Kampf dem Sexismus

Kampf dem Sexismus

Betäubt, vergewaltigt – ein aktuelles Thema für den Tag gegen Gewalt an Frauen

„Jeden Tag werden mehr als 140 Frauen und Mädchen in Deutschland Opfer einer Sexualstraftat. Sie werden Opfer, weil sie Frauen sind. Das ist unerträglich – und verlangt konsequentes Handeln.“ So Ex-Inneministerin Nancy Faeser (SPD) im Lagebericht (1) der Bundesregierung vom 19. November 2024 zum Thema geschlechtsspezifischer Straftaten gegen Frauen.

Von uh/Tübingen
Betäubt, vergewaltigt – ein aktuelles Thema für den Tag gegen Gewalt an Frauen
Tag gegen Gewalt an Frauen 2024: Die dunklen Münchner Straßen wurden hell erleuchtet von der Demonstration mit 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (rf-foto)

Die Dunkelziffer ist hoch. Nur einer von zehn Fällen wird angezeigt. Aus verschiedenen Gründen: zum einen Scham, Angst, Traumatisierung der Betroffenen, zum anderen auch Misstrauen in Polizei und Justiz. Laut dem Kriminologen Christian Pfeiffer erlebt nur eine von 100 Frauen, die vergewaltigt werden, die Verurteilung des Täters. (2)

 

Vergewaltigung unter Betäubungsmitteln gehört zum Dunkelfeld. Erst seit Gisèle Pélicot, jetzt nach ihrer Scheidung Gisèle Guillou, rücken diese perfiden Straftaten ins öffentliche Bewusstsein. Sie wurde von ihrem Mann ca. zehn Jahre lang betäubt, vergewaltigt, gefilmt und verkauft. „Die Scham muss die Seiten wechseln“, mit dieser Haltung wurde Gisèle Guillou zum Vorbild für betroffene Frauen und Ansporn für die kämpferische Frauenbewegung im Kampf gegen Sexismus. Dass diese ungeheuerlichen Verbrechen an Frauen jetzt ans Licht kommen und große gesellschaftliche Beachtung finden, ist auch dem gewachsenen Frauen- und proletarischen Klassenbewusstsein geschuldet.

 

Erneut war sie in den Schlagzeilen: Einer der Täter ging in Revision. Der Mann zeigte vor Gericht weiterhin keinerlei Schuldbewusstsein, es sei ein Spiel gewesen. Gisèle Guillou reagiert empört. "Sie kommen durch die Tür, wann habe ich Ihnen meine Zustimmung gegeben? Sie vergewaltigen mich, zwei Stunden sind eine lange Zeit, ich schäme mich für Sie", sagte sie im Zeugenstand. Er scheitert, sein Strafmaß erhöht sich um ein Jahr auf zehn Jahre.

 

Dass Gisèle Guillou kein Einzelfall ist, enthüllen zwei mutige Journalistinnen des NDR in Recherchen des Reportageformats STRG_F. In einem erschütternden Film in Panorama erfahren wir von dem Vergewaltigungs-Netzwerk und einer Telegram-Gruppe mit über 70 000 Mitgliedern. „Über Jahre ist das Netzwerk auf öffentlich zugänglichen Pornoseiten ... und in geschlossenen Telegram-Gruppen gewachsen. Mutmaßliche Vergewaltiger, darunter viele Deutsche, konnten sich dort vernetzen, Anleitungen teilen, darüber an K.o.-Mittel kommen, Vergewaltigungen planen und Videos der Taten hochladen." (3)

 

15 Jahre lang wird Marlene (4) von ihrem Mann betäubt, vergewaltigt und gefilmt. Millionenfach werden die Filme angeklickt. Das geben die Journalistinnen über das BKA an die zuständige Hamburger Polizei 2023 weiter. Und was tut diese? Ein ganzes Jahr lang NICHTS. Erst auf Nachfrage wird die Adresse des Täters ermittelt. Marlene: „Da bin ich also sprachlos darüber, dass ich erfahren habe, dass das seit Juli 23 bekannt ist. Das ist unverständlich in meinen Augen. Da muss schneller reagiert werden. Denn es ist bei mir nachgewiesen, dass ich seit August alle 14 Tage betäubt und missbraucht und vergewaltigt wurde. Und irgendwann hätte mein Mann mich getötet." (ebenda)

