Festliche Veranstaltung

Festliche Veranstaltung

Sie prägten die MLPD, die MLPD prägte sie: Drei Jubilare für 50 Jahre Mitgliedschaft geehrt

Im Mittelpunkt eines schönen Fests am vergangenen Sonntag im Kultursaal der Horster Mitte standen drei Persönlichkeiten: Jutta Zimmermann, Otwin Herzig und Stefan Engel. Sie wurden 1975 Mitglied im KABD, der Vorläuferorganisation der MLPD. Und die ehrte sie am 12. Oktober für 50 Jahre Mitgliedschaft.

Von gis
Sie prägten die MLPD, die MLPD prägte sie: Drei Jubilare für 50 Jahre Mitgliedschaft geehrt
Von rechts: Otwin Herzig, Stefan Engel, Jutta Zimmermann. Am Stehtisch: Gabi Fechtner, Peter Weispfenning

Aus ganz Deutschland, aber auch aus der Nachbarschaft, waren fast 300 Genossen, Genossinnen, Freunde, Wegbegleiter und Zeitzeugen gekommen, um mit ihnen zu feiern. Drei unterschiedliche Menschen, alle gelernte Arbeiter, verbunden durch ihren Einsatz für den echten Sozialismus und den Stolz auf ihre MLPD. Ein Fest, wie es typisch ist für die MLPD und ihre Kultur: Die Reden kurz, das lange Interview kurzweilig, Musik und Lieder kämpferisch und nachdenklich, das Essen - ein Mitbringbüffet von hundert Köchinnen und Köchen - hervorragend, spürbare Liebe zum kleinsten Detail, gute Stimmung, viel Gelächter und manch eine Träne der Rührung. Mit großem Respekt wurde die individuelle Lebensleistung gewürdigt und gleichzeitig wurde klar: Sie prägten die MLPD und die MLPD prägte sie. Deutlich wurde, was die MLPD als "Partei neuen Typs" ausmacht und wie sich der Aufbau der MLPD vollzog. Und beim Rückblick auf die letzten 50 Jahre spielte der Blick in die Zukunft eine Hauptrolle. Vielen Dank an alle, die dieses Fest auf die Beine gestellt haben!

Ehrung für herausragende Lebensleistug

Gabi Fechtner, Vorsitzende der MLPD, und MLPD-Pressesprecher Peter Weispfenning grüßten die drei Jubilare: "Ihr seid alle drei Genossinnen und Genossen der ersten Stunde unserer Partei. Alle drei seid ihr parallel, aber in unterschiedlichen Ecken Deutschlands, 1971 Mitglied im revolutionären Jugendverband/Marxisten-Leninisten geworden und 1975 in den KABD eingetreten. Toll, dass wir heute mit euch, euren Freunden, Familien und Genossen, Bündnispartnern und Mitkämpfern feiern können!" 

 

"Liebe Jutta, mit dem Umzug nach Stuttgart hast du den KABD kennengelernt, warst angezogen von den aktiven Genossinnen und Genossen und einer sozialistischen Perspektive. Du hast dich organisiert und Verantwortung für den Aufbau des Verlag Neuer Weg übernommen und dort das Büro und noch viel mehr 'geschmissen'. 1986 bist du nach Gelsenkirchen gezogen, um das Arbeiterbildungszentrum in Horst mit aufzubauen. Ehrenamtliche Helfer aus ganz Deutschland machten aus einem heruntergekommenen ehemaligen Lehrlingsheim ein Schmuckstück für Seminare, Feiern und Ruhrgebietsurlaub. ... Du machst am liebsten Kleinarbeit und wir kennen dich als unermüdliche Rote-Fahne- und Buch-Verkäuferin. Am liebsten vor dem Betriebstor mitten unter den Kollegen - auch heute noch bei der BP-Raffinerie in Scholven."

 

"Stefan, du bist zweifelsohne der Genosse, der mit Willi Dickhut unsere Partei am meisten geprägt hat. 37 Jahre warst du der Parteivorsitzende der MLPD. Als Gründungsvorsitzender hast du den Leitungsstil und Charakter der Partei wesentlich entwickelt. ... Seit 1991 bist du Leiter der Redaktion Revolutionärer Weg und unter deiner Führung sind 26 Ausgaben dieser Buchreihe erschienen. ... Weit über Deutschlands Grenzen bist du ein international anerkannter Arbeitertheoretiker und hast geholfen, die Revolutionäre und Arbeiter in der ICOR und der Bergarbeiterkoordinierung zusammenzuschließen. Statt an deinem Sessel zu kleben, hast du weitsichtig und einzigartig den Generationswechsel an der Parteispitze organisiert. Für all das ehren wir dich heute und danken dir." 

