Tübingen
IMI-Kongress: Aufbruch in Richtung neue Friedensbewegung
Der jährliche Kongress der Informationsstelle Militarisierung IMI e. V. in Tübingen ist gerade sehr erfolgreich zu Ende gegangen mit dem Schlusswort einer Ver.di-Aktivistin aus München: „Revolution – alles andere ist Quark“.
Der sehr gute, auch von vielen Jüngeren besuchte Kongress war up to date und ging auf die Fragen ein, die die Menschen in diesem Land beschäftigen: klare Analyse schon durch die drei Eingangsreferate. Tobias Pflüger analysierte die Entwicklung der Umstellung des Bundeshaushalts auf Kriegswirtschaft mit den vielfältigsten Folgen für Arbeiterinnen und Arbeiter, die Sozialpolitik, Gesundheitspolitik und die verschärfte gesamte Rechtsentwicklung. Er schlussfolgerte: Da ist keinerlei Möglichkeit und Spielraum für Mitwirkung, das entspricht einer imperialen Großmacht- und Kriegspolitik. Und gegen die muss gekämpft werden. Für ihn sei klar, dass er nie auf der Seite irgendeiner imperialen Macht stehe.
Claudia Haydt untersuchte in ihrem Beitrag „Die Aufrüstung und die Kommunen“ die Auswirkungen der Umstellung auf Kriegsvorbereitungspolitik auf die Kommunalpolitik, aufs Gesundheitswesen und, besonders wichtig außer den Angriffen auf das gesamte Sozialwesen, auch die damit einhergehende politische Unterdrückung jeglichen Widerstands. So sind Liegenschaften der Bundeswehr in den Kommunen jetzt schon unter der direkten Führung der Bundeswehrführung außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle. Der Widerstand gegen irgendwelche militärische Nutzung wird sofort kriminalisiert.
Wendela de Vries aus den Niederlanden berichtete sehr anschaulich in ihrem Beitrag „Stop reArm Europe“ von den bedeutsamen Streiks der Hafenarbeiter in Italien, Griechenland und auch in Holland. Sie wandte sich ausdrücklich auch gegen eine EU-Militärmacht, egal unter welcher Führungsmacht. Sie sprach sich für eine europaweite Gegenoffensive der Kriegsgegner, Arbeiter und der Jugend aus. Mit ihrem Beitrag, der nicht so sehr auf Zahlen basierte, brachte sie eine ganz aufmunternde Stimmung in diese Konferenz ein.
In einem anschließendem Gespräch berichtete sie von kämpfenden Hafenarbeitern, die sie selbst kennt, deren Gewerkschaften und auch revolutionäre Organisationen, die diesen Kampf mit vollem Herzen unterstützen.
„Deutschlands Beihilfe zum Völkermord“
Ein weiteres Highlight war der Vortrag von Benjamin Düsberg, Jahrgang 1980, Strafverteidiger aus Berlin. Er stellte wie mehrere Kanzleien Strafanzeige gegen die Bundesregierung. Im Gespräch mit ihm war er sehr interessiert an der Zusammenarbeit mit anderen Kanzleien, die auch Strafanzeigen gestellt haben, und versteht sich als aktiver Teil einer kämpferischen Friedensbewegung, die die Regierung eines imperialistischen Staates direkt ins Visier nimmt. Außerdem ist er ein juristischer Kämpfer gegen Abschiebungen und gegen den Abbau demokratischer Rechte.
Sehr interessiert zeigte er sich gegenüber dem Projekt „Gaza soll leben“ mit dem Aufbau eines Gesundheitszentrums. Der erfolgreiche Aufbau des Krankenhauses in Kobanê beeindruckt ihn sehr, da er selbst eine Zeit lang in Syrien arbeitete. Im Mai 24 wurde er selbst bei einer Palästina-Solidaritätsaktion an der Berliner Humboldt-Uni in seiner Funktion als Strafverteidiger zunächst ohne Tatvorwurf von der Polizei festgenommen.
Am Sonntag gab es dann einen Vortrag des strikt antimilitaristischen Influenzers Simon David Dressler, Jahrgang 1999, mit zu Beginn über 120.000 Followern bei TikTok. Nach einem Studentenjob bei der CDU in Sachen Social Media, drehte er eigene Videos, zunächst gegen die CDU. Er wurde durch den nicht erwarteten Erfolg seiner Videos immer mehr links geprägt und zeigte bzw. analysierte, wie die Bundeswehr bei TikTok auftritt, geschickt ansetzt bei einer gewissen Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit der Jugendlichen, Abenteuerlust und Kameradschaft vermittelt, um sie nebenbei für den Kampf um "sein Vaterland" zu beeinflussen. Sie suggeriert so: Das sei gut und ganz normal.
Er zeigt sich medial u. a. als Aktivist gegen die Wehrpflicht, wird ab und an in das öffentlich-rechtliche Fernsehen, z. B. in die „Königsrunde“, eingeladen und sieht durchaus selbstkritisch, dass er als "Feigenblatt" benutzt wird. Es sei für ihn ein wichtiger Schritt, bei diesem Kongress hier dabei sein zu dürfen und Teil von dieser real so wichtigen Bewegung zu werden. Insofern war dieser IMI-Kongress eine sehr beeindruckende Veranstaltung mit vielen sehr interessanten jungen Aktivistinnen und Aktivisten unterschiedlichster Art, die offen mit der europäischen Arbeiterbewegung gegen den Nationalismus, Chauvinismus und Rassismus mit einer irgendwie auch klar sozialistischen Zukunft sympathisieren und zum Teil sehr mutige Aktionen durchführen, wie gegen den israelischen Drohnenhersteller Elbit in Ulm oder gegen Rheinmetall.
Ein von den Themen her sehr vielfältiger und vorwärtstreibender Kongress ging mit toller Stimmung und sehr solidarischer Streitkultur in der Mensa der Gymnasien direkt am Neckarufer zu Ende. In der örtlichen Presse kam einen Tag zuvor eine Umfrage unter diesen Gymnasiasten zur Wehrpflicht zum Ergebnis, dass keiner der Schüler den Wehrdienst akzeptiere.