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Ford: Aggressiver Kurs - zugleich in der Defensive

Am 28. Oktober fanden auf Druck der Belegschaft und aufgrund der Angst von Ford vor weiteren Protesten und Streiks außerordentliche Betriebsversammlungen bei Ford Köln auf mehreren Schichten statt.

Von einem Korrespondenten
Ford: Aggressiver Kurs - zugleich in der Defensive
Kämpferische Fordkollegen auf dem Weg zur Betriebsversammlung im Juli 2025 (rf-foto)

Dort wurde verkündet, dass Ford die Vernichtung von fast 1000 weiteren Arbeitsplätzen in der Fertigung noch schneller durchziehen will. Bereits ab 1.1.2026 sollen nur noch auf einer Schicht Autos gebaut werden. Um das durchzukriegen, ließ die Geschäftsleitung durchblicken, bei den Abfindungen noch mal Geld in Form einer Sonderprämie draufzulegen. Ford scheint unter enormem ökonomischem Druck zu stehen in der internationalen Vernichtungsschlacht der Autoindustrie. Der Konzern geht aggressiv vor in Richtung Werkschließung.

Inakzeptabel: Weitere Arbeitsplatzvernichtung und Lohnkürzung

Zur Erinnerung: Die Unterschrift unter den „Sozialtarifvertrag“ Anfang September war kaum trocken, da verkündete Ford, bis Ende des Jahres zu den schon geplanten etwa 3.500 noch mal 1000 Kollegen loswerden zu wollen. Dazu soll es eine massive Lohnsenkung durch den Wegfall der Spätschichtzulagen geben. All das macht die Kollegen wütend. Es brodelte vor allem in der Fertigung. Das ist Ford nicht geheuer. Der Gesamtbetriebsrat kapituliert: Es reiche, wenn Ford noch mal Geld nachlegt bei der Abfindung. Das US-Management muss dieser Lösung aber erst noch zustimmen.

 

Massiv wird Niederlagenstimmung verbreitet Eine ARD-Doku titelte: „Wie Ford unter die Räder kommt“. Entsprechend auch die „Update-Betriebsversammlung“, wie sie Betriebsratsvorsitzender Benjamin Gruschka nannte. Er wolle die Belegschaft informieren, „alles transparent“ darlegen. Davon kann man aber nicht sprechen, viele Details blieben unklar. Die Geschäftsleitung in Person von Herrn Wassenberg glänzte durch Schweigen. Ford könnte ruhig berichten von seinen weltweit 50,5 Milliarden Umsatz. Angesichts dessen ist die Forderung ein Witz, dass Ford lediglich für sechs Monate Schichtausgleich zahlen solle für die, die auf der Frühschicht weiter arbeiten. Das bedeutet, ab Juni bekommen die Kolleginnen und Kollegen, die teilweise 30 bis 40 Jahre hier auf Spätschicht gebuckelt und ihre Gesundheit und ihr Familienleben dafür vernachlässigt haben, hunderte Euros weniger. Inakzeptabel!

 

Dazu sollen weitere vier Bereiche, unter anderem Ford Land und Gastro&Service jetzt doch schneller verkauft werden als gedacht. Das heißt für die Kolleginnen und Kollegen, sie müssen den Betrieb wechseln oder selbst kündigen, ohne einen Cent Abfindung. Dem Werkzeugbau und der Schmiede droht die Schließung, wenn nicht bis 30.6.2026 ein Käufer gefunden wird.

 

Die Entwicklung zeigt, wovor kämpferische Kolleginnen und Kollegen, wachsame Gewerkschafter und die MLPD gewarnt haben: Der Sozialtarifvertrag öffnet Tür und Tor für die Abwicklung der Arbeitsplätze. Dieser Salami-Taktik zur Schließung des ganzen Werkes steht der Widerstand der Belegschaft entgegen. Bei der Aussprache gingen mutig sechs Kolleginnen und Kollegen ans Mikrofon, verarbeiteten frühere Illusionen und schlugen Forderungen vor. Ein Kollege machte deutlich, wie es sich verändert hat, bei Ford zu arbeiten. Früher machte es ihm oft richtig Spaß, heute ist er ohne Zukunftsperspektive. Unter dem ständigen Druck von Mobbing und Arbeitsplatzvernichtung sei das nicht mehr „seine“ Firma. Ein anderer stellte fest: Im Frühjahr war noch von hohen Abfindungen die Rede, jetzt zeige Ford „sein wahres Gesicht“! Er kam zu der Schlussfolgerung, das müssen „Falschspieler“ sein. Recht hat er! Mit Satire machte sich einer über Ford-Chef Wassenberg lustig. Von „ehrfürchtigem Respekt“ war nichts zu spüren ...

