Horster Mitte

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Rede von Stefan Engel bei der Feier zum Sieg der Waffenruhe in Gaza

Das Ergebnis dieses Krieges ist, dass Israel und Trump isoliert sind in der Welt wie noch nie. Zuvor hatten 160 Staaten der Welt - von 200 - in der UNO Palästina als Staat anerkannt. Dieses Votum richtete sich gegen Netanjahu, gegen Trump. In Israel ist die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Regierung. Also im Grunde genommen haben sie in diesem Krieg überhaupt nichts gewonnen. Sie sind isoliert.

Rede von Stefan Engel bei der Feier zum Sieg der Waffenruhe in Gaza
Stefan Engel (rf-foto)

Es war ein imperialistischer Krieg. Was ist ein imperialistischer Krieg? Ein Krieg, der Macht und Einflusssphären ausdehnen will. Der Einfluss als Groß-Israel war das Ziel. Möglichst Gaza einzuverleiben, das Westjordanland, ein Teil vom Libanon usw. - alles einzuverleiben für ein Groß-Israel. Das war nicht durchsetzbar. Das ist gnadenlos gescheitert.

 

Über 100.000 Tote, ein völlig zerstörtes Gaza – das ist das verheerende Ergebnis. Berechtigt ist auch die politische Reputation der verantwortlichen Akteure am Nullpunkt angelangt. Berechtigt! Sie konnten den Krieg nicht gewinnen. Sie mussten ihn beenden in einer Situation, in der sie eigentlich nur noch mal eine Stufe aggressiver vorgehen konnten - ganz Gaza zerstören, womöglich taktische Atomwaffen einsetzen, um Gaza und Westjordanland dauerhaft zu besetzen. Das ist nicht gelungen.

 

Ihre Vorhaben sind aus zwei Gründen gescheitert: erstens am Widerstand des palästinensischen Volkes. Sie konnten dieses Volk nicht brechen und werden es niemals brechen können.

 

Zweitens an einer gigantischen internationalen Solidarität wie wir sie seit der Vietnam-Solidarität nicht mehr erlebt haben. Ihr erinnert euch, der Vietnam Krieg war der erste Krieg, den die USA verloren hat. Sie mussten ihn 1975, genau vor 50 Jahren, beenden. Auch dort haben sie nichts gewonnen, sie mussten abziehen. Geschlagen sind sie abgezogen. Die größte Militärmacht der Welt hatte gegen ein kleines Volk verloren. Das war ein Signal für viele Länder der Welt die den Kampf um Befreiung vom Kolonialismus geführt haben.

 

Was ist auf der anderen Seite das Ergebnis? Es wird berechtigt hingewiesen auf die Zerstörung, auf die Toten, auf das Leid. Zum politischen Hintergrund muss man wissen, dass die Befreiungsbewegung in Palästina in einem schlechten Zustand war. Sie hatte sich eine Zeit lang an der Sowjetunion orientiert. Das war ein Fehler, denn sie ist der revisionistischen Führung der Sowjetunion gefolgt. Als die Sowjetunion zusammengebrochen ist, ist auch die Palästina-Bewegung durch ihre Orientierung daran geschwächt worden.

 

Weiterhin gab es Spaltung und Zersetzung. Die palästinensische Bewegung hat sich gespalten und es wurde viel Wühlarbeit geleistet, dass sie sich gespalten hat. Einmal die islamistischen Faschisten, die IS und alle die Faschisten, die einen Gottesstaat errichten wollten. Zugleich muss man wissen, dass ursprünglich Israel die Hamas aufgebaut hat. Die Hamas ist mit von Israel aufgebaut und finanziert worden um die palästinensische Bewegung zu spalten. Die Hamas hat sich allerdings dann verselbstständigt, hat sich neue Bündnispartner gesucht in Katar, in der Türkei und dem Iran und das hat Netanjahu natürlich wiederum nicht gepasst. Aber heute so zu tun, als sei Hamas irgendwo aus dem Nichts bzw. aus dem palästinensischen Volk selbst entstanden, ist Geschichtsklitterung und Unsinn. Hamas hat vor allem durch ihre sozialarbeiterische Tätigkeit und religiöse Propaganda eine Massenbasis aufgebaut bis sie 2006 die Regierung übernommen hat.

