Interview
Mieterbündnis-Braunschweig will Hilfe zur Selbsthilfe organisieren
Das Mieterbündnis-Braunschweig setzt sich für die Interessen der Mieter in verschiedenen Fragen ein, von den Nebenkosten bis zum Kampf gegen die Überwachung im eigenen Wohnraum. Die Rote Fahne hatte die Gelegenheit, ein ausführliches Interview mit Jost Messerschmidt, einem seiner Vertreter, zu führen.
Rote Fahne: Ihr seid nicht einverstanden mit dem Einbau neuer Rauchmelder durch die Vonovia. Was sind Eure Gründe?
Jost Messerschmidt: Multisensoren messen Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Kohlenmonoxid und könnten (wenn diese Funktionen aktiviert sind und die Daten übertragen werden) Rückschlüsse auf Heizen, Lüften oder Anwesenheit der Mieterinnen und Mieter erlauben. Diese fürchten eine Überwachung ihrer Lebensweise. Die Geräte können zwar installiert werden, aber die Aktivierung der Daten-/Funk-Dienste (Cloud, Funknetz, Telemetrie) erfordern in der Regel die schriftliche Zustimmung der Mieterinnen und Mieter. Ohne diese Zustimmung dürfen die Daten-sammelnden Funktionen nicht genutzt werden. Aber auch wenn die Zusatzfunktionen ausgeschaltet sind, speichern die Rauchmelder weiterhin Daten für mindestens 24 Stunden und zumindest die letzte Speicherung kann auch später noch ausgelesen werden. Vonovia will mit dem Einbau der „Rauchwarnmelder Multisensor Plus“ höhere Mieten generieren, da ihr Einbau laut Vonovia eine Modernisierung ist. Das ist nicht der Fall, da beim erstmaligen Einbau der Rauchmelder schon Modernisierungsaufschläge auf die Miete gekommen sind. Daher lehnen wir auch eine Mieterhöhung ab. Auch, dass die Rauchmelder monatlich gewartet werden, ist nicht nötig. Vorgeschrieben ist eine jährliche Wartung, also soll auch über die Nebenkosten mehr Geld für Vonovia generiert werden.
Was ist das Ziel Eurer Mieterinitiative und wie wollt Ihr es verwirklichen?
Das Mieterbündnis Braunschweig setzt sich für die Rechte der Mieterinnen und Mieter ein und kämpft gegen ungerechtfertigte Mietsteigerungen. Unser Ziel ist es, durch Information, Veranstaltungen und gemeinsames Handeln für gerechtere Mieten einzutreten. In erster Linie wollen wir Mieterinnen und Mieter von Vonovia, LEG und Co. ermutigen, sich in ihren Wohngebieten so zu organisieren, dass Sie ihre Rechte konsequent und gemeinschaftlich verteidigen und durchsetzen können. Bei Wohnungskonzernen, die in vielen Städten Wohnungen vermieten, ist es ein Vorteil, wenn sich die Mieter vieler Standorte vernetzen, ihr Wissen austauschen und ihr Vorgehen abstimmen. Das ermöglicht es, gebündelte, zielgerichtete Forderungen an die Wohnungskonzerne zu formulieren. Unser Angebot ist „Hilfe zur Selbsthilfe“. Zum einen sind wir Ansprechpartner bei Fragen rund um die Nebenkostenabrechnungen. Zum anderen wollen wir Strukturen aufbauen, um gemeinschaftlich von unserem Recht Gebrauch zu machen, die Nebenkostenabrechnungen zu prüfen. Wir bringen auch überhöhte Mieten zur Anzeige beim Ordnungsamt Braunschweig. Auch unterstützen wir Mieter bei ungerechtfertigten Mieterhöhungen, wie letztes Jahr nach VPI bei Vonovia. Wer sich damals mit unseren Einspruchsschreiben gewehrt hat, hatte auch Erfolg.
- Beim Widerspruch unterstützen.
- Bei Fragen zu Vonovia LEG und Co. unterstützen
- Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen
- Bildung von Prüfgemeinschaften für Nebenkosten und Warmkosten
- Hilfe zur Selbsthilfe
Weder die alte noch die neue Bundesregierung tun ernsthaft was gegen explodierende Mieten und Wohnungsnot. Im Gegenteil! Manche Mieter hoffen auf die AfD. Wie setzt ihr euch damit auseinander?
