Heute Abend im ZDF
„Sturm kommt auf“ - Verfilmung eines Buchs von Oskar Maria Graf
Das ZDF strahlt heute Abend ab 20.15 Uhr den zweiteiligen Spielfilm „Sturm kommt auf“ aus. Der Zeitpunkt wurde bewusst gewählt: In der Nacht vom 9. auf den 10. November fanden die faschistischen Pogrome der sogenannten „Reichskristallnacht" statt (Rote Fahne News berichtete gestern).
Regie führte Matti Geschonneck. Zwei Hauptrollen besetzte er mit Schauspielern, die auch bekannte Kabarettisten sind: Josef Hader aus Österreich spielt den "friedfertigen" Schuster Julius Kraus und Sigi Zimmerschied aus Passau den Silvan Heingeiger senior. Premiere war im Mai beim Fünf-Seen-Filmfestival in Starnberg. Hier in der Nähe lebte der große fortschrittliche Schriftsteller Oskar Maria Graf in seiner Kindheit und frühen Jugend. Als 17-Jähriger begann er zu schreiben, verkehrte in Münchner anarchistischen Kreisen und entwickelte eine zeitlebens anhaltende Sympathie für den Sozialismus/Kommunismus. Auf seinem Roman „Unruhe um einen Friedfertigen“ (1947; Neuauflage im Ullstein-Verlag) basiert das Drehbuch des Films.
Ein sehr lesenswertes Buch, gerade in einer Zeit, in der der Kampf gegen Faschismus und Krieg wieder zu einer vorrangigen Aufgabe geworden ist. Es spielt in einem fiktiven Ort in Oberbayern, beginnend in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Eine rechte Kriegsbegeisterung kommt im Dorf nicht auf. Krieg und Kriegswirtschaft lasten schwer auf den Menschen: „Die Jungen schießen sie im Feld draußen weg, und wir daheim krepieren am Schwund!“
Die meisten Bauern hielten sich von der Politik fern. Aber als dem Krieg ein Ende gemacht wurde, kamen alle zur Versammlung und hörten dem Redner zu: „Eine Bande von kriegshetzerischen Monarchen und Generalen, von korrupten, gewissenlosen Beamten und profitgierigen Schlotbaronen hat uns in den Krieg und in das ganze Elend gehetzt!" Ludwig, Rotgardist und Bevollmächtigter des Zentralrats aus dem Dorf: „Wir Rotgardisten sind keine Räuber und Banditen! Die Rote Armee verteidigt bloß die Errungenschaften der Revolution … Wir kämpfen für gleiches Recht und dafür, dass unser Land bald wieder in Schwung kommt! … Der Zentralrat hat das Blutvergießen vermeiden wollen! Eine elende Sippschaft von Meuchelmördern, reaktionären Verschwörern und politischen Schiebern hat den Kampf provoziert!" Als der Redner erklärte, dass die Rote Armee die Freiheit und den Hof jedes einzelnen Bauern verteidige, kannte die bereitwillige Zustimmung keine Grenzen mehr.“
Ludwig fordert zur Unterstützung der Rotgardisten durch Lebensmittel auf, die bezahlt werden würden. „Und da kam Bewegung in die Umstehenden. … Brotlaibe, Trümmer Selchfleisch, große verzinnte Milchkübel, Eier und sogar einige größere Klumpen Butter wurden den Rotgardisten hinaufgereicht.“ Als es ans Bezahlen geht, sagten die meisten „Es ist schon gut!“
Doch die Konterevolution war stärker. Beim Einzug der Regierungstruppen ins Dorf hatte die Dorfgendarmerie zusammen mit den Soldaten sofort Hausdurchsuchungen bei revolutionsverdächtigen Arbeitern und sonstigen Einwohnern vorgenommen. Noch in derselben Nacht fällte ein schnell zusammengesetztes Feldgericht seine Urteile, gegen die es keine Berufung gab. Zehn Arbeiter wurden in der Frühe im Gefängnishof erschossen.
Der Kampf in den folgenden Jahren zwischen revolutionärer Arbeiterbewegung und aufziehender faschistischer Gefahr prägte auch das Dorfleben. Die Leute sind in ihrer Mehrheit keine Antisemiten, einige schätzen Juden als ordentliche Geschäftspartner. Aber in Verbindung mit Einschüchterung und zunehmendem Terror wirkt auch die Demagogie der Faschisten. Der Terror stieß auf Widerstand, aber es wird auch deutlich, wie demagogisch die Faschisten an der Not der Bauern, den Folgen von Versailles, Bankenkrisen etc. ansetzen. Diese weltanschauliche Auseinandersetzung darf nicht unterschätzt werden.
Als die Faschisten ("Sturmbannler") die letzte sozialdemokratische Wahlversammlung in einem Nachbardorf sprengen wollten, schlug ihnen geballter Arbeiterwiderstand entgegen. "Zum ersten Mal hatten die Nazis den Kürzeren gezogen. Sogar der Riedinger mit seinem Gendarmerieaufgebot konnte ihnen nicht mehr helfen. Verhaftete wurden den Gendarmen wieder entrissen. Insbesondere die Moorarbeiter rauften wie die Besessenen, bis der zusammengehauene Sturm zu guter Letzt mit seinen Verletzten abzog.“
Die antifaschistische Einheitsfront, die hier „im Kleinen“ hergestellt wurde, hätte gesamtnational den Faschismus verhindern können. Die Hauptfigur im Buch – der fleißige jüdische Schuster, der dachte, er könne sich aus den politischen Auseinandersetzungen heraushalten, muss die Erfahrung machen, dass das nicht geht.
Bemerkenswerte Einblicke in das Leben, den Kampf, das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen in der bäuerlichen oberbayerischen Welt zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Errichtung des Hitlerfachismus.
Die ersten Auflagen von "Unruhe um einen Friedfertigen" von Oskar Maria Graf (1947, 1949) gibt es nur noch antiquarisch. Die Neuauflage des Ullstein-Verlags gibt es im Buchhandel und natürlich bei People to People.