 

"Otwin, du kommst aus einer Arbeiterfamilie in Karlsruhe. Als gelernter Mess- und Regelmechaniker stehst auch du für die Arbeiter an der Spitze des revolutionären Kampfs. ... Du bist ein richtiger 'Allrounder' und warst in den 50 Jahren an der Spitze der Partei immer bereit, Neues zu lernen und zu machen, was nötig ist. ... Jetzt bist du seit vielen Jahren führend in der Kontrolltätigkeit der Partei. Diese Aufgabe ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. ... Oft hört man "Sozialismus klappt nie - der Mensch ist egoistisch." Dagegen beweist deine und eure Tätigkeit das Gegenteil: Die Denkweise der Menschen ist veränderbar! Die arbeitenden Menschen können mit den kapitalistischen Einflüssen von Egoismus und Trott fertig werden und die solidarische, proletarische Denkweise kann sich durchsetzen!"

Die Zeitreise begann eigentlich schon 1895 ...

Denn von da ab war die Urgroßmutter von Stefan Engel kommunistisch organisiert. Sie spielte für ihn in seiner Jugend eine wichtige Rolle. Als er 14 war, zog sie ihm die Ohren lang und sagte: "Lies endlich mal ein Buch!" Sie gab ihm "Wie der Stahl gehärtet wurde" von Nikolai Ostrowski. Werdegang und Lebensgeschichte von Pawel Kortschagin machten einen bleibenden Eindruck auf ihn und beeinflussten seine Lebensentscheidungen: in früher Jugend politisch aktiv zu werden, an den Kämpfen der Arbeiter teilnehmen, sich zu organisieren, Berufsrevolutionär zu werden. Moderiert durch Eva Wanneck gaben Stefan Engel und Otwin Herzig auf dem roten Sofa ein langes Interview, das nicht eine Minute langweilig wurde. Zu Beginn sang eine Genossin Edith Piafs Lied "Non, je ne regrette rien" - "Nein, ich bedaure nichts", ein Lebensmotto der beiden. Weitere schöne Lieder und kurze Beiträge von Freunden und Genossen ("Zeitzeugen") unterbrachen von Zeit zu Zeit den Redefluss, der die Zuhörerinnen und Zuhörer in seinen Bann zog. Otwin und Stefan waren zunächst in der rebellischen Jugend aktiv und wollten dann in den KABD, in einer Arbeiterpartei für den Sozialismus kämpfen. Die Solidaritätsbewegung gegen den Vietnamkrieg und die Kulturrevolution im damals sozialistischen China waren für beide prägend: "An der Kulturrevolution begeisterte mich, dass man am Sozialismus festhalten, eine Restauration des Kapitalismus verhindern kann", berichtete Otwin. Aber der Weg in den KABD war steinig und mit Hindernissen gepflastert. Die damalige kleinbürgerliche ML-Bewegung ging nicht spurlos an den Anfängen des marxistisch-leninistischen Parteiaufbaus vorüber. "Ich hatte schon zig junge Mitglieder für den Jugendverband gewonnen", so Stefan. "Aber in den KABD, da kamst du nicht rein, wenn du nicht Schwabe warst. Wir waren eine kleine aktive Gruppe, zwei ältere Arbeiter und ich. Ich schrieb 18 Briefe mit Berichten über unsere Arbeit an die Zentrale Leitung des KABD. Keine Reaktion. Bis wir im Januar 1975 ein Flugblatt rausgaben. Darunter hatten wir geschrieben: KABD-Sympathisantengruppe Neustadt - Coburg - Nürnberg. Schon am nächsten Tag bekamen wir einen Brief von der ZL KABD. Ein Satz: 'Es ist euch untersagt, euch KABD-Sympathisantengruppe zu nennen.'" Dieses Theater machten die beiden älteren Genossen nicht mit. Stefan fing zusammen mit Andreas Eifler und Erich Seifert von vorne an. Mit Hilfe von Genossen aus Schweinfurt gelang es ihnen schließlich, Mitglied im KABD zu werden, wo sie noch manche Schlacht gegen Zirkelmentalität und kleinbürgerlichem Dünkel ausfochten. Wer mehr über diese turbulenten Zeiten wissen möchte, ist herzlich eingeladen zur 50-Jahr-Feier der MLPD-Ortsgruppe Neustadt-Coburg am 19. Oktober.

