Freihandelsabkommen zwischen EU und Lateinamerika

Freihandelsabkommen zwischen EU und Lateinamerika

Merz und der Mercosur

Bundeskanzler Friedrich Merz frohlockte am Ende des jüngsten EU-Gipfels in Brüssel: Beim Freihandelsabkommen der EU mit Lateinamerika gebe es einen Durchbruch.

Von Anna Bartholomé
Merz und der Mercosur

„Es gibt aus den Mitgliedsstaaten jetzt keine Vorbehalte mehr. Es ist erledigt. Es ist durch.“.Der Weg für das Abkommen sei frei. Das war ein bisschen voreilig, Frankreichs Premier Macron und Österreich grätschten dazwischen. (1) Von wegen Zustimmung aller 27 EU-Regierungen. Völlig unklar, ob es noch in diesem Jahr zu einem Abschluss kommt. Was lange währt, wird eben noch längst nicht immer gut – da kann ein Friedrich Merz noch so sehr drängeln.

 

Schon vor 25 Jahren wurden Verhandlungen zwischen der EU und den vier lateinamerikanischen Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay aufgenommen. Eine der weltweit größten Freihandelszonen mit zusammen knapp 720 Millionen Einwohnern (447 in der EU und 272 in Lateinamerika) sollte entstehen. Mit anderen Ländern wurde um Assoziierungen für die versprochene Zollfreiheit gebuhlt. Aber es gab und gibt heftigen Gegenwind. Allergrößte Bedenken und Kritiken bringen seit Jahren Umweltschützer und Menschenrechtsvertreter in beiden Kontinenten auf den Verhandlungstisch: Eine aggressive Agrarpolitik, besonders in Argentinien und Brasilien, ist mit der tausendfachen Vertreibung von Kleinbauern und indigenen Gemeinden verbunden. Die Urwaldabholzung und der großflächige Pestizideinsatz fördert vor allem Monokulturen mit Soja und Zuckerrohr und dient der gewaltsamen Erschließung neuer Weideflächen.

 

Zu Recht fürchten die Kritiker die Absenkung der minimalsten Umweltschutzmaßnahmen und der Arbeitsrechte der Landproletarier und der im Transport Beschäftigten. Die größten Exporte aus dem Mercosur nach Europa sind neben Nahrungsmitteln und pflanzlichen Produkten (z.B. Soja für die Massentierhaltung) mineralische Rohstoffe. Nach wie vor in steigenden Mengen sind das traditionell Öl und Kohle, zunehmend aber auch unter dem Label der hiesigen Nachhaltigkeit geförderte für die Elektrifizierung und Batterieproduktion unerlässliche Lithiumvorkommen, seltene Erden und Kupfer. Mehr geträumt als realisiert ist die Produktion von „grünem Wasserstoff“ – auf Kosten der Wasservorräte.

 

Die EU exportiert schon jetzt Maschinen und Geräte, Chemikalien und pharmazeutische Produkte und „Transportausrüstung“ nach Lateinamerika. Darunter leidet auch die einheimische Industrie dieser Länder. Ganz besonders die krisengeschüttelte deutsche Automobilindustrie verspricht sich dagegen neue Absatzmöglichkeiten in den Mercosurländern, wo von einem Verbot der Verbrennerautos noch nicht die Rede ist. In den Niederlanden und Frankreich fuhren Bauern mit ihren Traktoren auf – sie fürchten konkurrierende Fleischimporte, weil drüben die Löhne für Landarbeiter niedriger, die Qualitätskontrollen fragwürdiger sind.

 

Merz Drängelei hat gute Gründe – in Lateinamerika kämpft besonders der US-Imperialismus mit dem chinesischen Hauptrivalen um die Vorherrschaft bei der Ausplünderung von Mensch und Natur. Und unbedingt will da die EU und vornedran der deutsche Imperialismus den Fuß in der Tür haben. An demagogischen Versprechungen fehlt es nicht und sie werden um so blumiger, je tiefer die Wirtschaftskrise, gerade auch in Deutschland wirkt. Vor einem knappen Jahr, am 6. Dezember 2024, jubelte Merz’ Parteikumpanin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Gipfeltreffen in Montevideo, samt Händeschütteln mit den Präsidenten von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay über eine Zwischenerklärung: Das sei ein „Meilenstein für die EU-Handelspolitik“. Mit Blick auf die unberechenbare Zollpolitik eine US-Präsidenten Trump behauptete sie: Das Abkommen liefere den Beweis „dass sich die Demokratien aufeinander verlassen könnten“. Es bedeute „mehr Arbeitsplätze und gute Arbeitsplätze, mehr Auswahl und bessere Preise.“ Aber wer soll das glauben?

 

Aufklärung und gemeinsamer Widerstand sind nötig. Denn alles in allem geht solcherlei „Freihandel“ zulasten von Klima, Bäuerinnen, Bauern, Arbeiterinnen und Arbeitern - auf beiden Seiten des Atlantik.