Syrien
Da sagt ein Mitglied der Bundesregierung mal was Richtiges ...
... und schon kriegt er verbale Prügel von allen Seiten. Die Rede ist von Johann Wadephul (CDU), dem deutschen Außenminister. Seine Äußerung ist derzeit der meistzitierte Aufreger in den bürgerlichen Medien, Talkshows und Politikerdebatten: Im verwüsteten Syrien können wirklich kaum Menschen richtig leben. Das hat er in Damaskus zu sagen gewagt.
Am Montag haben wir auf Rote Fahne News einen Kommentar zu den Argumenten des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Unionsfraktion, Günter Krings, veröffentlicht: Unions-Vize Krings - Zerstörung Syriens sei kein Argument. Kein Argument gegen eine "freiwillige oder pflichtgemäße Rückkehr", im Klartext: gegen Abschiebungen von syrischen Flüchtlingen und Migranten aus Deutschland nach Syrien. Denn: Wer solle denn das zerstörte Land wieder aufbauen, wenn nicht "die eigenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen?"
Zurückgekehrte Flüchtlinge arbeiten aus freien Stücken am Wiederaufbau
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind eine Million Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt, die meisten von ihnen aus den Nachbarländern Jordanien und Libanon. Sie arbeiten aus freien Stücken am Wiederaufbau des Landes, das sie ja wahrhaftig nicht selbst zerstört haben. Auch in Deutschland lebende Flüchtlinge und Migranten erwägen Rückkehr und Mitarbeit am Wiederaufbau. Sie brauchen dazu keine Bevormundung durch die CDU. Vielleicht sollte man die geifernden CDU-Politiker mal daran erinnern: Als 2021 das Ahrtal durch die schwere regionale Umweltkatastrophe zerstört worden war, arbeiteten deutsche Helfer und syrische Flüchtlinge Seite an Seite beim Aufräumen und halfen den verzweifelten Menschen. Ganz offensichtlich sind die syrischen Flüchtlinge nicht arbeitsscheu. Als im syrischen Kobanê das Volk mit seinem mutigen und unermüdlichen Kampf den faschistischen IS besiegt hatte, bauten internationale Brigaden zusammen mit der Selbstverwaltung in Rojava eine Geburtsklinik dort auf, in der seither zehntausende Kinder zur Welt kamen. Von keiner damals wie heute amtierenden Bundesregierung kam auch nur der Hauch von Unterstützung für diesen Geist internationaler Solidarität! In diesem Geist, dem Volk zu dienen, wird auch der Solidaritätspakt zwischen der Al-Awda-Gesundheitsorganisation im Gaza und der revolutionären Weltorganisation ICOR umgesetzt werden.
Massaker auch nach dem Sturz von Assad
Der Ort Harasta bei Damaskus, den Wadephul besuchte, wurde im Bürgerkrieg seit 2012 durch Bombardements weitgehend ausgelöscht, die 30.000 früheren Einwohnerinnen und Einwohner wurden vertrieben. Harasta steht exemplarisch für Syrien, in dem große Teile von Infrastruktur und Wohnraum zerstört sind. Die Weltbank schätzt die Kosten des Wiederaufbaus auf etwa 187 Milliarden Euro. So absolut "vorbei", wie Merz, Spahn, Krings und Konsorten behaupten, ist der Krieg in Syrien nicht. Da sind die Angriffe des zionistischen israelischen Regimes im Streben nach der Vormachtstellung in der Region. Israel greift nach und neben Gaza Syrien, Jemen, Libanon an. Und wie terrorisiert die neuimperialistische Türkei das Volk im kurdischen Teil Syriens? Auch nach dem Sturz des Assad-Regimes, unter dem seit 2024 amtierenden Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa gab es grausame Massaker an Zivilisten. So wurden im März und April 2025 mehr als 1000 Alawiten ermordet. Jetzt reist der Dschihadist al-Scharaa ja demnächst zum Faschisten Trump in die USA. Auch andere Imperialisten wie die EU beteiligen sich daran, diesen neuen Herrscher weißzuwaschen und ihn zu einem "normalen" bürgerlichen Politiker zu machen.
Die "guten" Syrer sollen bleiben
Gestern hat der Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) in der Fraktionssitzung Wadephul vorgeworfen, dass er mit seiner Äußerung die "Erfolge" der Koalition zunichte mache. Mit "Erfolgen" meint er Abschiebungen von Flüchtlingen und Migranten, darunter nach Syrien, und sinkende Flüchtlingszahlen. Den ultrareaktionären Scharfmacher Alexander Dobrindt (CSU; Innenminister) bezeichnet die nicht minder reaktionäre Neue Züricher Zeitung als "Aktivposten" der deutschen Bundesregierung, das Gegenteil eines Außenministers Wadephul, der am besten gleich seinen Hut nehmen sollte. Tatsächlich geht es den Scharfmachern von CDU/CSU um die weitere Aushöhlung des nur noch rudimentären Asylrechts in Deutschland. Das ist der Übergang zu einer faschistischen Flüchtlingspolitik! Daran ändert es keineswegs irgend etwas, wenn die CDU-Granden sich dafür einsetzen, dass die "guten" Syrer bleiben sollen, die mindestens 7000 syrischen Ärztinnen und Ärzte etwa und die vielen Pflegekräfte, die in deutschen Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen arbeiten.
Ultrareaktionäre Flüchtlingspolitik und Ausbeutung von Arbeitskräften aus neokolonial abhängigen Ländern durch "Brain Drain" sind zwei Seiten der gleichen Medaille, zwei Seiten imperialistischer Politik. Willi Dickhut, viele Jahre lang Leiter der Redaktion Revolutionärer Weg, benutzte für diese Methoden nicht den verschleiernden Begriff von der "gezielten Migration". Er schreibt: „Wohl die heimtückischste Ausbeutungsmethode der Imperialisten ist der sogenannte 'Brain Drain', d. h. Abwerbung qualifizierter Fachleute aus den Entwicklungsländern.“ Es ändert nichts Grundlegendes an der imperialistischen Methode, ob es sich um aktives Abwerben oder um das "Sortieren" in Deutschland lebender geflüchteter Menschen handelt.
Für das Recht auf Flucht auf antifaschistischer Grundlage!