BP Gelsenkirchen
Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel – Flucht in die Kriegswirtschaft? Teil 1
Die folgende Korrespondenz beschäftigt sich mit dem Verkauf der BP-Raffinerie Gelsenkirchen und mit den Folgen, die das für die Arbeiterinnen und Arbeiter hat. Wir veröffentlichen sie in zwei Teilen auf Rote Fahne News.
Der BP-Vorstand will die Raffinerie in Gelsenkirchen noch dieses Jahr verkaufen. Was wird aus den 2235 Arbeitsplätzen und 160 Auszubildenden im Ruhrgebiet? Wir Arbeitskollegen im Chemiepark Marl bangen mit. Schließlich sind beide Werke in einem Energie- und Produktverbund gegenseitig abhängig.
technik-einkauf.de meldet am 29. April 2024: Der Mineralölmarkt in seinen Hauptsorten ist um 8,5 Million t in vier Jahren (2019–2023) geschrumpft, ein Minus von 11 Prozent. Solche oder ähnliche Zeitungsmeldungen beschönigen die tatsächlichen Veränderungen in den Raffinerien in Deutschland und weltweit. Sie analysieren nur ein kleines Zeitfenster und klammern den Beginn der Weltwirtschaftskrise 2018 aus. Nimmt man die Jahre 2017–2024, so beträgt der reale Produktionsrückgang minus 24,48 Millionen Jahrestonnen, was –21 Prozent entspricht. Am stärksten schlägt sich dies nieder in Dieselkraftstoffen (–16,1 Prozent), Rohbenzin/Naphta (–26,44 Prozent) und Heizöl (–36 Prozent).
Dieser gravierende Produktionsrückgang hat seine Hauptursache in der Wirkung der Weltwirtschaftskrise seit 2018 und der Strukturkrise durch die Umstellung auf E-Mobilität und erneuerbare Energien mit der Folge der Rückgänge beim Heizöl und Naphta als Ausgangsstoff für chemische Produktion.
BP Gelsenkirchen plant schon seit Anfang 2024 eine entsprechende Anpassung ihrer Anlagen mit einem Abbau von 4 Millionen Jahrestonnen Produktionskapazität an Raffinaten, die jetzt noch bei 12,7 Millionen Tonnen liegt. Wenn dann Kollegen meinen: „Wir haben schon viel erlebt auf diesem Werk – auch das werden wir überleben“, so ist das eine gewaltige Unterschätzung gegenüber den früheren Rationalisierungsmaßnahmen, die auch schon Hunderte Arbeitsplätze gekostet haben. Hier handelt es sich um eine andere Dimension. Ähnlich wie in der Auto- und Stahlindustrie geht es um einen bisher nicht dagewesenen Arbeitsplatzabbau in Raffinerien und Folgeproduktion. Da werden zukünftig auch weitere der noch zwölf Raffinerien in der BRD zum Abschuss freigegeben.
Schon 2024 erklärte der Raffinerieleiter Arno Appel: „Wir sind zu komplex und – nicht nur dadurch – mit strukturell zu hohen Kosten belastet.“ Mit „zu komplex“ meint er die Besonderheit der Raffinerie BP Gelsenkirchen, dass hier Vorprodukte für die chemische Industrie hergestellt werden wie Ethylen, Propylen, C4-Kohlenwasserstoffe und Heizgas, die über Pipelines zwischen den Werken Gelsenkirchen und Marl transportiert werden. Die C4-Produkte werden in Produktionsanlagen im Chemiepark Marl mit ca. 900 Beschäftigten weiterverarbeitet.