Ein ungewöhnlicher Parteivorsitzender

Stefan Engel und Otwin Herzig haben im Lauf der 50 Jahre in der MLPD auf verschiedene Weise immer wieder zusammengearbeitet. Das war schon in der Vorbereitung der Parteigründung so. "Als 1975 die Hochkonjunktur in Deutschland allmählich zu Ende ging, bahnten sich einige Veränderungen an", so Otwin. "Auf diesem Hintergrund gab es auch im KABD manche Turbulenzen, wir mussten den proletarischen Weg des Parteiaufbaus verteidigen gegen liquidatorische Kräfte, die die mühevolle Kleinarbeit scheuten und lieber 'Hauptseite Theorie' machen wollten. Wir haben uns auf die Arbeiter konzentriert und die Parteigründung sorgfältig vorbereitet." Zeitzeuge Klaus Arnecke schildert, wie der Vordenker und Mitbegründer der MLPD, Willi Dickhut, ihnen als geduldiger Lehrer und Begleiter zur Seite stand, ohne sie jemals zu bervormunden. Monika Gärtner-Engel erzählt, dass Willi Dickhut Stefan ermahnte, mehr Geduld in der Erziehungsarbeit aufzubringen. "Was Stefan Engel immer auszeichnete, war sein unbändiger Wille, alles zu lernen, was notwendig ist. Und dass er nie schwankte, sondern mit diesem eisernen Willen die notwendigen Aufgaben anpackte. So wurde er 1977 mit 23 Jahren Vorsitzender des Jugendverbands und 1979 politischer Leiter des KABD." 1982 konnte nach sorgfältiger Vorbereitung die MLPD gegründet werden und Stefan Engel wurde zum Parteivorsitzenden gewählt. "Ich hatte wenig Ahnung von Leitungstätigkeit, aber ich holte mir Unterstützung. Zum Beispiel Klaus Vowe, der auf eine Karriere als Professor verzichtete und mein Assistent wurde und mir eine Menge beibrachte." "Stefan war nie unnahbar", so Otwin. "Er ist Stratege und Mensch. Er ist ein neuer Typ Parteivorsitzender." Dazu gehört seine enge Verbindung mit den Genossinnen und Genossen an der Basis. Mit den Arbeiterkämpfen, insbesondere im Bergbau. Mit der Jugend. Was Stefan überhaupt nicht leiden kann, ist Schlamperei und Bürokratismus. So hat er darauf bestanden, dass es erstmal Richtlinien für die Leitungstätigkeit gemacht wurden, bevor er sich bereit erklärte, Parteivorsitzender zu werden. Die enge Verbindung mit des Basis und der Kleinarbeit zeichnet auch Otwin aus, wie ein schöner Fotobeitrag seiner Ortsgruppe Bottrop veranschaulichte. Spannende Einblicke in die Zeit bis zur Parteigründung gewährt das dreiteilige Buch "Geschichte der MLPD."

