Buch von Gabor Steingart
Systemversagen – seine Ökonomen eingeschlossen
„Systemversagen. Aufstieg und Fall einer großártigen Wirtschaftsnation“ heißt das jüngste 560 Seiten starke Buch von Gabor Steingart (1). Carsten Linnemann (CDU-Generalsekretär) pries es bei der Vorstellung am 12. November gar als „Betriebsanleitung für den Wiederaufstieg einer großartigen Wirtschaftsnation“ an.
Die Vorabveröffentlichung im „Stern“ Nr. 47 vom 13. November lockte mit dem Titel „So klappt der Aufschwung“. Doch die Besprechung des Buches liefert am Ende „kein Gefühl der Hoffnung und des Aufschwungs“, sondern der Unwissenschaftlichkeit der bürgerlichen Ökonomen: „Den Niedergang kann Steingart treffend beschreiben, Wege aus der Krise hat er jedoch nicht zu bieten“ (Timo Pache). (2)
Der mit dem Helmut-Schmidt-Journalistenpreis als ein „herausragendes Beispiel für kritischen Wirtschafts- und Verbraucherjournalismus“ ausgezeichnete Steingart war immer Reiz- oder Neidobjekt für seine Berufskollegen. In der FAZ liest man , was ihn für Zeitungskolummnen oder als Entertainer in Talk-Shows so quotenträchtig macht: „Steingart schreibt stets mit dem Vorschlaghammer,“ (Steinzeitkeil trifft Tablet!) “er übertreibt maßlos, überzieht gezielt und ohne Gnade, macht keine Gefangenen und kein Hehl daraus, dass er sich für wichtig hält“. (Michael Hanfeld)
Seine Methode bewertet Thomas Knüwer als „Behauptungsjournalismus“. Damit kann Steingart natürlich keinerlei wissenschaftlichem Anspruch genügen, was auch Timo Pache im „Stern“ belegt: „Handelte es sich bei Steingart um einen Philosophen, wäre er wohl Eklektiker, der sich bei Anderen die passendem Argumente aussucht und dann so verbaut, wie es ihm passt.“ Aber selbst völlig befangen im bürgerlichen (Un)wissenschaftsbetrieb findet Pache: „Das ist nicht verwerflich, es macht seine Gedanken sogar interessanter, weil er nicht in Schubladen denkt, sondern auch mal Ringsherum schaut, was es Bemerkenswertes gibt.“
Dabei stolpert er Zeile um Zeile über Ungereimtheiten sondersgleichen: „Auf die Idee muss man erstmal kommen“ Bemerkenswert also allein deshalb, weil keiner darauf kommt und es in keine Schublade passt? Oder zum Beispiel: „Als Gedankeninstrument ist die Idee spannend … sie ist aber komplett unrealistisch“. Was macht denn eine Idee spannend, wenn sie keinerlei theoretische oder praktische Konsequenz hat? So bleibt dann auch von der anfangs zitierten Behauptung, dass Steingart zumindest den Niedergang (zu)treffend beschreibe, nicht mehr viel übrig.
Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur
202 Seiten
19 €
Zum Systemversagen gehören die bürgerlichen Ökonomen selbst unverzichtbar dazu. Ihre Rolle wird in dem Buch von Stefan Engel und Monika Gärtner-Engel „Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur“ folgendermaßen charakterisiert: „Sie arbeiten in angeblich unabhängigen privaten Wirtschaftsinstituten, an Universitäten oder in ‚Denkfabriken‘, produzieren geschwollene Expertisen oder empfehlen ebenso teure wie wirkungslose Techniken des Krisenmanagements“. Und auch die Journalisten haben ihren festen Platz: „Journalisten führen den Massen gerne einen ‚Expertenstreit‘ über Scheinalternativen vor.“
Faktencheck: Siehe „Stern“ Nr. 47: „Wie Deutschland wieder zu einer großen Wirtschaftsnation werden kann – eine Debatte“.
Michael Hanfeld: Gabor Steingarts Abstieg: Am Boden aufgeschlagen. In: FAZ.net. 9. Februar 2018, abgerufen am 10. Februar 2018.
Thomas Knüwer: (Fast) sechs Monate mit Gabor Steingart. In: Indiskretion Ehrensache; abgerufen am 15. Februar 2023