 

Inzwischen gibt es zu diesem schweren Versäumnis polizeiinterne Ermittlungen. Laut Dr. Marcel Schöne, Direktor des sächsischen Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung ist der verbreitete Sexismus in der Polizei nachgewiesen und ein großes Problem. Das ist Ausdruck der Faschisierung des Staatsapparats und Ausdruck der Rolle der Frau im Kapitalismus. Frauen werden als Teil der bürgerlichen Staats- und Familienordnung besonders unterdrückt. Zu dieser Unterdrückung gehört auch der weit verbreitete Sexismus.
Inzwischen warnt das BKA in einer „Sensibilisierungskampage“ selbst vor den Gefahren, bis hin zu „potenziell lebensbedrohlich für die Opfer“, die von derartigen internationalen Vergewaltiger-Netzwerken ausgeht. Obwohl das alles den deutschen Ermittlungsbehörden seit zwei Jahren bekannt ist, folgen keine Taten, keine zentrale Stelle zur Bekämpfung dieser Täterstrukturen, was sogar Jan Reinecke vom Hamburger Bund deutscher Kriminalbeamter empört.

 

Die Untätigkeit der Polizei wiederum fördert das fehlende Unrechtsbewusstsein der Täter. Sie posten das erste Video im Clearweb (öffentliches Netz) vielleicht noch mit einem mulmigen Gefühl, aber mit jeder Woche, in der nichts passiert, werden sie immer sicherer, so die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh. Saimeh weiter: Das Unrechtsbewusstsein löse sich völlig auf, da es in solch einer Community keine negativen Resonanzen gebe. Da helfen nur Anzeigen. "Nach meinem Dafürhalten muss man solche Plattformen von den Strafverfolgungsbehörden entsprechend ins Visier nehmen, denn auf diesen Plattformen finden diese Taten statt und werden diese Taten geplant." (5)

 

Die öffentlichen Pornoseiten werden millionenfach angeklickt. Sexualität, Macht, Gewalt werden verknüpft, was eine destruktive Wirkung besonders auf die Jugend hat. „Besonders schädlich ist die destruktive Wirkung des Sexismus auf die Denk- und Lebensweise der Massen, Frauen und Kinder zu erniedrigen und abschätzig zu behandeln und dem auch noch gesellschaftliche Akzeptanz zu verleihen, zersetzt das Klassen- und Frauenbewusstsein. Persönliche Liebesbeziehungen erscheinen auf einmal langweilig, nur ein immer härterer Kick erzeugt angeblich Befriedigung und kann zu einer regelrechten Sexsucht führen.“ (6)

 

Vergewaltigung ist in Deutschland verboten, ebenso das Verbreiten von Filmen darüber. Aber erlaubt ist der Besitz dieser Filme!! Ein Widerspruch in sich. Das Justizministerium antwortet auf entsprechende Anfragen der Journalistinnen: „Kriminalpolitisch ist es nach derzeitiger Einschätzung des Bundesministeriums der Justiz nicht geboten, dies zu ändern“. Zu Interviews sind sie nicht bereit.

 

„Sexismus und Pornographie sind keine 'Privatsache', sondern Teil der Destruktivkräfte des imperialistischen Weltsystems. Dementsprechend müssen sie in der Strategie und Taktik der Arbeiterklasse mit 'Nulltoleranz' bekämpft werden.“ (ebenda ) Die Täter müssen entlarvt und bestraft, die Pornoseiten abgeschaltet werden.

 

Die MLPD steht für die proletarische Moral: „Unverkrampfte Liebesbeziehungen, Lebensfreude, Sex auf der Basis von Liebe und Zuneigung, Optimismus, gleichberechtigte Zusammenarbeit, gegenseitiger Respekt im Kampf gegen jede kleinbürgerlich-sexistische Denk- und Lebensweise.“ (ebenda S. 187)