Viele Mieterinnen und Mieter fühlen sich von der Politik im Stich gelassen: Die Bundesregierung (ob alt oder neu) hat die Mietpreisbremse verwässert, statt sie wirksam zu machen. Sozialwohnungen laufen massenhaft aus der Bindung, während kaum neue gebaut werden. Die großen Konzerne (Vonovia, LEG, Adler usw.) kassieren Rekordgewinne, während sie gleichzeitig Personal abbauen und Instandhaltungen verschleppen. Und die Politik schaut größtenteils zu, weil Vonovia massiven Lobbydruck ausübt und dafür extra in Berlin ein Büro mit Mitarbeitern unterhält, die nichts anderes machen, außer Lobbyarbeit. Das führt dazu, dass sich viele enttäuschte Menschen der AfD zuwenden, weil sie dort zumindest das Gefühl bekommen, „jemand redet endlich Klartext“. Aber die AfD nutzt nur die Wut der Mieter aus. Sie löst keine Probleme, sondern würden sie noch verschärfen. Die AfD spricht von „sozialer Gerechtigkeit“, aber ihr Programm zeigt das Gegenteil:
- Sie will Sozialwohnungen privatisieren statt neue bauen.
- Sie lehnt Mietendeckel und kommunale Wohnungsunternehmen ab.
- Sie will den Kündigungsschutz lockern und Förderprogramme für den sozialen Wohnungsbau streichen.
- In Thüringen und Sachsen hat sie gegen Anträge gestimmt, die die Mietbelastung senken sollten.
Das heißt: Ihre Politik nützt Vermietern und Investoren, nicht den Mieterinnen und Mietern. Die AfD setzt auf Spaltung – Deutsche gegen Ausländer, Leistungsträger gegen Abhängige - statt auf gemeinsame Solidarität gegen Wohnkonzerne, die alle auspressen. Wir sagen aufklären statt verurteilen: Viele, die mit AfD-Sympathien spielen, sind keine Rassisten, sondern enttäuschte Menschen, die sich ohnmächtig fühlen. Sie brauchen Information und Gespräch, keine moralische Keule.
1. Konkrete Alternativen zeigen:
- Forderung nach echtem Mietendeckel auch in Niedersachsen.
- Städtische Wohnungsbaugesellschaften stärken.
- Vermieterpflicht zur Instandhaltung konsequent durchsetzen.
- Digitale Überwachung im Wohnraum stoppen.
2. Soziale Solidarität betonen:
Das Grundproblem sind nicht „Zuwanderung“ oder „faule Mieter“, sondern ein Markt, der aus Wohnen ein Geschäft gemacht hat. Unsere Antwort darauf ist Zusammenhalt. Mieterinnen und Mieter müssen sich gegenseitig unterstützen, unabhängig von Herkunft oder politischer Enttäuschung.
3. Politischen Druck von unten aufbauen:
Bündnisse, Petitionen, öffentliche Aktionen, lokale Medienarbeit um klarzumachen: Wohnen ist ein Menschenrecht, kein Spekulationsobjekt.
Ihr plant eine Kundgebung der Mieterinnen und Mieter. Was bezweckt ihr damit?
Wir planen die Kundgebung, weil es reicht! Weil immer mehr Mieterinnen und Mieter unter steigenden Mieten, Nebenkosten und dem sozialen Druck der Wohnkonzerne leiden.
1. Wohnen ist ein Menschenrecht – kein Geschäftsfeld!
Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen: Wohnraum darf nicht länger zur Ware verkommen, mit der Konzerne wie Vonovia, LEG oder Adler Milliardengewinne machen.
2. Transparente und faire Nebenkosten!
Wir fordern ein Ende von Inotec-, Techem- und anderen „Smart-Management“-Modellen, die die Kosten verdoppeln, ohne den Müll, die Heizung oder den Service zu verbessern.
3. Keine Überwachung im Wohnraum!
Der Einbau digitaler Sensoren („Multisensor Plus“) ist ein schleichender Eingriff in unsere Privatsphäre. Wir sagen: Sicherheit ja, Datenspionage nein!
4. Bezahlbare Mieten für alle!
Schluss mit der Ausrede, dass „der Markt das regelt“. Wir brauchen endlich:
- Vergesellschaftung von Vonovia und Co,
- mehr kommunalen Wohnungsbau,
- und klare Grenzen für Modernisierungsumlagen.
5. Solidarität statt Spaltung!
Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen – nicht nach Herkunft, Einkommen oder Alter. Unser Gegner sind nicht die Nachbarn, sondern ein System, das Profite über Menschen stellt. Wir wollen öffentlichen Druck auf Stadt und Politik, damit endlich angefangen wird, zu handeln.
• Mediale Aufmerksamkeit, damit sichtbar wird, dass Mieterinnen und Mieter nicht länger stillhalten.
• Vernetzung der Betroffenen, um gemeinsam stärker zu werden – gegen Willkür, falsche Abrechnungen, überteuerte Nebenkosten und Datenspionage.
• Mut machen: Viele trauen sich nicht, sich zu wehren – unsere Demo soll zeigen, dass wir viele sind.
Vielen Dank für das Interview!
Vielen Dank, dass wir uns bei Euch vorstellen durften. Wir hoffen auf eine Zusammenarbeit und öffentliche Unterstützung. Kennt Ihr schon unsere Petition zum Verbot Smarter Überwachungstechnik? Hier der Link zur Unterstützung mit Eurer Unterschrift. Teilt die Petition deutschlandweit in eurer Community!