Das macht uns keiner nach! Kontrolle und Selbstkontrolle in der MLPD

Von Beginn an gab es im KABD und in der MLPD eine unabhängige Zentrale Kontrollkommission. "Man musste ja etwas lernen aus der bittersten Niederlage der Arbeiterbewegung, dem Verrat am Sozialismus und der Restauration des Kapitalismus", so Otwin im Interview. "Die Idee war ja von Lenin. Und es war ein großer Fehler von Stalin, dass er in der Sowjetunion die ZKK wieder abgeschafft hat. Die hat sehr gefehlt in den 1930er Jahren in der Sowjetunion." Die ZKK der MLPD wird vom Parteitag gewählt, ist nur diesem gegenüber rechenschaftspflichtig und ist mit einer Reihe von Rechten ausgestattet. Ihr erster Leiter war von 1972 bis 1976 Willi Dickhut, bevor er sich auf die Leitung der Redaktion Revolutionärer Weg konzentrierte. Fehler macht jeder. Entscheidend ist, mit welcher Denkweise man sich dazu stellt. Als die deutsche Wiedervereinigung sich anders vollzog als wir uns das vorgestellt hatten, nämlich nicht durch eine sozialistische Revolution, machten die MLPD und ihre Führung einen schweren Fehler: Sie lehnten die Wiedervereinigung zuerst ab und missachteten die historische Leistung der demokratischen Volksbewegung der DDR. "Ich habe mir geschworen, so etwas passiert mir kein zweites Mal", so Stefan Engel. "Ich muss die dialektische Methode viel besser verstehen und anwenden lernen." Gesagt, getan. Stefan studierte sie eisern und arbeitete mit anderen Genossen zusammen ein ganzes System von Seminaren zur dialektischen Methode aus, an dem bis heute unablässig gefeilt wird. Auch als es in den 1990er Jahren zu einer Fehlentwicklung in der ZKK kam, wurde nicht nur diese gegen einige Widerstände aus der ZKK gestoppt und aufgearbeitet, sondern es wurden weitreichende Schlüsse für die Weiterentwicklung der Kontrolltätigkeit und des Systems der Selbstkontrolle gezogen. "Diese Sache ist so bedeutend für die Arbeiterbewegung, dass wir ihr eigens einen Abschnitt im Revolutionären Weg 40 widmen werden."

Immer an der Spitze bei neuen Aufgaben

Nach 1982 weitete die MLPD ihre Arbeit Zug um Zug auf neue Felder aus. Otwin berichtet, dass Stefan sich bei jeder neuen Aufgabe an die Spitze gestellt hat. Um das neue Feld Frauenarbeit mit Autorität zu versehen, wurde Stefan Engel der erste Frauenverantwortliche der MLPD. Dazu gehörte auch die internationalistische Arbeit. Roland Meister sagte in seinem Zeitzeugenbeitrag dazu: "Ohne Stefan stünden wir heute in der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung niemals so da, mit der revolutionären Weltorganisation ICOR, der United Front und dem großen internationalen Ansehen, besonders auch für unsere theoretische Arbeit." Stefan setzte sich maßgeblich für die ICOR-Gründung ein, prägte den Slogan "Kein Kampf darf mehr alleine stehen" und wurde erster ICOR-Hauptkoordinator. Angefangen hat alles noch viel früher. Stefan und Otwin unternahmen 1988 die erste Auslandsreise für die MLPD, eine gemeinsame Lateinamerika-Reise, drei Wochen Peru, wo damals eine revolutionäre Gärung herrschte, eine Woche Argentinien. "Wir lernten das Land Peru und die Menschen kennen, drangen tief ein in das Land. Unsere riesige Filmkamera hatten wir mit einem Aufkleber versehen, 'German TV'. Das war ein Türöffner. Fotografiert haben wir auch. 12000 DM haben wir für Fotos eingenommen und damit die Reise finanziert", erzählt Otwin. Die damals revolutionäre Partei Patria Roja hatte Masseneinfluss, bekam 16 Prozent der Wählerstimmen. Später geriet sie auf revisionistische Abwege. "Wichtig war uns auch, Standards zu prägen, sich mit den Massen zu verbinden, ihr Leben und ihren Kampf kennenzulernen, oder auch z.B. die Internationalismus-Live-Veranstaltungen." Siehe auch: Peru, die Lunte am Pulverfass Lateinamerika

Generationswechsel

Seit nunmehr achteinhalb Jahren ist Gabi Fechtner Vorsitzende der MLPD. „Der Generationswechsel wurde lange vorbereitet", sagt sie. „Es fing von Anfang an mit dem höchstem Anspruch bei Stefan an. Er hat dann aber auch immer dafür gesorgt, dass man die Arbeit erlernt. Das war schon immer allseitig durchdacht, was muss man eigentlich lernen für solche Führungsaufgaben."

 

Stefan Engel ergreift in diesem Zusammenhang noch einmal das Wort, ein Plädoyer für die Jugendarbeit. "Ich kritisiere an der MLPD, dass die Jugendarbeit nicht richtig gemacht wird. Was der 11. Parteitag beschlossen hat, wurde nicht konsequent umgesetzt. Ohne Jugendarbeit kein Generationswechsel!"

 

Abschließend danken Stefan und Otwin allen Genossinnen und Genossen der MLPD für ihre große Solidarität, auch mit ihnen. "Ohne diese Solidarität kann man diese Arbeit an der Spitze einer revolutionären Arbeiterpartei nicht machen." Und dann wird "Die Partisanen vom Amur" angestimmt ...