"Soja-Schnitzel" verboten?

"Soja-Schnitzel" verboten?

Brüsseler Sprachpolizei

Das EU-Parlament hat diese Woche beschlossen: Soja-Schnitzel dürfen nicht mehr Schnitzel heißen und vegetarische Wurst nicht mehr Wurst! Zu groß wähnen die Parlamentarier die Gesundheitsgefahren, wenn der arglose Verbraucher ungesunde Pflanzennahrung verspeist statt Fleisch!

Korrespondenz aus Saarbrücken

Nebenher wollen die Volksvertreter den Agrarmonopolen höhere Profite verschaffen, da Fleischproduktion wohl profitträchtiger ist als Getreide- und Gemüseanbau. Egal – das ist mal ein Beschluss, den ich begrüßen kann, ich bin ein Freund eindeutiger Sprache!

 

Hier geht es um nichts weniger als den Beginn einer kleinen Revolution der Sprache, die noch viel umwälzen wird: Dass ich im Supermarkt zukünftig statt eines Schnitzels ein „plattgedrücktes sojaproteinbasiertes, Fleisch nachahmendes Nahrungsmittel“ kaufen kann, sorgt für erfrischende Klarheit.


Natürlich müssen dann Papierschnitzel auch neuen Begriffen weichen, etwa: „aus größeren Papierstücken herausgerupfte Papierkleinteile“. Es müssen mit Sicherheit weitere Sprachbereinigungen folgen: Die Scheuermilch, die Milchstraße und die Milchzähne werden konsequent aus dem Sprachgebrauch getilgt werden. Niemand wird noch guten Gewissens eine Milchmädchenrechnung aufmachen dürfen, wenn er/sie keine Kuh ist!


Man wird der Rosstäuscherei den Garaus machen, dass ich geschnittene Milch kaufen würde, wenn ich Milchschnitte in meinen Einkaufskorb lege. Die Krebsraten werden sinken, wenn die Menschen erstmalig erkennen können, dass Sonnenmilch keine Milch ist. Allerorten werden neue Namen und Begriffe gebraucht werden.


Sehr strittig ist noch, was Gäste zukünftig im Restaurant bekommen, wenn sie Kinderschnitzel bestellen. Friedrich Merz ist ein Vorkämpfer für die neue – alte – Zeit: Er wirft nicht nur Merkels Regierungstaktik über den Haufen, sondern weist auch den CDU-Heiligen Adenauer, der die Veggie-Wurst einst erfunden hatte, in die Schranken. Er tritt in die Fußstapfen Kaiser Wilhelms des Zweiten, der einst verboten hatte, die Veggie-Wurst Wurst zu nennen. Merz verkündete kaisergleich "Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan"!

 

Merkwürdig schweigsam ob dieses Parlamentsbeschlusses ist die AfD, die doch die Expertin und Vorkämpferin gegen die „linksgrün versiffte Sprachpolizei“ ist. Hat sie aus Versehen eine Veggie-Wurst gegessen und dadurch ihren Mumm eingebüßt?

 

Nein, weit gefehlt. Die europäischen Faschisten und Ultrarechten haben im Gegenteil die neue Sprachregelung sogar beschlossen! Und nicht ohne Grund. Denn was nach unsinniger bürokratischer Regelungswut der EU aussieht, ist Teil der Rechtsentwicklung: „Deutschland – aber normal“ kennen wir noch als Wahlplakat der AfD. Und darum geht es ihnen: Deutschland bzw. Europa soll wieder „normal“ sein: Es gibt nur Wurst und Fleisch, nur Mann und Frau, das Volk besteht nur aus Deutschen (oder Engländern, Franzosen, Ungarn usw.), alles andere ist von Übel. Und das muss mit allen Mitteln verteidigt werden.

 

So wird das Bild einer vermeintlich besseren Vergangenheit genährt, zu der man wieder zurückkehren könne, wenn man alles, was sozialistisch, fortschrittlich und demokratisch ist, beseitigt. Doch der Imperialismus hat sein Wesen seit 100 Jahren nicht geändert, er ist allerdings allseitig krisenhafter geworden und stellt die Existenz der Menschheit infrage. Deshalb ist rückwärts zu alten Zeiten keine Option für die Arbeiterklasse, sondern Beseitigung des Imperialismus und vorwärts zu einer echt sozialistischen Gesellschaft!