 

Ein weiterer wesentlicher Spaltpilz kam über die westlichen Imperialisten, vor allem die USA, aber auch die EU. Unter anderem mit dem Abkommen von Oslo wurden auch über die palästinensische »Autonomie«behörde dem palästinensischen Befreiungskampf seine wesentlichen revolutionären Ziele genommen und die Bewegung in Abhängigkeit gebracht. Deshalb wird von den meisten Menschen in Gaza die Politik der Autonomiebehörde nicht als ihre legitime Vertretung, sondern als Verrat angesehen.

 

Was ist dann passiert mit dem Angriff am 7. Oktober? Zunächst einmal muss man zu den Massakern sagen: das war ein völlig unsinniger, gegen die Zivilbevölkerung gerichteter Terrorakt, den wir ablehnen müssen. Es führt überhaupt nicht weiter, unschuldige Leute umzubringen, auch wenn das palästinensische Volk jedes Recht hat, sich zu befreien und den Befreiungskampf zu führen. Aber so geht das nicht! Es ist typisch für die Faschisten, dass sich ihr Terror gegen die Massen richtet.

 

Diese Vorgänge konnte Israel als Vorwand nutzen, seinen Krieg, zunächst mit Unterstützung weiter Teile der Weltbevölkerung, zu beginnen. Allerdings wurde im Laufe des Krieges immer mehr der Charakter der Netanjahu-Regierung und der Aggression deutlich, sie haben nicht nur eine Vergeltung gemacht, sondern sie haben ihren jahrzehntelangen Krieg mit Vertreibung und Besatzung weitergeführt zur Auslöschung der Bevölkerung von Gaza, der palästinensischen Bevölkerung. Das ist wiederum natürlich schlecht angekommen bei den Massen doppelt.

 

Die Entwicklung führte aber auf der Seite der Palästinenser dazu, dass die palästinensische Bevölkerung sich wieder zusammengeschlossen hat, dass die Spaltung überwunden wurde. So hat Hamas auch auf seine faschistischen Ziele verzichtet und hat sich mit verschiedenen Organisationen, die sie früher bekämpft und unterdrückt hat, zusammengeschlossen. Eine Vielzahl von Organisationen, linker und christlicher und islamischer Organisationen, haben sich zusammengeschlossen zu einer Einheitsfront und haben diesen heroischen Kampf geführt, den Israel nie gewinnen konnte. Dieser Zusammenschluss ist das Hauptergebnis für die palästinensische Bewegung.

 

Natürlich muss man sich im Klaren darüber sein: wenn dieser Waffenstillstand hergestellt ist, ist die Auseinandersetzung noch lange nicht zu Ende. Wenn so ein Krieg zu Ende ist, was passiert dann? Dann wird der Kuchen aufgeteilt, dann versucht natürlich jeder möglichst viel davon abzubekommen. Jetzt geht das los: Trump hat sich schon als Oberkommandeur der Region aufgeschwungen. Er will allen Ernstes einen Rat bilden, dem er vorsitzt und der alles bestimmt. Weiterhin werden Wiederaufbauprogramme angekündigt. Da haben sich schon Kanzler Merz und Außenminister Wadephul gemeldet. Jetzt auf einmal wollen sie wieder aufbauen, nachdem sie neben den USA vorher hauptsächliche Unterstützer der imperialistischen Kriegsführung Israels waren. Erst haben sie die Waffen geschickt und jetzt wollen sie aufbauen? Wiederaufbauprogramme, die natürlich auch nötig sind, weil die Bevölkerung da gar nicht mehr leben kann, aber da versuchen sie jetzt ihren imperialistischen Einfluss auf „friedlichem“ Weg einzubringen.

