Gipfel für digitale Souveränität
Wird aus Science-Fiction jetzt Realität?
Am 18. November hat in Berlin ein „Gipfeltreffen für digitale Souveränität“ getagt. Mehr als 900 Teilnehmer – Regierungsvertreter, Konzernchefs und Wissenschaftler aus allen EU-Mitgliedstaaten – waren dabei, darunter Vertreter führender europäischer KI-Unternehmen wie SAP, Mistral oder Black Forest.
„Die digitale Souveränität Europas ist zentral für Europa und für unsere gemeinsamen Werte, aber auch für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, für unsere Sicherheit und für unsere Verteidigung”, verkündete Bundeskanzler Merz in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Macron.¹
Sie müssten verhindern, dass Europa „zum Spielball der beiden Supermächte werde“. Gemeint waren damit natürlich die USA und China. Die EU müsse bei den „Schlüsseltechnologien von Künstlicher Intelligenz (KI) über Quantentechnologie und Cloud-Computing bis hin zur Mikroelektronik“ eigenständig werden. Auch die europäischen Armeen und Behörden müssten in der Lage sein, auf Grundlage einer eigenständigen Technologie selbständig zu handeln. Hintergrund ist die Vorherrschaft der US-Konzerne bei Herstellung und Vertrieb digitaler Hard- und Software. Zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland stünden ohne ausländische, vor allem US-Cloud-Dienste still. Die Chips in Computern, in der Auto- oder der Unterhaltungselektronik werden weltweit vor allem von zehn Monopolen hergestellt, davon sechs aus den USA. Chinas Monopole sind bei 5G², Quantenforschung und anderen digitalen neuen Technologien sowie teilweise bei KI weltweit führend.
Merz kündigte an, dass in Europa die Staatsapparate sogenannte Ankerkunden europäischer Digitalanbieter werden. Damit soll unter anderem Software von US-Firmen ersetzt werden: "Denn der Staat muss seine Arbeit auch in Krisenzeiten stabil ausführen können". Damit kann er nur einen offenen Handelskrieg mit den USA oder einen militärischen Krieg meinen, in dem die USA und die EU keine Bündnispartner mehr sind.
Unter dem Titel „Digitaler Omnibus“ wurden zwei Gesetzespakete vorgestellt, die bisherige Vorgaben zum Datenschutz und zur Cyber-Sicherheit sowie die Datensicherheit der europäischen KI-Verordnung erheblich abbauen sollen. Alles, was die digitale Aufholjagd einschränken könnte, soll so aus dem Weg geräumt werden. Organisationen wie der digitalpolitische Verein „D64“ oder Amnesty International bezeichnen das als „den größten Rückschritt für digitale Grundrechte in der Geschichte der EU“.
Die EU verfolgt damit eine „AI-First-Mentalität“³. Das heißt: KI soll künftig integraler Bestandteil jeder wirtschaftlichen Aktivität, insbesondere bei der Umstellung auf Kriegswirtschaft sein. Der massive Ausbau von Rechenzentren ist Eckpfeiler dieser digitalen Ambitionen der EU. Europa soll deshalb fünf neue „Gigafactories“ für KI bekommen. Dabei handelt es sich um Rechenzentren, die mit rund 100.000 KI-Chips ausgestattet sind, um komplexe KI-Modelle zu trainieren und zu entwickeln. Die fünf Gigafactories sollen die aktuell 13 geplanten KI-Zentren ergänzen, die die EU bis Ende 2026 vorwiegend an Forschungszentren und Hochschulen aufbauen will. Jede der Gigafabriken soll mindestens viermal so leistungsfähig sein wie diese KI-Zentren und sowohl Unternehmen als auch Forschern Zugriff bieten. 20 Milliarden Euro will die EU-Kommission in sie investieren – und „mindestens“ eine davon will die Bundesregierung nach Deutschland holen. Die Bundesregierung will Deutschland so zu einer „KI-Nation“ machen
Wenn scho Terminator, dannad a bayerischer!
„Bayern soll dabei sein, wenn aus Science-Fiction Realität wird“, fabulierte Bayerns Ministerpräsident Söder. Das passt dazu, dass um München herum sich die Start-ups tummeln, die Kampfdrohnen und Überwachungsdrohnen für militärische Einsätze produzieren und weiter entwickeln. Auf dem Gipfel wurde vereinbart, dass KI-Technik der Firma Mistral aus Frankreich jetzt verstärkt beim Münchner Start-up Helsing, einem Spezialisten für militärische Drohnen und Spionagesoftware, zum Einsatz kommen soll. KI-gestützte Kriegsführung ermöglichen – das steckt hinter Söders Science-Fiction-Geschwafel.
Eine repräsentative Umfrage in mehreren europäischen Ländern⁴ zeigt aber, dass die Mehrheit der Bevölkerung den Hype um die Rechenzentren nicht mitträgt. Ihr bereitet vor allem der wachsende Strom- und Wasserverbrauch Sorge. Es wird daher in den betroffenen Regionen zunehmend gegen den Ausbau solcher Rechenzentren protestiert. Das könnte sich auch zu einem Widerstand gegen die damit verbundene Kriegstreiberei entwickeln.
Sie wissen es wohl selbst, aber können sich nicht helfen - mit diesem Gipfeltreffen läuteten Merz und Macron eine weitere Runde zur Verschärfung der offenen Krise der Neuorganisation der internationalen Produktion ein. Die imperialistischen Länder der EU verfechten mit ihrem Kampf um „digitale Souveränität“ jetzt offen aggressiv die Interessen ihrer nationalen bzw. europäischen Supermonopole. Die geplante digitalen Abkopplung von den bisher vorherrschenden US-Monopolen zersetzt einen weiteren Bereich des für die internationale Produktion notwendigen einheitlichen Weltmarkts. Die EU mit Deutschland und Frankreich an der Spitze will damit ihren weltweiten politischen und militärischen Herrschaftsanspruch verstärkt geltend machen. Das verschärft den schon jetzt beispiellosen globalen Handels- und Wirtschaftskrieg und ist Teil der Vorbereitung der EU-Imperialisten auf einen III. Weltkrieg.
Daher darf man sich keine Illusionen machen. Hinter all den schönen Worten von Fortschritt und Arbeitsplätzen steht keine schöne Zukunft, sondern nur die Gier der Reichsten.