Erfolg durch den Kampf der Belegschaft!

Dass es sich lohnt zu kämpfen, machte eine Kollegin aus der Y-Halle klar. Sie berichtete darüber, dass die Bänder in der Fahrzeugfertigung langsamer gestellt wurden, nachdem das auf den letzten Betriebsversammlungen immer gefordert wurde und sich dazwischen viele Kolleginnen und Kollegen vor allem der Logistik gemeinsam beschwert haben. Obwohl die Bänder nun langsamer sind, ist die Fahrzeugfertigung immer noch chronisch unterbesetzt und müssen öfter die Bänder anhalten. Es muss abwechselnd produziert werden und ganze Schichten werden abgesagt. Im Ersatzteillager gibt es sogar Überstunden!

 

Auch politisch wurde die Situation eingeordnet. Dass es eben nicht nur einfach Fehlentscheidungen des Ford-Managements sind, die diese Arbeitsplatzvernichtung auslösen, sondern der kapitalistische Konkurrenzkampf die tiefere Ursache ist. Dafür stehen die nationalistische Politik eines Donald Trump mit „America first“ oder Merz’ Parolen, „alles für die Wirtschaft“ zu tun. Am liebsten den Acht-Stunden-Tag abschaffen, das Renteneintrittsalteralter erhöhen und so weiter. Kritisiert wurde auch seine Hetze gegen Migranten und dass er damit den Kurs der AfD einschlägt. Eine Kollegin forderte auf, sich weder in Deutsche und Migranten spalten zu lassen noch in verschiedene Werke oder Belegschaften. Wie die Arbeiter und die breiten Massen der Welt in der Solidarität mit dem palästinensischen Volk bewiesen haben, kann man gemeinsam die Herrschenden unter Druck setzen und etwas erreichen.

Es ist Zeit für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich

Eine Kollegin wies nach, dass es jetzt an der Zeit ist, die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchzusetzen. Damit könnten viele Arbeitsplätze erhalten bleiben. Als Konzernvereinbarung bei Ford, aber auch gesellschaftlich ist das der nächste notwendige Schritt: Erstens würde er dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Teilzeitkräfte, meist Frauen, die jetzt 30 Stunden arbeiten wegen Kindern oder der Pflege der Familienmitglieder, hätten dann eine Vollzeitstelle. Das wirkt der Altersarmut, die bei vielen Frauen vorprogrammiert ist, entgegen. Zweitens würde das mehr Kindergärten erfordern und mehr Personal und damit weitere Arbeitsplätze schaffen. Drittens haben Studien längst nachgewiesen, wer 30 Stunden arbeitet, arbeitet viel besser und effektiver als in 40 Stunden. Viertens fließt mehr Geld in die Rentenkassen, wenn die 30-Stunden-Woche normale Arbeitszeit wird.

 

Bisher scheut die IG-Metall-Führung dieses Thema, mit der offiziellen Begründung, dann müsse der Manteltarifvertrag geöffnet werden. Das ist nur teilweise richtig. Eine Konzernvereinbarung geht auch ohne Öffnung. Aber auch gesamtgesellschaftlich ist es notwendig, bundesweit als DGB diese Forderung zu erkämpfen. Dafür sollten die von der IG Metall und Verdi geplanten sozialen Proteste genutzt werden. Da es aktuell kein gesetzliches Streikrecht gibt, müssen die Kollegen der Gewerkschaftsbasis den Kampf dafür auch selbstständig organisieren.