Athen

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Das Gedenken an den Polytechnion-Aufstand: Lebendig und bedeutsam auch nach 52 Jahren

Vier Tage lang, vom 14. bis 17. November, standen an jeder Athener Straßenkreuzung rund um die Polytechnische Universität Blumenkörbe und -kübel voller roter Rosen und roter Nelken: Athen gedenkt des Aufstands am Polytechnion 1973, der das Ende der Obristendiktatur in Griechenland einläutete.

gis
Das Gedenken an den Polytechnion-Aufstand: Lebendig und bedeutsam auch nach 52 Jahren
Wir hatten eine MLPD-Fahne im Urlaubsgepäck, die von vielen Demo-Teilnehmern und -Teilnehmerinnen begrüßt und fotografiert wurde (rf-foto)

Tagelang strömen Menschen durch die Straßen, kaufen Rosen und Nelken und legen sie am Denkmal für die 1973 ermordeten 24 Studentinnen und Studenten nieder. Schulklassen kommen, Familien, Gewerkschafter, und natürlich die Studierenden. Im Innenhof der Universität finden den ganzen Tag politische Veranstaltungen statt, Dutzende von Infoständen linker Organisationen und Parteien reihen sich aneinander. Hier erwerben wir auch eine interessante Broschüre der marxistisch-leninistischen KKE-ML über die imperialistische Weltkriegsvorbereitung und den notwendigen Widerstand dagegen; wir sollen sie unbedingt unserem Zentralkomitee mitbringen. 

 

In den Novembertagen vor 52 Jahren revoltierten die Studentinnen und Studenten am Athener Polytechnion gegen die Junta, gegen die politische Unterdrückung an den Universitäten, gegen den Faschismus. Eine ihrer Kampflosungen war: "Sechs Jahre sind zu lang. Sieben werden es nicht. Jetzt oder nie: Heute Nacht stirbt der Faschismus!" Der Aufstand verband sich mit den Arbeitern und den breiten Massen, die in den wichtigsten Zentren der Großstädte demonstrierten. Das war der entscheidende Anstoß für den Sturz der Papadopoulos-Diktatur. Die Arbeiterkämpfe brachten sie zu Fall. Vorher setzte sie noch mit aller Brutalität den staatlichen Gewaltapparat ein. Am Polytechnion starben 24 Studentinnen und Studenten durch Polizeikugeln. 1200 Menschen wurden verhaftet, die Hälfte waren Arbeiterinnen und Arbeiter.

 

Immer wieder haben reaktionäre griechische Regierungen versucht, das Polytechnion-Gedenken durch Unterdrückung aus der Welt zu schaffen. 2020 musste es gegen ein komplettes Demonstrationsverbot durchgesetzt werden. Dieses war unter dem Vorwand der Corona-Schutzmaßnahmen erlassen worden. Gegen die Schutzmaßnahme wurde nicht verstoßen und die Demonstration fand statt. Die zersetzende Rolle des einstmals linken Wahlbündnisses Siryza als Erfüllungsgehilfin der Troika und die tiefe Enttäuschung der Griechen darüber bewirkte einen Rückgang der Teilnehmerzahlen an den Gedenkdemonstrationen.

 

Dennoch, es waren Zehntausende, die am gestrigen Montag in einem langen, bunten, lauten, kämpferischen Zug vom Syntagma zur US-Botschaft weit im Nordosten der Stadt demonstrierten. Alle Schattierungen des linken Spektrums Griechenlands waren vertreten. Die ganze Zeit kommen Menschen aus den Stadtvierteln dazu und säumen die Straßen, durch die die Demo zog. Wie schon in den Jahren vorher verband sich das Gedenken an den mutigen Polytechnionaufstand mit aktuellen brennenden Fragen der Massen in Athen und Griechenland. Alle eint nach wie vor die Palästina-Solidarität. Verachtung gegenüber dem zionistischen Völkermord als Antisemitismus zu verunglimpfen ist in Griechenland unvorstellbar. Die Blockaden der griechischen Hafenarbeiter gegen Waffenlieferungen an Israel erfahren die Hochachtung der Demonstranten. Die Empörung über die Zugkatastrophe von Tempi ist Bestandteil der Demo, ebenso der Kampf gegen die geplante Schließung von 200 Postfilialen.