 

Und es wird auch ein Kampf sein, dass der palästinensische Befreiungskampf sich weiter konsolidiert und dazu gehört auch, die Solidarität fortzusetzen, auch zu helfen, damit das palästinensische Volk wieder aufstehen kann, sich wieder erholen und seine Kräfte stärken kann. Sie brauchen wieder lebenswerter Lebensverhältnisse. Sie brauchen Schulen, sie brauchen ein Gesundheitssystem, sie brauchen was zu essen usw. Das muss alles wieder funktionieren, sonst kann sich der palästinensische Befreiungskampf nicht entwickeln. Und da sind wir gefragt. Zunächst einmal ist da natürlich der ICOR-Solidaritätspakt. Die Brigaden stehen bereit, der Bauplan für das Gesundheitszentrum ist mit den Freunden in Gaza schon vereinheitlicht, seit 2023 wurden über 200.000 € gesammelt!

 

Doch wir müssen noch weitergehen, die Aktivitäten verstetigen: Deswegen haben wir beschlossen, mitzuhelfen, eine Organisation aufzubauen, eine Solidaritätsorganisation. Es reicht nicht, immer nur zu spenden und dann sind die Leute wieder weg. Nein - wir unterstützen die Initiative unserer Freunde, im Rahmen von Solidarität International eine Solidarität aufzubauen, so wie es der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität auch gemacht hat. D. h., nicht nur zu spenden, sondern sich eintragen und mitarbeiten. Wir brauchen Tausende von Leuten die mithelfen diese Solidarität jetzt in die Praxis umzusetzen, nicht nur die 100 Leute, die da runter gehen und mit handwerklicher Arbeit das Krankenhaus aufbauen. Wir müssen hier sammeln unter den Leuten: Werkzeug sammeln, Medizin sammeln, Medikamente, medizinisches Gerät usw. Wir brauchen Fähigkeiten, in den verschiedensten Organisationen muss diskutiert werden, das ist eine Menge Arbeit, die auf uns zukommt um auch den Einfluss der revolutionären Richtung in der palästinensischen Bewegung zu stärken.

 

Die Gelsenkirchener Initiative für diese Organisation wird hier am 1. November im Kultursaal eine »Gaza-Gala« als Pilotveranstaltung durchführen im Rahmen von Solidarität International. Ich fordere euch alle auf, das lebhaft zu unterstützen und sich nicht einfach nur darauf beschränken, Spenden entgegenzunehmen, sondern Leute dafür zu gewinnen, sich einzutragen und selbst Bestandteil dieser internationalen Solidarität zu werden.

 

Denn jetzt muss der Sieg gesichert werden - es ist ein Sieg, dass der Krieg jetzt zu Ende ist - jetzt muss er gesichert werden, dass die palästinensische Bevölkerung wieder leben kann, damit sich der Befreiungskampf wieder erholen kann und da seid ihr alle aufgefordert mitzumachen. Ich freue mich schon auf den 1. November, den die Gelsenkirchener Initiative organisiert mit einem großen Essen und einem großen Fest hier im Saal. Einer der Hauptinitiatoren ist unser Direktkandidat von AUF bei der Kommunalwahl – Mahmoud.

 

Liebe Freundinnen und Freunde es geht nicht nur um Palästina, es geht darum, dass der Imperialismus eine riesengroße Schlappe erleidet. Es geht viel weitergehend darum, dass die Leute dauerhafte Organisiertheit und Selbstvertrauen gewinnen, dass man auch mit den schlimmsten Feinden fertig werden kann. Das setzt allerdings voraus, dass man richtig arbeitet, dass man solidarisch ist, eine richtige Strategie und Taktik hat und den Mumm, sich nicht unter kriegen zu lassen. Darum geht es.

 

Glück auf!