Antikommunismus

Antikommunismus

Die Angst der AfD vor dem Sozialismus

Zum Tag der Deutschen Einheit wendete sich die AfD am 3. Oktober mit einem theatralischen Video an ihre Anhängerschaft. Alice Weidel warnt darin in staatsmännischem Ton: „Alle Alarmglocken müssen schrillen, wenn Sozialismus und Enteignungen wieder salonfähig sind...“ Auch Stephan Brandner warnt im August „vor jedem Aufflammen sozialistischer Ideen“. Jan Zwerg prognostiziert im sächsischen Landtag, dass „Sozialismus zum Niedergang eines Landes“ führt. Kay Gottschalk warf absurderweise erst letzte Woche gar Angela Merkel vor, „den Sozialismus“ eingeführt zu haben. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus vergleichbaren Aussagen. Um mit Weidel zu sprechen: Offenbar schrillen ihre Alarmglocken. Immer häufiger wenden sich AfD-Politiker gegen den Sozialismus.

Von lg
Die Angst der AfD vor dem Sozialismus
Klare Ansage beim Protest gegen den AfD-Parteitag in Riesa zu Beginn des Jahres (rf-foto)

Ein zweischneidiges Schwert:

Einerseits marschieren die modernen Faschisten dabei geschickt auf dem roten Teppich, den die BRD-typische Staatsreligion Antikommunismus ihnen ausgerollt hat. Planwirtschaft, Linksextremismus, Enteignung, Stalinismus? Da schlägt der Alarm bei jedem staatstragenden Politiker und Kapitalisten! Kein Wunder, dass es in der bürgerlichen Politik durchaus Kritik an der AfD gibt, aber kaum eine Kritik am Antikommunismus der AfD. Gegenüber Israel wird die historische Schuld betont und zu Recht Antisemitismus geächtet. Doch was ist mit den 20 Millionen Sowjetbürgern, die Hitlers Antibolschewismus zum Opfer fielen? Die Ächtung des Antikommunismus müsste Teil der deutschen Staatsräson sein. Doch selbst in der Antifa trauen sich noch wenige an diese Kernfrage des modernen Faschismus heran und reduzieren die AfD auf ihre rassistische und unsoziale Politik.

 

Andererseits birgt das zur Schau tragen ihres Antikommunismus auch Gefahren für die AfD. Denn er offenbart in allen gesellschaftlichen Fragen ihr reaktionäres und arbeiterfeindliches Wesen:

1. Mit Antikommunismus das Recht auf Ausbeutung verteidigen

Die AfD Nordrhein-Westfalen zeigte kürzlich in seltener Offenheit ihre prokapitalistische Motivation. Die „linke Wut auf Reiche“ sei schon „älter als Marx und Engels“. Die Kritik am überschäumenden Reichtum einer kleinen Kaste diffamiert sie weiter als „Neid“ und behauptet, deren Wohlstand sei „in den allermeisten Fällen hart erarbeitet“. Hart arbeitet allerdings die Arbeiterklasse, deren Wohlstand sich wiederum in beschaulichem Rahmen hält. Der Reichtum des Monopolkapitals resultiert dagegen aus der Ausbeutung. Marx und Engels trieb wohl kaum der Neid, sondern die Überwindung ausbeuterischer Verhältnisse. Wenn Zwerg vom „Niedergang des Landes“ palavert, fürchtet er wohl eher den Niedergang der Ausbeutung. Der Antikommunismus der AfD soll jede Kritik am Kapital und an der Ausbeutung der Arbeiterklasse unterdrücken. Nicht umsonst forderte Alice Weidel in ihrem Gespräch mit Elon Musk die „Freiheit auf Privateigentum“, sprich: die Freiheit, Arbeiter ausbeuten zu dürfen.

