Korruptionsskandal in der Ukraine

Korruptionsskandal in der Ukraine

Der Kampf der Selenskyj-Regierung gegen eine unabhängige Antikorruptionsbehörde

Hinter den Ermittlungen steht der Chef der SAPO, Oleksandr Klymenko. In dieser Position in der Ukraine muss man wohl entweder ein Mensch mit festen Überzeugungen sein – oder selbst korrupt. Wenn er in einem solchen System nicht korrupt ist, ist er meistens auch nicht unumstritten; und Klymenko war sehr umstritten.

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Der Kampf der Selenskyj-Regierung gegen eine unabhängige Antikorruptionsbehörde
Die Ukraine war schon vor dem Krieg das korrupteste Land Europas - unter Selenskyj ist trotz aller Beteuerungen nichts besser geworden. (Bild: Strvnge Films; Lizenz: Unsplash)

Klymenko begann seine Karriere als Polizist und wurde später Detektiv bei der Nationalen Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU). In dieser Eigenschaft hatte er bereits 2020 den Chef der Präsidialverwaltung, Oleh Tatarow, beschuldigt, sich an dem Bau von Kasernen für die Nationalgarde bereichert zu haben. Damit machte er sich keine Freunde, und das Verfahren wurde verschleppt und schließlich 2021 eingestellt. Als Klymenko 2021 dann mit großer Mehrheit von der zuständigen Kommission zum Chef der Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung (SAPO) bestimmt wurde, intervenierte Oleh Tatarow. Der SAPO untersteht das NABU. Tatarow nutzte seine Beziehungen - er wollte Selenkyjs Parteikollegen Andriy Kostin mit aller politischen Gewalt als Chef der Behörde durchsetzen. Das scheiterte schließlich an der Intervention von EU- und US-Vertretern, die Kostin sowohl die Kompetenz als auch die für diese Position notwendige Unabhängigkeit absprachen. Nach acht Monaten Verzögerung konnte Klymenko im Juli 2022 das Amt antreten.

 

Am 4. Juni dieses Jahres erteilte der Hohe Gerichtshof zur Korruptionsbekämpfung (HACC) dann erstmals Haftbefehl gegen Selenskyjs Bekannten Timur Minditsch. Heute kann man sagen, dass auch das schon ein Ergebnis der langfristig angelegten Ermittlungen der SAPO war. Der Haftbefehl wurde aber offensichtlich nicht vollstreckt – stattdessen entließ Selenskyj plötzlich die Generalstaatsanwältin Iryna Venediktowa. Er begründete diesen Schritt mit einer angeblich großen Anzahl von Strafverfahren wegen Kolaboration unter Staatsanwälten. Nur Tage später, am 22. Juli, unterzeichnete Selenskyj dann nach Kriegsrecht ein Gesetz, dass SAPO und NABU faktisch dem Generalstaatsanwalt unterstellte: Dieser konnte nun Akteneinsicht in alle Verfahren verlangen, sie anderen Staatsanwälten übergeben oder sogar über ihre Einstellung entscheiden. Am 27. Juli wurde dann ein neuer Staatsanwalt eingesetzt. Wer? Genau derjenige, den Selenskyjs Leute 2022 nicht als Leiter der SAPO durchsetzen konnten: Andriy Kostin.

 

Diese Entscheidung löste unter den Ukrainerinnen und Ukrainern Empörung aus, sodass es über mehrere Tage in weiten Teilen des Landes – trotz Kriegsrechts und damit einhergehenden Demonstrationsverboten – zu Protesten gegen das Gesetz kam. Genützt hat es Selenskyj am Ende nicht. Die Ermittlungen der SAPO liefen schon 11 Monate und waren offensichtlich schon zu weit gediehen, um sie noch aufzuhalten.