Argument

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Ein schönes Stadtbild! - Zwei wahre Geschichten

Es ist ein trüber Tag. Leichter Nieselregen. Marianne und Wolfgang gehen wie jede Woche auf ihren örtlichen Markt. Seit 40 Jahren wohnen sie nun schon hier.

Korrespondenz

Der Stadtteil ist zunehmend verarmt. In er einst prachtvollen Einkaufstraße steht vieles leer. Zugleich pulsiert hier das Leben: Viele Migranten wohnen hier und beleben die Straße, Kinder spielen, man sitzt zusammen. Marianne ist nicht mehr gut zu Fuß, deshalb schiebt Wolfgang sie im Rollstuhl durch die Straße. Marianne moppert vor sich hin: „Hier spricht auch keiner mehr deutsch. Nur noch Ausländer hier.“ In diesem Moment bleibt Wolfgang mit dem Rollstuhl am Kopfsteinpflaster hängen, Marianne fällt aus dem Rollstuhl. Zum Glück verletzt sie sich nicht. Aber das erste, was ihr rausrutscht: „Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort.“ Dann geschieht noch etwas, was Marianne überrascht und sie gleich ihrer Freundin erzählt: „Weißt du, wer sofort Hilfe angeboten hat – es waren die Migranten! Die Deutschen sind weiter gelaufen.“ Beeindruckt stellt sie fest, dass in „deren“ Kultur der Zusammenhalt und Hilfe gegenüber Älteren eine große Bedeutung haben. So schnell kann sich der Blick auf das Stadtbild ändern!

 

Nadine ist mal wieder mit ihren Gedanken wo anders. Bei der Heimfahrt von der Arbeit nach Hause mit dem Fahrrad merkt sie nicht, wie ihre Jacke aus dem Fahrradkorb fällt – darin das Handy! Sie bemerkt es erst zu Hause und ist verzweifelt. Was sie nicht weiß: Bei Nadines Vater ruft zeitgleich ein älterer Mann mit arabischem Akzent an. Er hat Nadines Sachen gefunden und geistesgegenwärtig „Papi“ angerufen! Sie vereinbaren einen Treffpunkt. Der Mann – ein älterer Geflüchteter – und sein behinderter Sohn kommen auf klapprigen Fahrrädern angefahren. Mehrere Kilometer haben sie zurückgelegt, um Handy und Jacke zurück zu bringen. Der Mann weigert sich, einen Finderlohn anzunehmen. Es kostet „Papi“ einiges an Überzeugungskraft, bis er zumindest dem Sohn eine Pommes und Cola ausgeben darf. Nadine ist erleichtert und gerührt über so viel Selbstlosigkeit. Was für ein schönes Stadtbild!

 

Die Geschichten zeigen: Migranten bereichern unser Stadtbild und unser Leben, weil sich die fortschrittlichen Seiten jeder Kultur durchdringen. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch bei Migranten schlechte Eigenschaften gibt – die haben aber nichts mit der Herkunft zu tun, sondern sind Einfluss des grenzüberschreitenden kapitalistischen Egoismus und von Verrohung. Die Geschichte zeigt auch: Auch wer zunächst von der Hetze gegen Migranten oder Angst vor Unbekanntem beeinflusst ist, kann Erfahrungen machen und sich verändern!