Zwischen den Zeilen bei Caren Miosga
Das Dilemma des Friedrich Merz
Am Sonntag war Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in der Talkshow von Caren Miosga, die den Titel trug „Wo bleibt der Ruck für Reformen?“
Es ging um Fragen der Wehrpflicht, des Bürgergeldes, der Renten. Die Antworten von Merz zeigten sein ganzes Dilemma: Er will die reaktionäre Wende im Interesse der Monopole durchziehen, er will dazu auch über die Kompromissformeln des Koalitionsvertrags hinaus gehen; aber er hat Angst vor dem Aufbegehren der Arbeiter und der Massen: „Ich muss auch die Öffentlichkeit mitnehmen. … Ich möchte nicht wie in Frankreich Streiks und Gelbwesten.“
Am Beispiel der Hartz-Gesetze von Gerhard Schröder würdigte Merz dessen Mut, gab aber zu bedenken, dass dessen Partei „daran fast zerbrochen“ ist. Auf die Nachfragen von Caren Miosga wiederholte Merz mehrfach, dass er selbst gerne weitergehende reaktionäre Maßnahmen ergreifen will, dass er aber „die Bevölkerung mitnehmen“ müsse und dass er auf den Koalitionspartner Rücksicht nehmen müsse: „Das Wesen der Demokratie ist der Kompromiss.“
Mit diesen Floskeln sagt Merz nichts anderes als dass sich seine Regierung im Rahmen der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie bewegt und bewegen muss, mit dem gesellschaftlichen System der kleinbürgerlichen Denkweise als hauptsächlicher Regierungsmethode. Er sagt damit aber indirekt auch, dass das an seine Grenzen stößt, wenn die reaktionäre Wende durchgezogen werden soll. In der Union gibt es eine wachsende Zahl Ultrareaktionäre, die auf eine offene Zusammenarbeit mit der faschistischen AfD setzen.
Merz ist schon mit seinen Positionen, die er in der Sendung äußerte, in vielen Fragen auf einem Weg, der mit der SPD nicht durchzusetzen ist: Er will am liebsten die Zwangswehrpflicht für Männer und Frauen als „gesellschaftliches Pflichtjahr“; er will, dass die Menschen länger arbeiten; er will den Zwang zur privaten Altersvorsorge am Kapitalmarkt.
In vielen weiteren Fragen vertritt die Union unter Merz noch wesentlich weitergehende Positionen: Rücknahme des Verbrenner-Stopps, Bau neuer Atomkraftwerke, Atomwaffen für Deutschland, Einführung der Kriegswirtschaft, rigorose Einschränkung demokratischer Rechte und Überwachung.
Merz erklärte bei Miosga: „Ich muss auch Antreiber sein.“ Aber im Grunde ist er ein Getriebener der Forderungen der Monopole, die ihre reaktionäre Wende schneller durchziehen wollen. Er weiß, dass er dann mit Streiks rechnen muss, Frankreich lässt grüßen. Dort ist einige Stunden nach der Sendung bei Miosga schon wieder der Regierungschef zurückgetreten.