Vertiefung des Artikels vom 7. November

Vertiefung des Artikels vom 7. November

Strategische Bedeutung einer europäischen bzw. nationalen Stahlbasis

Auf dem „Stahlgipfel“ am vergangenen Donnerstag haben sich Regierung, sieben Landesregierungen, Stahlvorstände und Vertreter des IG-Metall-Vorstands auf die Unterstützung der Forderungen der deutschen und europäischen Stahlkonzerne geeinigt.

Von gp
Strategische Bedeutung einer europäischen bzw. nationalen Stahlbasis
(foto: shutterstock_766375789)

Das betrifft u.a. die Unterstützung des Plans von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche zur Subventionierung eines Industriestrompreises ab 1.1.2026. Außerdem wird der Plan der EU-Kommission auf eine Halbierung der bisher zollfreien Stahlimporte aus Drittländern und ein „Schutzzoll“ von 50 Prozent auf darüber hinausgehende Importe unterstützt. Siehe den Artikel vom 7. November: Stahlgipfel: Vereinheitlicht auf die Forderungen der Stahlkonzerne

Wende der bisherigen Wirtschafts-Außenpolitik

Das ist für eine deutsche Regierung eine Kehrtwende in der Wirtschafts-Außenpolitik. Die hauptsächlich auf den Export ausgerichtete deutsche Wirtschaft ist auf offene Märkte angewiesen. Deshalb waren sich die verschiedenen Regierungen, gleich welche Koalition, jeweils weitgehend einig in der Ablehnung von Einschränkungen des sogenannten „freien Welthandels“. Dass die Regierung trotzdem von ihrer bisherigen Politik im Interesse der Stahlkonzerne abweicht, zeigt, unter welchem Druck sie durch die Verschärfung des Handels- und Wirtschaftskrieges steht.

Spirale von Reaktion-Gegenreaktion in Gang gesetzt?

Mit ihren Plänen für Schutzzölle für Stahlimporte riskieren die EU und die deutsche Regierung Gegenreaktionen ihrer Konkurrenten. Darauf weist ein Sprecher des Lobbyverbandes der Autoindustrie, VDA, hin: Demnach hält der VDA zwar ein "gewisses Schutzniveau" der europäischen Stahlbranche „angesichts der aktuellen geopolitischen Lage für sinnvoll". Ihm gehen aber die Vorschläge der EU-Kommission zu weit. Die Autoindustrie fürchtet nämlich eine Reaktion vor allem Chinas, als dem wichtigsten weltweiten Automobilmarkt. Das ZDF weist auch darauf hin, dass höhere Zölle den Stahl verteuern würden „und damit auch Fahrräder, Autos, Maschinen oder Bauprojekte. Deutschland würde möglicherweise an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, weil Stahl ein zentraler Kostenfaktor vieler Industrien ist.“ (1) Das ZDF geht sogar noch einen Schritt weiter und behauptet: „Doch es scheint wenig sinnvoll, eine Industrie zu retten und damit anderen zu schaden.“

Strategische Bedeutung einer nationalen Stahlbasis

Die EU und die Berliner Regierung sind sich des Risikos durchaus bewusst. Dabei geht es nicht um die Rettung einer „alten Industrie“, an der immerhin 600 000 weitere Arbeitsplätze dran hängen. Die weitgehende Subventionierung und Abschottung der Konkurrenten vom europäischen Markt ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Sie erklärt sich einzig und allein aus der Bedeutung des Zugriffs auf eine nationale bzw. europäische Stahlbasis für die europäischen Imperialisten. Das ist eine Reaktion auf die Verschärfung der ökonomischen, politischen, militärischen und ideologischen zwischenimperialistischen Widersprüche. Deren tiefere Ursachen ist die Krise der Neuorganisation der internationalen Produktion. Vor allem im Hinblick auf die Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs ist Stahl als Grundstoff unverzichtbar: für die im Hinblick auf den Weltmarkt strategischen Branchen und vor allem für die Rüstungsindustrie.