Mit dem Bundeskanzler

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Stahlgipfel: Vereinheitlicht auf die Forderungen der Stahlkonzerne

Gestern Mittag traf sich Bundeskanzler Friedrich Merz mit 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für zwei Stunden im Kanzleramt zu einem „Stahldialog“. Mit dabei waren die Kabinettsmitglieder Lars Klingbeil, Katherina Reiche, Bärbel Bas und Carsten Schneider, die Regierungschefs der sieben Bundesländer mit Stahl-Standorten, zehn Vertreter von Stahl-Unternehmen und sieben Gewerkschafts-Vertreter, darunter IG-Metall-Vize Jürgen Kerner.

Von gp
Stahlgipfel: Vereinheitlicht auf die Forderungen der Stahlkonzerne
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Nach Worten des Kanzlers befindet sich die Stahlindustrie in einer „existenzbedrohenden Krise.“ Trotzdem war man sich schnell einig und „zufriedener als gedacht“, so Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (SPD). Unter den Kolleginnen und Kollegen gibt es immer wieder die Forderung nach Eingriffen des Staates, verbunden mit der Hoffnung, dadurch ihre Arbeitsplätze zu retten bzw. sicherer zu machen. Was wurde auf dem Treffen aus ihren Hoffnungen? Alles in trockenen Tüchern, können die Kolleginnen und Kollegen in der Stahlindustrie und ihre Familien jetzt wieder ruhig schlafen?

Einigung auf die Forderungen der Stahlkonzerne

Vor dem Treffen hatten die Stahlmonopole nochmals ausdrücklich ihre Forderungen vorgetragen: Dauerhafte Senkung der Energiekosten durch einen Industriestrompreis und Senkung der Netzentgelte, staatliche Maßnahmen gegen Konkurrenten, Vorrang für Stahl deutscher Konzerne in öffentlichen Ausschreibungen.

 

Das Treffen hat sich im Wesentlichen eins zu eins auf diese Forderungen der Stahlindustrie vereinheitlicht und unterstützt sie. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um Absichtserklärungen, weil alle vom Treffen geforderten Maßnahmen erst noch von der EU in Brüssel genehmigt werden müssen.

 

  1. Die deutsche und die europäische Stahlindustrie sollen durch staatliche Maßnahmen im Konkurrenzkampf gegen Importe aus Drittländern geschützt werden. Deshalb wird der Vorschlag der EU-Kommission, die zollfreie Belieferung aus Drittländern drastisch auf 18 Mio. Jahrestonnen (Jato) zu beschränken, unterstützt. Außerdem soll für jede darüber hinaus gelieferte Tonne Stahl der Zoll von 25 auf 50 Prozent erhöht werden. Das ist eine drastische Maßnahme im Wirtschaftskrieg!
  2. Wirtschaftsministerin Reiche (CDU) plant eine Senkung des Industriestrompreises auf 6 Cent/kWh ab Januar 2026 für zunächst drei Jahre. Während private Haushalte nach wie vor 23,7 Cent/kWh beim günstigsten Anbieter bezahlen müssen, kosten diese Subventionen den Steuerzahler jährlich rund 1,5 Mrd. Euro. Das muss aber von Brüssel genehmigt werden, da die Stahlindustrie bereits durch die von der Bundesregierung für branchenübergreifend 350 Unternehmen beschlossene Strompreiskompensation subventioniert wird. (1)
  3. Außerdem will sich Bundeskanzler Merz in der EU dafür einsetzen, dass "europäischer Stahl und auch deutscher Stahl präferiert verwendet werden. Wir müssen unsere Märkte schützen und unsere Hersteller schützen“, so der Kanzler. Mit anderen Worten „deutscher Stahl zuerst!“ Diese sozialchauvinistische Losung soll auch die Stahlarbeiter beeinflussen, "ihren" Konzern zu unterstützen anstatt sich länderübergreifend mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenzuschließen. 

