Ein ermutigendes Beispiel aus Halle an der Saale

Ein ermutigendes Beispiel aus Halle an der Saale

Solidarität hilft siegen! Auch im Kampf um jeden Arbeitsplatz

Am 4. November fand ein Arbeitsgerichtsprozess in Halle statt, wie es ihn schon seit langem nicht mehr gegeben hatte.

Von Frank Oettler, Straßenbahnfahrer, Halle

20 Kolleginnen und Kollegen, fast alle selbst Straßenbahn- oder Busfahrer/innen waren gekommen, um Steffi R. und ihrer brillanten jungen Rechtsanwältin der DGB-Rechtschutz GmbH solidarisch zur Seite zu stehen. Obwohl die meisten von ihnen in einer 6-Tage-Arbeitswoche und einem chaotischen 6-Schichtsystem arbeiten müssen, kamen sie im Frei, tauschten Dienste oder nahmen Urlaub, um in diesen Stunden bei ihrer Kollegin zu sein.

 

Die Straßenbahnfahrerin Steffi R. klagte mit Unterstützung von ver.di und den vielen anwesenden Kolleginnen und Kollegen gegen die Geschäftsleitung der HAVAG gegen ihre Kündigung. Ihr wurden zu viele Krankheitstage in den letzten drei Jahren ihrer Tätigkeit vorgeworfen. Im Verfahren stellte die Richterin fest, dass die vorgerechnete Anzahl von Fehltagen auf Grund von Krankheiten nicht annähernd den Tatsachen entsprach, genauso wenig wie die Feststellung der Vertreter der HAVAG-Geschäftsleitung, es sei auch keine positive Prognose zur weiteren gesundheitlichen Entwicklung unserer Kollegin zu erwarten.

 

Über 40 Jahre ist Steffi nun in diesem Betrieb tätig. Gut 37 Jahre waren die Geschäftsführer und Abteilungsleiter mit Steffi und ihrer Arbeit zufrieden gewesen. Jetzt wollten die Vertreter der Geschäftsleitung nachweisen, dass es für sie nicht mehr wirtschaftlich, nicht mehr genug gewinnbringend sei, Steffi ab nächstes Jahr weiter als Straßenbahnfahrerin zu beschäftigen. Zugleich legten die Geschäftsleitungsvertreter ein Gejammer an den Tag, dass man für die Tätigkeit als Straßenbahnfahrer- bzw. -fahrerin in Halle keine Arbeitskräfte fände.

 

Aber warum beschäftigen sie dann Steffi R. nicht weiter, wenn sie keine Arbeitskräfte finden, sie will doch arbeiten, fragte nun die Richterin. Das brachte den Saal zum Lachen. Ein böses Raunen ging durch die Reihen der anwesenden Kolleginnen und Kollegen, als daraufhin der Abteilungsleiter von Steffi ungefragt den Satz einwarf: "Sie kommt ja nicht arbeiten!" Und das, nachdem die Richterin bereits zu der Feststellung kam, dass Steffi nicht wesentlich mehr Krankentage hatte wie der Durchschnitt der Fahrerinnen und Fahrer.

 

Die Rechtsanwältin der Geschäftsleitung, spürbar immer mehr in der Defensive, versuchte es dann immer wieder mit Unterbrechung oder Hineinreden in die Ausführungen der Richterin. Damit konnte sie letztlich auch nichts mehr gewinnen. Die Frage an sie, ob sie sich vorstellen könne, nun Steffi doch weiter zu beschäftigen, verneinte sie. Das Urteil der Richterin und ihrer beiden Schöffen, das nun folgte, war nur gerecht: Die Geschäftsleitung muss unsere Kollegin zu gleichbleibenden Konditionen weiter beschäftigen! Wir sind gespannt, ob die HAVAG-Geschäftsleitung gegen das Urteil vorgeht. Wir, und weitere Kolleginnen und Kollegen, die an diesem denkwürdigen Prozesstag nicht kommen konnten, stehen schon bereit. Einer und Eine für Alle! Alle für Eine und Einen! Solidarität hilft siegen!