2. Mit Antikommunismus die Frauenbewegung diffamieren

Enxhi Seli-Zacharias ist das Gesicht der AfD in Gelsenkirchen und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Landtag NRW. Bei Instagram präsentiert sie sich wahlweise Cocktail schlürfend mit praller Oberweite in Barcelona, mit deutscher Dogge im Pelz oder mit Schickeria im 5-Sterne-Restaurant. Darunter Posts wie diese: "Der internationale Frauentag ist im Kern der Höhepunkt kommunistischer Propaganda", um dann die Frauenpolitik der DDR anzugreifen. Den "Neobolschewisten" mit ihren "radikal-gesellschaftlichen Ansätzen" stellt sie die "normale Frau" entgegen. Die Neureiche Seli-Zacharias hat mit den Sorgen „normaler“ Arbeiterfrauen genauso viel am Hut wie die „normale“ Rotthauserin* mit Zacharias‘ Pelz. Kein Wunder echauffierte sich Seli-Zacharias bei YouTube auch schon über ein MLPD-Plakat und darüber, dass es heutzutage erlaubt sei, ein Gesicht von Karl Marx in deutschen Straßen zu zeigen. So weit geht ihre geheuchelte Hochachtung vor großen deutschen Denkern dann doch nicht.

 

3. Mit Antikommunismus Widersacher zum Schweigen bringen

Im Bundestag lobte Alice Weidel Donald Trump dafür, dass er „die linksextremistische Antifa zur Terrororganisation erklärt“ habe, und fragt unter tosendem Applaus ihrer Fraktion: „Warum nicht auch in Deutschland?“ Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) dachte nicht einmal daran, sie zur Ordnung zu rufen. Sollte Antifaschismus nicht deutsche Staatsräson sein? Da die Antifa keine fest gefügte Organisation ist, die auf eine Verbotsliste gesetzt werden könnte, kommt diese Forderung einem Blankoscheck gleich, jeden Widersacher zu unterdrücken. Und wenn Antifaschisten Terroristen sind, dann haben sie wohl nichts anderes als Guantánamo verdient – und von da aus ist es nicht mehr weit zum KZ.

 

Allerdings stellt Weidel sich auch selbst ein Bein: Schließlich war die AfD über Jahre bemüht, die Grünen und alle um sich herum als Faschisten zu diffamieren, während sie selbst – glaubte man ihrer Propaganda – der größte Gegner des Faschismus sei. Da die AfD sich wohl kaum selbst verbieten will, sondern vielmehr Antifaschisten zu ihren größten Gegnern erklärt, liegt der nächste Schritt nahe: dass die AfD Faschisten sind.

 

Der Antikommunismus der AfD ist das Konzentrat ihrer reaktionären und faschistischen Weltanschauung. Zugleich zieht die AfD Honig daraus, dass ihr Antikommunismus in weiten Teilen durchaus kompatibel ist mit dem offiziellen, staatstragenden Antikommunismus. Dieses liberale Umfeld der bürgerlichen Ideologie in CDU / CSU, SPD und auch den Grünen war eine wesentliche Bedingung für den Aufstieg der AfD. So zieht die AfD Nutzen daraus, dass eine kleinbürgerlich-antikommunistische Denkweise in Deutschland tief in der Bevölkerung bis in die Arbeiterklasse hinein verankert wurde. Die Aufklärung über den modernen Faschismus der AfD in der Arbeiterklasse kann nur gelingen, wenn sowohl der moderne als auch der faschistische Antikommunismus bekämpft und entlarvt wird.

 

Es bedarf auch einer Selbstveränderung der antifaschistischen Bewegung, sich die Ächtung des Antikommunismus auf die Fahnen zu schreiben. Schon rein moralisch ist es schäbig, wenn sich gegen den Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus oder die Feindlichkeit der Faschisten gegenüber Menschen mit anderer sexueller Orientierung berechtigt schützend vor gesellschaftliche Gruppen gestellt wird – lediglich die Feindschaft der Faschisten gegen den Kommunistinnen und Kommunisten wird in kaum einem Antifa-Aufruf beim Namen genannt. Schulter an Schulter gegen den Faschismus – das bedeutet auch: Gib Faschismus mitsamt seinem Antikommunismus, Rassismus, Antisemitismus und all seinen Bestandteilen keine Chance!

 

Weitere Aspekte des Antikommunismus der AfD werden in den nächsten Tagen bei Rote Fahne News behandelt.