Privat hat sie einen Social-Media-Beitrag geteilt, der Gazakrieg trüge "vonseiten Israels Züge eines Genozid". Und Ludwig Spaenle will bei einem Besuch in Tel Aviv gehört haben, dass sie "den 7. Oktober relativiert" habe. Ab da setzte ihre gnadenlose Verfolgung ein. Sie selbst dementiert, was sie laut Spaenle gesagt haben soll.

 

Ein Rote Fahne News-Korrespondent schreibt: "Man spürt bei ihrer Berichterstattung, bei der sie sich an Richtlinien der ARD halten muss, immer wieder ihre Verurteilung der Verbrechen der israelischen Regierung und Armee. In Kurzstellungnahmen z.B. in den Tagesthemen stellt sie in der Regel beides dar: Erklärungen und Rechtfertigungen der israelischen Regierungen und Kritiken aus der israelischen Bevölkerung und NGO’s. Mit dem Vorwurf der Parteilichkeit zeigen die zionistische Regierung und ihr Sprachrohr Herr Prosor, dass deren Rechtfertigungen keine Kritik aushalten können."

Drahtzieher: Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor

Ron Prosor gebärdet sich nicht als ultrareaktionärer Zionist. Zarte Kritik wie sie der deutsche Bundeskanzler an Netanjahu vorgebracht hat, duldet er oder teilt sie sogar. Und dass israelische Soldaten Befehl hatten, Palästinenser bei der Lebensmittelverteilung zu erschießen, müsse beendet werden. Aber er lässt sein diplomatisches Netzwerk spielen, um Israelkritiker subtil mundtot zu machen. Ins Visier von Prosor geriet zum Beispiel Meron Mendel, Leiter der Anne-Frank-Gedenkstätte. Er hatte die indonesische Künstlergruppe Ruangrupa unterstützt, die bei der documenta vor einigen Jahren mit Antisemitismusvorwürfen überzogen worden war. mit der Antisemitismuskeule gedroschen wurde. Daraufhin bezeichnete Prosor Mendel als antisemitischen Juden und diffamiert ihn bis heute als solchen. Ähnlich erging es dem Leiter der Buchenwald-Gedenkstätte Jens-Christian Wagner. Ihn nötigte Prosor, den kritischen jüdischen Philosophen Omri Boehm als Redner auszuladen und sagte, dass er stolz darauf sei. Er käme sonst nicht zur Gedenkveranstaltung, was einen Skandal auslösen wurde. Wagner lud Boehm zähneknirschend aus und Prosor kam. Die Masche ist immer die gleiche: Kritik an Israel sei Relativierung des Holocaust und sei "linker Antisemitismus". Natürlich bleibt solcherlei Positionierung des Botschafters nicht ohne gesellschaftliche Wirkung und schädigt den Ruf der Betroffenen.

Die Antisemitismuskeule verliert an Wirkung

Sogar WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn stellte sich hinter Sophie von der Tann: "Die Kritik ist maßlos und unsachlich, sie hat auch keine Belege. Sie will einschüchtern. Das lassen wir uns nicht gefallen." Beachtlich für den bürgerlichen Kulturbetrieb. Mitglieder der Jury des Preises äußerten sich ähnlich, so Claus Kleber: „Wir haben sie ausgezeichnet, weil sie unter schwierigen Bedingungen eine professionelle, aufrechte und ehrliche Arbeit abgeliefert hat und weil sie im Hagel der Kritik ihre Ruhe bewahrt.“ Die Realität des Völkermords an den Palästinensern geht auch an Medeinschaffenden nicht spurlos vorbei. Umgehend initiierten Kolleginnen und Kollegen von Sophie von der Tann einen offenen Brief und positionierten sich gegen die Diffamierungskampagne.

 

Die Antisemitismuskeule funktioniert nicht mehr richtig. Grundlage dafür ist die veränderte Stimmung im Land. Die weltweit wachsende Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Überlebens- und Befreiungskampf, die die Waffenruhe erkämpft hat, straft die primitive zionistische Hetze Lügen. Was etablierte bürgerliche Blätter nicht daran hindert, zwei Tage nach der Preisverleihung an Sophie von der Tann wieder loszulegen ...