Weitere Subventionen

Bereits am vergangenen Mittwoch haben sich die EU-Umweltminister darauf verständigt, der EU-Kommission eine Verlangsamung beim schrittweisen Auslaufen der Zuteilung kostenloser CO₂-Zertifikate für die Industrie zu empfehlen. Während die breiten Massen für die steigende CO2-Bepreisung tiefer in die Tasche greifen müssen, werden Hauptemittenten von der CO2-Bepreisung befreit und durch den Verkauf nicht genutzter Zertifikate noch subventioniert! Das heißt, die Stahlkonzerne bekommen vermehrten CO2-Ausstoß erlaubt. Klimaziele? Nicht von Interesse. Merz will auch, dass die EU bei den Förderrichtlinien bezüglich Direktinduktion auch Gas zulässt. Bereits von der Bundesregierung beschlossen sind zudem Entlastungen bei den Strom-Netzentgelten ab 2026, von denen vor allem die Unternehmen profitieren.

Wie ist das Ergebnis zu bewerten?

  • Für die Stahlarbeiterinnen, Stahlarbeiter und ihre Familien ist das einzige Ergebnis, dass sie zusätzlich für die neuen staatlichen Subventionen zur Kasse gebeten werden. An der geplanten Vernichtung von 11 000 Arbeitsplätzen bei Thyssenkrupp Stahl und möglicherweise zusätzlichen 3000 bei HKM in Duisburg ändert sich rein gar nichts.
  • Die Forderung und Unterstützung protektionistischer Maßnahmen spiegeln den Rückfall der deutschen und europäischen Stahlindustrie wider. Sie sind Ausdruck des verschärften Handels- und Wirtschaftskrieges zwischen den verschiedenen alten und neuen imperialistischen Ländern. Warum sollen sich die Stahlarbeiter über den kapitalistischen Konkurrenzkampf und die kapitalistischen Krisen den Kopf zerbrechen? Doch höchstens dazu, wie dem grundsätzlich ein Ende gesetzt werden kann.
  • Auf dem Hintergrund des weltweiten Handels- und Wirtschaftskrieges haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Stoßrichtung „deutscher Stahl zuerst“ auf eine sozialchauvinistische Position geeinigt.
  • Die geforderten Maßnahmen sind vor allem eine strategisch politische Entscheidung für den Erhalt einer nationalen bzw. europäischen Stahlindustrie im Interesse der führenden hier ansässigen Übermonopole. So schreibt die Stuttgarter Zeitung vom 4.11.: „Ein Staat ohne eigene Stahlproduktion kann sich der wirtschaftlichen und militärischen Erpressung durch konkurrierende Mächte nur schwer erwehren.“ Deshalb hat Kanzler Merz als Ziel ausgemacht, dass "wir auf Dauer Stahlproduktion in Deutschland erhalten." Das gilt vor allem für die strategisch wichtigen Branchen wie Maschinenbau, Auto und vor allem Rüstung.


    Darum geht es im Kern: Die in Deutschland ansässigen Monopole wollen für Kriegsvorbereitung und Kriegsführung eine eigene Stahlbasis erhalten. Das soll der Staat als Dienstleister der Monopole gewährleisten. Kritische Stimmen kommen u.a. vom FDP-Vorsitzenden Christian Dürr, er ist gegen "Markteingriffe und Zölle". Als ob „Markteingriffe“ im staatsmonopolistischen Kapitalismus nicht zu einer der ureigensten Aufgaben des Staates als Dienstleister der Monopole gehören. 

 

Die Hoffnung, der Staat kümmere sich um die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Stahlarbeiter und ihrer Familien, ist eine Illusion. Der einzig erfolgversprechende Weg ist der Zusammenschluss der Stahlarbeiterinnen, Stahlarbeiter und ihrer Familien, über Konzern- und Ländergrenzen hinweg. Dies ist heute nur möglich in Verbindung mit dem Kampf gegen die akute Weltkriegs- und faschistische Gefahr und gegen die globale Umweltkatastrophe – mit der Perspektive eines gesellschaftsverändernden Kampfes.